Radiumquelle Hartmannsdorf

Begonnen von DG0MG, 14. Juli 2020, 19:09

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DG0MG

Heute ein Artikel in der "Freien Presse" über eine "Radiumquelle" in Hartmannsdorf bei Kirchberg, die bisher wohl eher ein Schattendasein fristet und demnächst aufgehübscht werden soll.

Es wird angegeben, das Quellwasser enthielte 40 Millibecquerel pro Liter Radium (nicht Radon!) und das wäre mehr, als die Wiesenquelle in Bad Schlema, die das Kurbad speisen würde.

Mit diesen Aussagen komme ich nicht so richtig klar. Soll wirklich Radium gemeint sein und nicht doch eher Radon?
40 mBq/l sind 40 Bq/m3, das ist doch lächerlich wenig?
Speist das Kurbad in Bad Schlema nicht die Gleesbergquelle? Ja, stimmt beides, die Quelle hat zwei Namen.

Was meint Ihr?

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

wrdmstr inc.

Wahrscheinlich kBq/l gemeint :rofl:

DG0MG

Zitat von: wrdmstr inc. am 14. Juli 2020, 20:12
Wahrscheinlich kBq/l gemeint :rofl:

Nee, das kann auch nicht sein, denn: Die stärkste Radontrinkquelle der Welt in Bad Brambach ist mit 26 kBq/l angegeben. Da könnte dann Bad Brambach zumachen. ;)
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Nicht Radium mit Radon verwechseln!

Nach Trinkwasserverordnung gelten für die natürlichen Radionuklide als Richtwerte (Richt-Dosis 0,1 mSv/a)
-  Radium-226: 500 mBq/l
-  Radium-228: 200 mBq/l
-  Radon-222: 100.000 mBq/l  (100 Bq/l)
-  Tritium H-3: 100.000 mBq/l  (100 Bq/l)

Gruß
Norbert

DG0JN

Aber wo sich die Quelle in Hartmannsdorf wirklich befindet, ist mir noch nicht so richtig klar.

DG0MG

Zitat von: NoLi am 14. Juli 2020, 21:55
Nicht Radium mit Radon verwechseln!

Nach Trinkwasserverordnung gelten für die natürlichen Radionuklide als Richtwerte (Richt-Dosis 0,1 mSv/a)
-  Radium-226: 500 mBq/l
-  Radium-228: 200 mBq/l

Sehr guter Hinweis! siehe [1]

Wenn der im Artikel genannte Wert (40 mBq/l) wirklich stimmt und sich nicht auf Radon, sondern tatsächlich auf Radium bezieht, dann ist das doch wirklich "vom anderen Planeten" weit hergeholt, dabei von einer "Radiumquelle" zu sprechen, wenn in normalem Trinkwasser mindestens fünfmalsoviel drinsein darf.

Ist das wirklich möglich, dass in der Wiesenquelle in Bad Schlema, die ja doch einige hundert Bq/l Radon enthält, NOCH WENIGER Radium enthalten ist, als hier in Hartmannsdorf?
Wer findet einen Vergleichswert zu Bad Schlema bzgl. Radium?

Zitat von: DG0JN am 14. Juli 2020, 22:44
Aber wo sich die Quelle in Hartmannsdorf wirklich befindet, ist mir noch nicht so richtig klar.

Na, genau weiß ichs auch nicht, aber es wird sich doch vor Ort finden lassen.
".. vom Schulweg hinab" könnte z.B. hier sein: https://goo.gl/maps/bFwkcmPQvmRDCWcdA


[1] Trinkwasserverordnung, Anlage 3a - Anforderungen an Trinkwasser in Bezug auf radioaktive Stoffe: https://www.dvgw.de/themen/wasser/trinkwasserverordnung/anlage-3a/
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Die Begriffe "Radium-Quelle" und "Radon-Quelle" sind nicht eindeutig definiert; gemeint sind im allgemeinen deutlich radonwasserhaltige Quellen. Meistens enthalten diese Quellen immer einen gegenüber dem Trinkwassernetz etwas erhöhten Radium- und auch Urangehalt (für letzterem gilt 3.000 mBq/l für U-238 und 2.800 mBq/l für U-234).

Gruß
Norbert

DL3HRT

Prinzipiell ist es möglich oder sogar wahrscheinlich, dass das Quellwasser überhaupt kein Radium-226 enthält sondern nur Radon-222.  Das ist dann der Fall, wenn das Wasser nicht in direktem Kontakt mit den radiumhaltigen Gesteinsschichten war. Das Radon-222 diffundiert durch das Gestein und löst sich teilweise im Wasser. Daher ist die Bezeichnung "Radiumquelle" in der Regel nicht korrekt.

Ich habe Wasserproben von verschiedenen Quellen (Schlema, Bad Brambach etc.) im Gammaspektrometer untersucht und konnte bei keiner Probe Radium-226 nachweisen.

DG0JN

Zitat von: DG0MG am 15. Juli 2020, 00:39
Na, genau weiß ichs auch nicht, aber es wird sich doch vor Ort finden lassen.
".. vom Schulweg hinab" könnte z.B. hier sein: https://goo.gl/maps/bFwkcmPQvmRDCWcdA

Na ok, dann suchen wir mal beim Spielplatz nach der gelben Badewanne.

DG0MG

Zitat von: DL3HRT am 15. Juli 2020, 11:11
Prinzipiell ist es möglich oder sogar wahrscheinlich, dass das Quellwasser überhaupt kein Radium-226 enthält sondern nur Radon-222. 

Ich habe Wasserproben von verschiedenen Quellen (Schlema, Bad Brambach etc.) im Gammaspektrometer untersucht und konnte bei keiner Probe Radium-226 nachweisen.


