Thorium-Kuh

Begonnen von DG0MG, 01. November 2018, 22:13

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DG0MG

Das Experiment mit der "Thorium-Kuh" wollte ich ja schon immer mal machen.
Der Name klingt wenig aufregend.
Wenn man es stattdessen "Radionuklid-Generator" nennt, hat das schon einen ganz anderen Touch.  8)

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Wir lesen also erstmal bissl rum:





Verkürzt erklärt: Über Thorium-haltigen Stoffen (Thorium-Nitrat in Glühstrümpfen, Thoriumoxid) bildet sich infolge radioaktiver Zerfälle Radon-220. Dieses zerfällt weiter u.a. zu (wieder festem) Blei-212. Über ein elektrisches Feld kann man erreichen, dass sich das Blei auf einer vorbereiteten negativen Elektrode abscheidet. Ist nach einer Weile genügend Pb-212 auf der Elektrode angesammelt, kann man dessen weiteren Zerfall mit einer Halbwertszeit von ~10,5 Stunden über Wismut-212 (60,5 min) zu stabilem Blei-208 mit einem Geigerzähler mit Langzeitmessfunktion beobachten.

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Wir brauchen für ein elektrisches Feld also erstmal ein wenig Hochspannung. Rutherford benutzte wohl ca. 300V- aus selbstgebauten Batterien, ein bisschen mehr darf es aber ruhig sein. Th. Rapp ([5], s.o.) gibt 500-1000V an, in [3] schreibt der Autor von 900 V. Ich wollte die Hochspannungserzeugung batteriebetrieben haben, sie muss also einen möglichst geringen Stromverbrauch besitzen. Da sich das Blei an der NEGATIVEN Elektrode niederschlägt, sollte die Hochspannung zum besseren Handling auch negativ gegen Masse sein. Ansonsten muss man aufpassen, wo man hinfasst, sonst zuckt's. :)

So sieht die Schaltung nach einigen Versuchen jetzt bei mir aus:




Aufgebaut auf einer Lochrasterplatine und zur Verbesserung der Isolation mit Plastikspray überzogen:




Beim Aufbauen der Schaltung hat sich zum Kontrollieren der richtigen Funktion die kontaktlose Variante bewährt: Ein NF-Verstärker mit einer Fangspule, ähnlich früheren Telefonmithörverstärkern. Jegliches Messen mit Oszi oder 100-MOhm-Tastkopf an der Hochspannung ist schon zuviel Belastung. Im NF-Verstärker Hört man beim Abklemmen des Regelkreises (die Z-D-Dioden) einen Ton von einigen kHz, die Stromaufnahme liegt dabei bei einigen 10mA. Schließt man die Regelschleife, sind nur noch kurze Knackser zu vernehmen, etwa mit 1-2 Hz Frequenz. Dabei sinkt die Stromaufnahme auf unter 150 µA.
Der zur Stromversorgung vorgesehene 18650-LiIon-Akku ist also vollkommen oversized.


.. Fortsetzung folgt.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

#1
Als nächstes brauchen wir eine blecherne Konservendose mit Deckel aus Isoliermaterial. Als Deckel habe ich eine Scheibe aus Plexiglas ausgeschnitten, da gerade kein passender Deckel zur Hand war. Ein M4-Gewindestab ragt durch den Deckel in die Dose. Eine Messingblechscheibe mit aufgelöteter M4-Mutter stellt die negative Elektrode dar, diese kann locker auf das untere Ende des Gewindebolzens geschraubt und auch leicht mit Pinzette o.ä. wieder abgenommen werden.








Die Dose wird mit einigen thoriumhaltigen Glühstrümpfen bestückt (viel hilft viel) ...




... danach wird der Deckel verschlossen und die Hochspannung angelegt, Minuspol (blau) an den Bolzen samt Messingscheibe, Pluspol (braun) an die Dose:



Jetzt heißt es wieder warten, .. Fortsetzung folgt.
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DG0MG

#2
Nach etwa 2,5 Tagen habe ich die Scheibe mittels Pinzette wieder rausgenommen und erstmal vor einen AS622 gelegt - das Ergebnis ist nicht berauschend: Die 73 ipm sind jetzt weniger, als ich erwartet hatte. Eine Ursache könnte die Geometrie sein: Die Scheibe mit ihrem Durchmesser ist viel größer als das Messfenster des GZ mit dem SBM-20 dahinter.

