Deponie IAA Dänkritz II

Begonnen von DG0MG, 04. August 2018, 22:09

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DG0MG

Bei Dänkritz - zwischen Zwickau und Crimmitschau in Sachsen - wurde 1954 eine industrielle Absetzanlage durch Aufschütten eines Dammes geschaffen, in die von 1955 bis 1958 die Schlämme aus der Aufbereitungsanlage Crossen (Aufbereitung 38) geleitet wurden.

Die Deponie war mal eingezäunt, der Zaun ist zu großen Teilen nicht mehr vorhanden. Die WISMUT bewertet die Deponie als dringend sanierungsbedürftig, weil von ihr Gefahren für die Bevölkerung ausgehen:


Es gibt vom User minimax.video ein Bewegtbild:



Die Stelle mit dem Grundwasserbeprobungsrohr befindet sich hier: N 50.77306°  E 12.42910° (Google Maps). Dort kann man auf dem ausgetrockneten Schlamm laufen und sieht das Dilemma ganz deutlich. Feingemahlener, grauer, strahlender Staub.

Trotz noch nicht endgültig beschlossener Sanierung werden schon Vorbereitungsarbeiten für die Erfassung und Umsiedlung der dort lebenden geschützten Arten unternommen.





"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Am 21.08.2018, dem Tag eines Ausflugs zur IAA Dänkritz II, erschien in der "Freien Presse" Zwickau die amtliche Bekanntmachung über den Planfeststellungsbeschluss zur Sanierung der IAA Dänkritz II. Ab Ende August standen die Planungsunterlagen frei zugänglich im Internet zur Verfügung. In den Planungsunterlagen wurden auch Messwerte von 2014 veröffentlicht.

Während des Ausflugs wurden drei Tailingproben aus unterschiedlichen Tiefen entnommen. Wie es der Zufall will, befand sich die Probenahmestelle nur 4m neben einer der Messstellen von 2014 (Dänk2_17). Dort wurde Material von der Oberfläche bis max. 10cm Tiefe entnommen und radiologisch sowie auch chemisch analysiert. Das war natürlich ein Glückstreffer, da nun die aktuellen Proben von 2018 mit den damaligen Messwerten verglichen werden können.

Es ist immer gut, die richtigen Leute zu kennen :). So z.B. den Leiter des Labors "Radioaktivität" in einem Umweltlabor einer großen Stadt in Norddeutschland. Dieser war so nett, eine Probe der Tailings aus 0 .. 10cm im Gammaspektrometer zu untersuchen. Insgesamt flossen 250.000 Sekunden Messzeit, also fast 3 Tage in die Messungen.

Hier die Ergebnisse für die einzelnen Nuklide. Die gemessene Aktivität ist in Bq/kg angegeben:
Nuklid  2014 2018
-----------------
U-238   3300 3530
U-235    180  166
Th-228    71   57
Ra-226 13500 8260
Ac-227   560  435
Ra-228    76   54

Die Ergebnisse stimmen in der Größenordnung gut überein. In der Tailingprobe von 2018 lag in der Aktivität der meisten Nuklide niedriger als in der Probe von 2014. Lediglich U-238 kam mir einer höheren Aktivität vor.

Man darf bei der Interpretation der Ergebnisse nicht vergessen, dass mehrere Jahre zwischen den beiden Proben liegen und es sich um Material von der Oberfläche handelt, welches seit 1958 dort liegt und der Witterung ausgesetzt ist.

Und da es immer noch gut ist, die richtigen Leute zu kennen, liegen derzeit drei Proben in einem Labor in Süddeutschland und warten auf die Analyse im Massespektrometer. Sobald die Ergebnisse vorliegen, werden sie hier nachgereicht.



DG0MG

Hier die Planungunterlagen bei der Landesdirektion Sachsen:


Besonders lesenswert ist der Abschnitt
"Planunterlagen 1. Tektur - 2. Fachplanung"
Teil I
ANLAGE II.4 - Bewertung-Radiologie-Geochemie-Istzustand

mit den Informationen zum Ist-Zustand, z.B. den Gamma-Messungen an den Sickerwasseraustrittstellen im Umfeld und der Auseinandersetzung mit den stark differierenden Messwerten von 1993 und 2014.

Viel Lesestoff!
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Nachdem mitterweile alle Tailingproben getrocknet sind wurden sie pulverisiert und heute im Eigenbau-Gammaspektrometer (63x63mm NaI(Tl)-Kristall, 3" Photomultiplier, Theremino Pmt-Adapter und Theremino Software) untersucht. Es wurden jeweils 250g von jeder Probe verwendet.

