Hotspots am Schacht 277 in Zobes

Begonnen von DL3HRT, 28. April 2019, 12:59

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

DL3HRT

Vor einiger Zeit erhielt ich von DG0MG eine E-Mail mit einem Foto der Dosisleistungsanzeige seines FH40F2 und der Bemerkung, dass wir dort unbedingt einmal hinmüssen um genauere Untersuchungen anzustellen. Das Foto entstand auf dem ehemaligen Wismutgelände in der Nähe von Schacht 277 (50°29'54.7"N 12°14'35.4"E).

Bernd Laquai hat bereits 2017 über dieses Gebiet berichtet: Messungen der Umweltradioaktivität im ehemaligen Uranbergbau-Revier
Zobes-Mechelgrün-Bergen

Die Abteufung des Schachtes 277 begann am 1. September 1949. Es wurde eine Teufe von 367 m erreicht. Laut "Chronik der Wismut" wurde im Schacht 277 insgesamt 5031t Uran abgebaut. Abzüglich der Verluste bei der Erzaufbereitung etc. betrug die gesamte Uranausbeute 4673t. Das Maximum wurde 1959 mit einer Jahresausbeute von 644t erreicht. Im Jahre 1953 arbeiteten 5000 Beschäftigte am Schacht 277. Der Schacht wurde nach Löschung aller Uranvorräte 1963/64 aufgegeben und geflutet. Die Schachtabdeckung wurde im Jahre 2010 erneuert (siehe Foto). In der Nähe des Schachtes befindet sich das Maschinenhaus, neben dem sich eine kleine Halde befindet. Messungen auf dieser Halde ergaben unauffällige Messwerte.

Ab 1965 siedelte sich der "VEB Hartsteinwerke Vogtland" auf dem Gelände an. Dieser Betrieb verarbeitete das Haldenmaterial der Spitzkegelhalden des Schachtes 277 zu Schotter, Split und Sand. Die Endprodukte wurden an die Bauindustrie verkauft, wobei der Einsatz für den Wohnungsbau verboten war! Der  "VEB Hartsteinwerke Vogtland" nutzte das Maschinenhaus sowie einige Nebengebäude des Schachtes 277 weiter. Der Betrieb wurde 1991 liquidiert.

Obwohl der Wetterdienst für gestern Regen angesagt hatte, starteten wir bei schönstem Frühlingswetter zu dritt eine Exkursion ins Vogtland zu Schacht 277. Mit dabei waren DG0MG und DG0JN. Auf dem Gelände befinden sich eine Reihe von verlassenen und mehr oder weniger verfallenen Gebäuden. Für uns interessant war ein Flachbau in unmittelbarer Nähe des Maschinenhauses. An der Westwand des Gebäudes konnten wir unmittelbar neben der Außenwand zwei Hotspots ausfindig machen (siehe Fotos). Die gemessene Dosisleistung am Hotspot #2 lag am Boden mit mehr als 80µSv/h über allem, was wir bisher gefunden hatten.

Neben der Hauswand lagen einige verfaulte Bretter auf denen früher anscheinend etwas gelagert wurde. Wir haben unter den Brettern nach der Quelle der hohen Aktivität gesucht, konnten diese aber nicht ausmachen. Es handelt sich offensichtlich nicht um eine Punktquelle sondern das strahlende Material ist diffus verteilt. Auch das Erdreich aus den oberen Schichten zeigt eine beträchtliche Aktivität. Wir vermuten, dass das Fundament des Gebäudes die Ursache für die Strahlung ist, konnten das aber nicht eindeutig verifizieren. Eine Messung innerhalb des Gebäudes auf der Innenseite der betreffenden Wand ergab eine Dosisleistung von immer noch 7µSv/h. Am Fundamentfuß konnten wir vier Stücke mit sekundären Uranmineralien finden. Drei dieser Stücke zeigen eine ausgeprägte Fluoreszenz im UV-Licht (siehe Fotos). Außerdem fanden wir ein kleines Stück Reicherz mit hohem Pechblendeanteil, welches die gemessene Aktivität allerdings nicht erklären kann.

Wir gingen dann noch in Richtung Forellenbach und Absetzsbecken, ohne jedoch weitere Hotspots zu entdecken. Die Dosisleistung liegt auf dem gesamten Gelände zumeist im Bereich von 0.3µSv/h - 0.4µSv/h.

Es war ein interessanter Ausflug bei dem wir wieder einiges lernen konnten.




DL3HRT

Da habe ich noch eine ausführliche Monographie des Freistaates Sachsen zur Lagerstätte Zobis-Bergen gefunden: LINK

DG0MG

Einen dort gefundenen, recht schweren "Stein" hab ich mal bzgl. des Volumens und damit der Dichte vermessen:

a) der Stein:        74.6 g
b) Becher Wasser:   147.8 g
c) Stein im Wasser: 167.0 g


Differenz c) minus b) = 19.2 g. Der Stein hat also ein Volumen von 19.2 cm3.