Wir legen die Scheibe also als nächstes unter ein GROSSES Pancake-Zählrohr.
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DL3HRT

Hast du schon mit einem anderen Zählrohr gemessen? Ich hatte damals das SBM-19 verwendet und reichlich Impulse bekommen.

DG0MG

Zitat von: DL3HRT am 10. Januar 2019, 07:11
Hast du schon mit einem anderen Zählrohr gemessen? Ich hatte damals das SBM-19 verwendet und reichlich Impulse bekommen.

Ja, habe ich.

Für eine Langzeitmessung wollte ich nicht einen Laptop oder gar PC durchlaufen lassen, da hab ich erstmal noch etwas anderes gebaut. Das muss ich dann auch mal noch dokumentieren. Ein SI-8B Pancake-Zählrohr in russischem Originalgehäuse. Drin ist (jetzt) die Hochspannungserzeugung, in dem kleinen Kästchen außen ein Arduino nano, der jeweils 1 Minute Impulse zählt und dann die fortlaufenden Minuten und den Zählwert in eine Textdatei auf einer Micro-SD-Karte schreibt. Das ganze wird an 5V aus einer Power-Bank betrieben. Eine etwas größere mit mehr Kapazität als die auf dem Foto hält ca. 10 Tage.

Zu Beginn der Messung kommen mehr als 1000 ipm zustande, Ausschnitt aus der Datei auf der SD-Karte [Sekunden;Ipm]:

60;1122
120;1107
180;1090
241;1096
301;1023
361;1101
421;1012
481;1020
541;1092
602;1037
662;1038


Die Höhe der Hochspannung scheint keine große Rolle zu spielen, eher die Zeit des "Sammelns", bis sich das Isotopengleichgewicht auf der Scheibe eingestellt hat.


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DG0MG

Neuer Versuch:

Mit einem einzigen(!) Glühstrumpf einer anderen Sorte.

Ich hatte dieser Tage mal einige strahlenmesstechnisch relevante Bücher vom Dachboden geholt und in einem davon einen Glühstrumpf gefunden, den ich vor Jahren als Lesezeichen verwendet habe.

Tja, manche pressen Eichenlaub oder Kastanienblätter, andere ..  :o

Falls jetzt jemand bei ebay nach genau dieser Sorte Glühstrümpfe sucht ("Butterfly mantle No. 41 made in China"): nicht machen, hab ich schon durch. Glühstrümpfe in exakt gleicher Verpackung müssen kein Thorium enthalten.

Dieser eine Glühstrumpf produziert nach ~3,5 Tagen "Aufladen" der Messingscheibe in der Dose zu Beginn der Messung nur unwesentlich weniger Impulse als die 4 anderen vorher (~900 vs. ~1100 cpm).

Das Diagramm hat zur besseren Vergleichbarkeit den gleichen Maßstab wie das vorhergehende.

Das sind übrigens knapp 5000 Einzelmessungen, von denen jede durch einen Punkt im Diagramm dargestellt ist. Dabei ist keine Mathematik (Mittelwertbildung o.ä.) verwendet worden. Es ist doch erstaunlich, wie wiederholgenau jede Einzelmessung ist und wie "scharf" bzw. "schmal" der Graph im Diagramm dann erscheint.


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DL3HRT

Ich habe 2017 mit einer Thoriumkuh experimentiert. Nach Entnahme der Messingscheibe wurde diese im Gammaspektrometer platziert und ich habe einen Zeitrafferfilm über mehrere Halbwertszeiten erstellt.

Man kann im Video sehr schön sehen, wie die Aktivität der verschiedenen Tochternuklide allmählich abnimmt. Ich war sehr froh, dass die Messung über mehrere Tage so stabil lief.

DG0MG

Da hatte ich doch noch den Trafo der elektrischen Fliegenklatsche hier herumliegen. Der zugehörige Sperrwandler-Transistor war bei einigen Experimenten dann gestorben, aber aus dem Trafo musste man doch noch was machen! Und so war die Idee, versuchsweise die Spannung an der Thorium-Kuh zu erhöhen. Also Ziel: Ein paar Kilovolt(!) negative Hochspannung mit möglichst geringster Stromaufnahme, da Batteriebetrieb - möglichst aus einer LiIon-Batterie.