Einen mehrteiligen Artikel zum Radium(sic!)-Gehalt der Quellwässer habe ich in den "Kirchberger Nachrichten" gefunden ([2], [3], [4])
Dort wird erläutert, dass 2008 verschiedene Wässer mittels Alpha- und Massenspektrometrie untersucht worden sind. Die Grafik gibt wieder, dass der Radiumgehalt der Quelle etwas drei- bis viermal so hoch wie der in normalem Trinkwasser der Gegend ist. Das ist natürlich immer noch furchtbar wenig. Ich denke, das liegt unter der Nachweisgrenze Deines Mess-Equipments.

[2] Kirchberger Nachrichten, Ausgabe 16/2008, S. 2, Dr. rer. nat. Mike Haustein: "Radium-Quellen in Hartmannsdorf und Kirchberg"
[3] Kirchberger Nachrichten, Ausgabe 17/2008, S. 6
[4] Kirchberger Nachrichten, Ausgabe 18/2008, S. 5
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Danke für die Links. Schade, dass nicht auch der Radongehalt der untersuchten Wasserproben bestimmt wurde. Dann hätte man vermutlich gesehen, dass zwischen Radiumgehalt und Radongehalt kein direkter Zusammenhang besteht.

DG0MG

#11
Zitat von: DG0JN am 15. Juli 2020, 20:22
Na ok, dann suchen wir mal beim Spielplatz nach der gelben Badewanne.

Ich hatte mit meinem schnellen Tip nur 15 Meter neben der tatsächlichen Position gelegen :)

Das Wasser tritt bei  50.593299° 12.547904° zu Tage. Da es, wie in den Artikeln zu lesen, aus einem Altbergbau ~150 m weiter östlich kommt, geht wahrscheinlich eine Verrohrung unter der Straße hindurch. Besagte Treppe führt dann zwischen Büschen vom Schulweg auf ein kleines Grundstück hinunter. Am Hang zur Straße steht die gelbe Badewanne. Das Wasser läuft aus dieser einige Meter in einer nicht befestigten Rinne, bis es im nicht zugänglichen Gelände der Kita in ein Gully läuft.
Vor dem Wohnhaus gegenüber auf der östlichen Straßenseite befinden sich zwei Schachtdeckel - k.A., ob die etwas damit zu tun haben.

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

Gestern im "Blick" - einer kostenlosen Werbezeitung - ebenfalls ein Artikel:


In diesem wird das Wasser nun sogar als "stark radiumhaltig" beschrieben.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Zum Thema Radon wurde in den Artikeln nichts geschrieben. Wenn ich mal in der Gegend bin werde ich eine Wasserprobe nehmen und diese im Gammaspektrometer untersuchen.

DG0MG

Wie weiter oben [1] schon festgestellt, schreibt die Trinkwasserverordnung Obergrenzen für die Konzentration von radioaktiven Stoffen im Trinkwasser vor:


  • max. 500 mBq/l für Ra-226 und
  • max. 200 mBq/l für das hoch radiotoxische Ra-228

In [3] wird der Radiumgehalt des "Stollenbrunnens" (also der Quelle) mit 40 mBq/l angegeben. Eine Unterscheidung der Isotope wird nicht vorgenommen.

Es gilt, diesen Wert einzuordnen.

Es gibt eine Mineralwasserverordnung [5], die enthält einen Passus, wann auf Mineralwasser der Zusatz "Geeignet zur Herstellung von Säuglingsnahrung" aufgedruckt sein darf (3. Abschnitt, §15): Wenn der Gehalt an Ra-226 <125 mBq/l und an Ra-228 <20 mBq/l beträgt.
Da wir nicht wissen, welches Isotop die 40 mBq/l verursacht, würde man das Quellwasser also vorsichtshalber besser nicht für Säuglingsnahrung verwenden.

Schauen wir, was das BfS zu Mineralwasser schreibt. [6]

Im Jahr 2009 hat das BfS bundesweit Trinkwasser untersucht [7].
Dabei wurden im Zwickauer Land (S. 99) 9 Proben genommen:

         Ra-226   Ra-228
         [mBq/l] [mBq/l]
------------------------
016SN10    11      4,1
017SN10    14      12
018SN10    10      3,7
018SN20    12      3,2
019SN10    5,6    <5,9
020SN10    16      16
020SN20    12      12
021SN10    32      12
021SN20    17      6,4


Das bestätigt also die schlecht lesbare Grafik aus [2], dass die Quelle ggü. dem Leitungswasser aus der Gegend(!) ~3-4mal höheren Radiumgehalt hat. Schauen wir aber mal in eine andere Gegend, z.B. Weißenfels (S. 101):

         Ra-226   Ra-228
         [mBq/l] [mBq/l]
------------------------
169ST10   110      88
169ST11   100      90
169ST12   140      97
169ST20    86      62
169ST21    73      66
201ST10    25      29
201ST20    16      16
377ST20    58      40


Würden wir dieselbe Quelle mit demselben Wasser in Weißenfels haben, dann würde dort wohl niemand von einer "Radium-Quelle" sprechen - er würde ausgelacht. Stattdessen würde man das frische, klare Quellwasser wegen seiner im Vergleich zum Trinkwasser ausgesprochen geringen Belastung mit dem schädlichen Radium in höchsten Tönen lobpreisen.

Es ist eben alles eine Frage des Blickwinkels.

[5] https://www.gesetze-im-internet.de/min_tafelwv/
[6] https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/lebensmittel/mineralwasser/mineralwasser_node.html
[7] https://doris.bfs.de/jspui/handle/urn:nbn:de:0221-20100319945
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!