Die verschwundenen Dörfer

Begonnen von DG0MG, 22. Februar 2019, 16:25

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DG0MG

Wer sich mit Strahlung beschäftigt, kommt nicht umhin, auch diverse Aspekte im Zusammenhang mit der WISMUT zu betrachten. Noch dazu, wenn man in deren Einzugsgebiet wohnt und die Historie ganzer Landstriche und Familien von Thüringen bis Dresden dadurch geprägt wurde.

Im Ronneburger Bergbaurevier verschwanden in den 50er und 60er Jahren einige Dörfer teilweise oder ganz von der Landkarte.
Dazu gehören:

  • Sorge-Settendorf
  • Culmitzsch
  • Schmirchau
  • Gessen
  • Katzendorf
  • Lichtenberg

Dazu gab es vor mehr als 10 Jahren im Vorfeld der um Ronneburg stattfindenden BUGA (Bundesgartenschau) eine Dokumentation im MDR. Deren - damals abgespeicherte - textliche Beschreibung gebe ich hier mal wieder:

ZitatInfos von http://www.mdr.de/doku/2922636-hintergrund-2680236.html:

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Teil 1: "Die verschwundenen Dörfer"
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Ein Film von Joachim Tschirner und Burghard Drachsel

Strengste Geheimhaltung, Propaganda und Desinformation begleiten von Beginn an die Geschichte des Uranbergbaus in der ehemaligen DDR. Selbst den Begriff "Wismut" benutzten die Sowjets als irreführenden Tarnnamen. Die neue MDR-Dokumentation widmet sich einem ganz besonderen Kapitel der Wismut-Geschichte, das bis heute weitgehend im Dunkeln geblieben ist: Zwischen 1951 und 1968 verschwanden fünf Dörfer von der Landkarte Thüringens.

Begonnen hat es 1951 in der kleinen Gemeinde Sorge-Settendorf, in der russische Geologen das Uran nur drei Meter unter der Erdoberfläche fanden. Von hier zieht sich ein Band kaum fassbarer Landschaftszerstörung bis zu dem 750 Jahre alten, wunderschönen Ort Culmitzsch, der 1968 zerstört wurde. Die Filmemacher Joachim Tschirner und Burghard Drachsel machen sich im Ronneburger Bergbaurevier nun erstmals auf Spurensuche. Erzählt wird unter anderem das traurige Ende des einstigen Ausflugsortes Schmirchau, der dem damals größten Uran-Tagebau der Welt zum Opfer fiel. 1953 fraßen sich die Tagebau-Bagger so dicht an Schmirchau heran, dass die ersten Familien den Ort räumen mussten. 1957 war das Schicksal der letzten Einwohner besiegelt. Ihre Interessen und Bedürfnisse spielten in den Planungen der Strategen keine Rolle.

Die Sowjets brauchten im Wettlauf mit den USA immer mehr Uran. Kontaminierte Abraumhalden mit gigantischen Dimensionen entstanden, die kaum noch zu sichern waren. Über die Gefahren wurde so wenig bekannt wie über Unglücksfälle oder gar Katastrophen. So ist es nicht verwunderlich, dass auch das Schicksal des Dorfes Gessen der Öffentlichkeit unbekannt geblieben ist. Nachdem 1966 dort eine ungesicherte Halde gefährlich ins Rutschen gekommen war, mussten alle Einwohner ihr Dorf verlassen, für immer. Auch die Geschichte von Gessen wird in der Dokumentation erstmals aufgerollt.

Unter den Protagonisten des Films spielt Manfred Wöllner eine besondere Rolle. Er wurde 1939 in Gessen geboren, zog mit den Eltern ins benachbarte Schmirchau und verlor somit gleich zwei Heimatorte. Manfred Wöllner ist ein ganz besonderer Zeitzeuge, dem die Autoren im Film immer wieder begegnen. Er sammelt, archiviert, fotografiert seit vielen Jahren alles, was mit den verschwundenen Dörfern der Ronneburger Wismut-Region zu tun hat. Als 17-Jähriger hatte er kurz vor der Aussiedlung mehr als 200 Fotos von den intakten Häusern und Höfen in Schmirchau gemacht. Diese Fotos und auch die historischen Filmbilder aus dem Wismut-Archiv lassen die Gedanken zurückschweifen in eine Welt, die es zwar so nicht mehr gibt - die aber nach wie vor in das Leben der Betroffenen hineinragt.

Aktuell hat jemand diesen sehenswerten Film bei yt hochgeladen:



Ich hatte später (im Januar 2012) Gelegenheit, den zu Beginn (ab 2:56 min) des Filmes gezeigten Herrn Johannes Weiser persönlich kennenzulernen und mich ausführlich mit ihm zu unterhalten. Und zwar am selben Ort - in der weithin sichtbaren, kleinen Kirche von Sorge-Settendorf, die dem Uranbergbau nicht weichen musste.  Für diesen Ort (da es ihn in Teilen noch gibt und er auch strahlenmesstechnisch interessant ist), machen wir gelegentlich einen eigenen Thread auf.

Wer den Film interessant findet, sollte auch dieses Buch lesen:



Annerose Kirchner
Spurlos verschwunden : Dörfer in Thüringen - Opfer des Uranabbaus.
Chr.-Links-Verlag, Berlin 2010
ISBN: 9783861535690


Onlinevorschau:

Die Autorin hat jeweils einen Protagonisten aus einem der Dörfer besucht und seine/ihre Geschichte aufgeschrieben. Teilweise überschneiden sich der Film und das Buch, was aber kein Nachteil ist, denn das Buch ist ausführlicher. Einen Großteil der beschriebenen Orte (Reuster Turm, Paitzdorfer Halde, Rückersdorf, Trünzig, Seelingstädt, Schmirchauer Höhe, Zwirtzschen, Friedmannsdorf, Kleinreinsdorf usw. kenne ich aus eigenem Anschauen - da hat man einen anderen Bezug dazu, als bei einem anderen, anonymen Ort, ein paar 100 km entfernt.

Geht mir zumindest so.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

Wem das Hobby "Geocaching" nicht fremd ist, der kann die Orte (bzw. die STellen an denen die Orte mal waren) auch im Rahmen eines Multi-Caches besuchen:

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