Bei der Schaltung bin ich ungefähr der vorherigen Variante treu geblieben, nur keinen 4093, sondern einen 40106 mit 6 Schmitt-Trigger-Invertern. Als Transistor diesmal einen Mosfet, der nicht auf eine einzelne Induktivität, sondern auf die Primärwicklung des Fliegenklatschen-Trafos arbeitet. An dessen Sekundärwicklung ein dreistufiger Villard-Spannungsvervielfacher. Ohne die Rückführung nimmt das Gebilde 900 mA auf und sowohl MOSFET wie auch Trafo werden ordentlich warm. Da aber ja nun am Ausgang keine Last ist, muss der Oszillator nicht ständig laufen. Wir zapfen also den Vervielfacher nach der ersten Stufe an, wo  >1400 V anliegen und fügen dort eine Regelschleife ein: Bei entsprechender Spannung (1400 V) brechen die 7*200-V-Z-Dioden in Reihe durch und der Transistor wird leitend. Damit hält er den Oszillator an und die Stromaufnahme beschränkt sich auf einige Mikroampere. Ist die Spannung so weit gesunken, dass der Basisstrom nicht mehr ausreicht, springt der Oszillator kurz an und lädt die Kondensatorkette nach. Dass passiert zyklisch etwa alle 1-2 Sekunden. Der durchschnittliche Stromverbrauch wird sich zu einigen 100µA ergeben, das kann ich gerade nicht messen.

Am Ende der Vervielfacherkette messe ich mit einem 100-MOhm-Spannungsteiler 3100 V, dabei merke ich aber schon, dass der Oszillator erheblich häufiger läuft. Die Spannung bricht also wahrscheinlich schon zusammen und liegt im Leerlauf noch höher. Man müsste also mit 1GOhm messen - hab ich nicht.

Das ganze wurde wieder auf Lochraster aufgebaut und zur Verbesserung der Isolation mit Plastikspray versiegelt.
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DL3HRT

Bernd Ulmann hat auch mit einer Thoriumkuh experimentiert: "Ein einfacher Radionuklidgenerator"


Xodor

Zitat von: DG0MG am 01. November 2018, 22:13So sieht die Schaltung nach einigen Versuchen jetzt bei mir aus:




Wie muss die Schaltung umgebaut werden um eine positive Hochspannung (für andere Zwecke) zu erzeugen?

DG0MG

Ich hab gekämpft, dass ich sie negativ bekommen habe :) Man muss alles rumdrehen, npn-Transistor statt pnp, die Dioden, und auch die Logik, wann der Oszillator läuft.
Wenn Du postive HV brauchst, orientiere dich Doch an der Schaltung des GA500 oder des Theremino-Spektroskopie-Adapters.
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opengeiger.de

So, nun war ich doch noch in einem Fall erfolgreich mit einem PC-Lüfter als Impaktor-basiertem Aerosolsammler. Um genau zu sein mit einer Impaktor-Thorium-Kuh. Während es ja schon nachgewiesen ist, dass man mit einem elektrostatischen Sammler und Hochspannung die Thoron-Zerfallsprodukte auf einem Blech abscheiden kann, ist es mir nun gelungen, die Thoron-Zerfallsprodukte auf den Flügeln eines PC-Lüfters ganz ohne Hochspannung abzuscheiden. Dar Setup war ein ganz Ähnlicher, ich habe einen Th-Glühstrumpf in ein Marmeladenglas gesteckt und hinter einem Hasendrahtgitter auf Abstand zu einem Lüfter gehalten, der sich im Luftraum davor drehte.

Zuvor hatte ich habe nochmal nachsimuliert, wie lange ich den Lüfter laufen lassen muss, unter der Annahme einer konstanten Thoronzufuhr, bis ich was messen kann. Die Simulation der Zerfallskette zeigte dann, dass der größte Teil des Pile-Up nach etwa 40h gelaufen ist, also grob gesagt nach zwei Tagen. Die habe ich dann gewartet, während der Super-Silent Lüfter lief.

Danach habe ich dann den Glühstrumpf wieder vorsichtig entfernt und mir zunächst die Schaufeln des Lüfters auf der Druckseite (Impaktorseite) mit dem Inspektor angeschaut. Und ja, da sieht man dann etwa einen Faktor 14 gegenüber dem Hintergrund. Und diese Aktivität hält sich dann auch recht gut, es wird also das Pb212 sein.

Dann habe ich den Radiacode mit dem Lüfter ins Glas gesteckt und mal ein Spektrum akkumulieren lassen. Und Bingo, da sieht man dann das Pb212 bei 238keV.