Probe #2 aus 20 ... 30cm Tiefe war am aktivsten, dicht gefolgt von Probe #1 aus 0 ... 10cm Tiefe. Die geringste Aktivität wies Probe #3 aus 50 ... 60cm Tiefe auf.
Die durchschnittliche Impulsrate des Detektors während der Messung war wie folgt (Impulse pro Sekunde):
- Probe #1: 203.7 ips
- Probe #2: 219,4 ips
- Probe #3: 186.1 ips

Es ist leicht nachzuvollziehen, dass die Aktivität der Probe #1 nicht die höchste ist. Das Material stammt aus der oberflächennahen Schicht und war über Jahrzehnte Wind und Wetter ausgesetzt. Dass die Aktivität nicht auf Radon-222 sondern tatsächlich auf Radium-226 zurückzuführen ist, zeigt die Linie des Radium-226 bei 186keV. Bei reiner Radonaktivität wäre diese nicht vorhanden. Die geringere Radium-226 Aktivität in Probe #3 ist überraschend. Es gibt allerdings mehrere Erklärungsmöglichkeiten dafür (unterschiedlicher Urangehalt des Erzes und damit Radiumgehalt der Tailings, Auswaschprozesse usw.).


DL3HRT

Heute kamen die restlichen Analyseergebnisse für alle drei Proben. Die Analyse wurde im Massespektrometer durchgeführt.

Als Vergleich wurden die Analyseergebnisse von 2014 aus den Planungsunterlagen gegenübergestellt. Die Übereinstimmung ist gut.



Element   Analyse 2014  Probe #1 Probe #2 Probe #3
Blei          0,205     0,2186   0,2396   0,2450
Cadmium       0,007     0,0073   0,0072   0,0071
Chrom         0,057     0,0801   0,0744   0,0795
Nickel        0,106     0,1296   0,1267   0,1316
Kupfer        0,160     0,1572   0,1625   0,2326
Zink          0,985     1,1375   1,1634   1,1390
Arsen         0,165     0,1812   0,1983   0,2245
Selen         0,000     0,0040   0,0043   0,0072
Antimon       0,015     0,0162   0,0152   0,0194
Thallium      0,001     0,0021   0,0021   0,0019
Uran          0,273     0,3666   0,2413   0,1695
Bor           0,000     0,0862   0,0815   0,0668
Barium        0,440     0,7709   0,6333   0,8522
Cobalt        0,027     0,0338   0,0377   0,0294
Vanadium      0,230     0,3698   0,3373   0,3699


- alle Messwerte in g/kg
- 2014:      0..10cm Tiefe
- Probe #1:  0..10cm Tiefe
- Probe #2: 20..30cm Tiefe
- Probe #3: 50..60cm Tiefe

Das angehängte Diagramm stellt die Messwerte graphisch dar und erlaubt einen schnellen Vergleich.

DG0JN

Ich war heute Abend mal kurz am Umweltmeßpunkt 1516. Es ist noch alles so, wie bisher, nur gibt es jetzt mehr Mücken und man hat die Höhe vermessen. In der Probenentnahmestelle tickert es noch mit 3,7 µSv/h.

DL3HRT

Ja, das dauert alles seine Zeit. Dabei ist seit dem Planfeststellungsbeschluss fast ein Jahr ins Land gegangen. Wir hatte voriges Jahr eine ähnliche Dosisleistung gemessen.

DG0MG

Zitat von: DG0JN am 04. Juni 2019, 21:13
und man hat die Höhe vermessen.

Nee, das ist auch schon länger. Im Eröffnungbeitrag Bild 4 siehst Du den roten Pflock.
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DG0JN

Du hast Recht, der Pflock war mir so gar nicht in Erinnerung.

DG0MG

@DL3HRT:
Kannst Du mal eine Makro- oder Mikroskop-Aufnahme von dem Gekrümel machen?

Ich stelle übrigens gerade fest, dass keiner eine Angabe macht, wieviele Tonnen Tailings dort überhaupt liegen.

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DL3HRT

ZitatKannst Du mal eine Makro- oder Mikroskop-Aufnahme von dem Gekrümel machen?
Kommt demnächst.

ZitatIch stelle übrigens gerade fest, dass keiner eine Angabe macht, wieviele Tonnen Tailings dort überhaupt liegen
Chronik der Wismut, Ausgabe 2010 - Dänkritz II

       
  • Einspülzeit: 1955 - 1958
  • Fläche: 6,2 ha
  • mittlere Mächtigkeit: 10 m
  • Masse: 1,2 Millionen t
Das klingt zwar viel, aber Culmitzsch A hatte 63,1 Mio t und Culmitzsch B 26,9 Mio t. Insofern ist Dänkritz II eine der kleineren IAAs.


DG0MG

Zitat von: DL3HRT am 26. April 2021, 16:59
Masse: 1,2 Millionen t

Ah okay danke, ich hätte heute abend auch dort gesucht.

Andererseits zur Menge und der nur "kleinen" Deponie:
Wenn man eine Dichte von 2 g/cm3 für die Tailings annimmt, ist das ein Würfel von ~85 m Kantenlänge.
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DL3HRT

Ich meinte ja auch nur im Vergleich. Da sind die Mengen der anderen IAAs nahezu unvorstellbar...

DL3HRT

Ich habe noch ein paar Fotos von unserer damaligen Exkursion gefunden. Kaum zu glauben, dass die schon 2 1/2 Jahre her ist. Reichen die Aufnahmen oder soll es noch detaillierter sein?

DG0MG

Jaja, ist doch okay.
Eine Million Tonnen und auch 63 Millionen Tonnen sind schwer vorstellbar. Da hilft auch kein "Badewannen"- oder "Fußballfeld"-Vergleich der Presse. Aber ein Würfel .. !
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