Aber insgesamt sind die Schaufeln eines Lüfters als Impaktor in der Sammeleffizienz dann doch dem klassischen Filter unterlegen und möglicherweise auch dem elektrostatischen Sammler. Ich werde den Ansatz daher vorerst nicht weiter verfolgen, auch wenn es sehr geräuscharme Lüfter gibt und man nicht so schnell eine gewischt bekommt  :D .

NuclearPhoenix

Sehr interessant! Aber kann es nicht auch sein, dass sich durch den Luftzug des Lüfters einfach ein paar Partikel vom Glühstrumpf gelöst und dann am Lüfter festgesetzt haben? Die Dinger sind ja ziemlich fragil, und vor allem relativ spröde, wenn sie alt werden. Auch wenn deiner jetzt noch relativ "frisch" aussieht. Das heißt du würdest nicht unbedingt die Zerfallsprodukte vom Radon messen, sondern einfach Staub vom Strumpf selber.

Ich frag mich das nur, weil der Lüfter ja in einem echt kleinen Gefäß ist und direkt auf den Strumpf ausgerichtet ist, aber wird schon passen :unknw:

Henri

Zitat von: opengeiger.de am 22. November 2023, 20:26So, nun war ich doch noch in einem Fall erfolgreich mit einem PC-Lüfter als Impaktor-basiertem Aerosolsammler.

Ein schöner Versuch!  :)

Wie sahen denn die Zählraten auf der anderen Seite der Lüfterflügel aus, und an den unbeweglichen Teilen?

opengeiger.de

Zitat von: NuclearPhoenix am 22. November 2023, 22:02Sehr interessant! Aber kann es nicht auch sein, dass sich durch den Luftzug des Lüfters einfach ein paar Partikel vom Glühstrumpf gelöst und dann am Lüfter festgesetzt haben? Die Dinger sind ja ziemlich fragil, und vor allem relativ spröde, wenn sie alt werden. Auch wenn deiner jetzt noch relativ "frisch" aussieht. Das heißt du würdest nicht unbedingt die Zerfallsprodukte vom Radon messen, sondern einfach Staub vom Strumpf selber.

Ich frag mich das nur, weil der Lüfter ja in einem echt kleinen Gefäß ist und direkt auf den Strumpf ausgerichtet ist, aber wird schon passen :unknw:

Ich denke diese Frage ist absolut berechtigt. Was aber hilft diesbezüglich mehr Sicherheit zu schaffen ist, genau wie im elektrostatischen Fall den Zerfall ab dem Zeitpunkt zu messen, wo man den Glühstrumpf entfernt hat. Ich habe daher heute früh nochmals eine Messung an dem Lüfter gemacht, der sich über Nacht ohne Glühstrumpf im Glas befand und da sieht man, dass die Aktivität auf etwa die Hälfte runter ist. Auf dem Hasendrahtgitter kann ich nichts nachweisen, es hat vermutlich auch eine zu geringe Fläche. Wenn ich von oben ins Marmeladenglas messe, könnte man meinen man sieht was, aber ich komme mit dem Pancake nicht recht an die Glasinnenflächen ran. Aber es ist ein Unterschied, von welcher Seite ich den Lüfter anschaue. Die Saugseite ist deutlich schwächer als die Druckseite. Die unbeweglichen Teile am Lüfter kann ich nicht recht räumlich diskriminieren.

Das Gewebe des Glühstrumpfes erscheint auch trotz des Alters nicht spröde. Er war in einem kunststoffbeschichteten Tütchen noch original vepackt. Ich könnte mir denken, das Gewebe wird in einer Th-Lösung getränkt. Klar, einen einmal angebrannten Glühstrumpf sollte man so natürlich nicht untersuchen, da fliegt einem nur die Asche um die Ohren sobald man den Lüfter anschaltet :-\ .

Ich denke aber der Sachverhalt mit der Partikel-Abscheidung wird schnell klar, wenn man sich mal nen alten PC-Lüfter, der einige Jährchen im PC gelaufen ist genauer anschaut. Ich habe hier mal so einen Lüfter von der Saug- und Druckseite her fotografiert. Ich glaub man kann den Unterschied im Belag gut erkennen. An den abgeschiedenen Partikeln wird man sicher die Geschichte des Lebens in dem Raum zu einem gewissen Grad rauslesen können, viele Zigaretten und viel Schnaps vor dem Bildschirm würden da unweigerlich Spuren hinterlassen ...  :D