Die Dichte:
Masse geteilt durch Volumen: 74.6 g / 19.2 cm3 = 3,89 g/cm3.

Wieviel Uran ist da nun drin? Ich schätze mal so 35%?
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Ich hätte die Dichte vom Gefühl her höher eingeschätzt, aber so kann man sich täuschen...

Für den Urangehalt ergeben sich folgende geschätzte Werte:
Masse des enthaltenen Urans: 15.1 g .. 18.1 g
Gewichtsprozent des Urans:   20.3% .. 24.3%

Für die Berechnung habe ich folgende Annahmen getroffen:
Dichte des Gesteins: 2.8 g/cm^3
Dichte der Pechblende: 9 g/cm^3

DG0MG

Zitat von: DL3HRT am 28. April 2019, 12:59
Vor einiger Zeit erhielt ich von DG0MG eine E-Mail mit einem Foto der Dosisleistungsanzeige seines FH40F2 und der Bemerkung, dass wir dort unbedingt einmal hinmüssen um genauere Untersuchungen anzustellen.

Hier mal noch dieses Foto und einige weitere fotografische Eindrücke, die mit einer anderen Intention als Strahlungsmessungen gemacht wurden.

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Im Anhang findet ihr die KMZ-Datei unseres Spazierganges am Schacht 277 zur Anzeige in Google-Earth.

DG0MG

Wir waren ja damals nur in einem kleinen Bereich des Reviers Zobes. Es gibt dort ja noch weitere Gelände, die auf eine Sanierung warten. Die WISMUT GmbH hat das Gebiet auch im Auge und plant zumindest die Sanierung von einigen umweltrelevanten Objekten:

https://www.wismut.de/de/altstandorte_projekte.php?id=676&back=altstandorte_projekte.php%3Fyear%3D2006%26index%3D10
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Diese Spassverderber...:dash2:

Gruß
Norbert

Janni


DG0MG

In der Publikation "Bergglöckchen", der Zeitschrift des Sächsischen Landesverbandes der Bergmanns-, Hütten- und Knappenvereine e. V, Ausgabe 02/2014 findet sich auf Seite 30 ein interessanter Artikel zum Wismut-Bergbau im Vogtland, der auch auf den hier behandelten Schacht 277 Bezug nimmt.

Dr. Rudolf Daenecke: "Vor 50 Jahren - Ende des Uranerzbergbaus im Vogtland"

[1] https://knappenverein.de/wp-content/uploads/2019/10/berggloeckchen_2_2014.pdf
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

Nupupa

Habe mit meinem RadiaCode-101 mal diesen Ort aufgesucht. Angezeigt hat es dort am Hotspot #2 (Westwand des Gebäudes, unmittelbar neben der Außenwand) etwa 30 µSv/h.

Ein wegen der Mücken-Attacken nur kurz über knapp 3 min aufgenommenes Spektrum direkt am Hotspot #2 lässt mich als Laie Bi-214 (bei 609 keV und 1760 keV) erahnen.  :unknw:
Sehen die Experten mehr bzw. etwas anderes?

Auch sonst ein interessanter Platz  :bomb:,
Danke fürs zeigen.

miles_teg

Ich habe mich vorgestern mal ausführlich dort umgesehen, es handelt sich wirklich um eine spannende location. Gut erreichbar, nicht bewacht und viel Raum zum Stöbern. Und die Streuberghalde ist auch gleich um die Ecke.
Die beiden hotspots am Flachbau habe ich auch aufgesucht, dort auch Spektren mit dem RAYSID aufgezeichnet. Sicher nicht unter idealen Bedingungen, aber vielleicht sagen sie den Experte mehr werde sie in den nächsten Tagen einstellen).
Ich bin auch einmal komplett um das Gelände gelaufen und dabei einige weitere Beobachtungen gemacht.
1. Der Wald außerhalb des Zauns zeigt, wenig überraschend, immer mal wieder kleine hotspots.
2. Am nordwestlichen Teil des Zauns (https://raysid.com/map/#16-12.24307-50.49957-satellite-raysid_doserate-0-sv-cps-global) sind viele Steine zu finden, meist moosbedeckt. Einige sind lohnenswert, zumindest für mich, denn meine Sammlung ist noch sehr klein. Ich habe 3 oder 4 interessante Brocken gefunden, mit einer genaueren Suche findet sich da sicher noch mehr.
3. Am westliche Teil findet man mehrere Bäche, dort sind im Sediment auch höhere Dosisraten zu beobachten.
Auf jeden Fall ein lohnenswerter Ausflug.
In der Nähe ist auch noch eine Spitzkegelhalde, die ich kurz abgelaufen bin. Da es allerdings schon spät war, habe ich diese nur einmal umrundet, aber auch dort könnte es sich lohnen mal genauer zu suchen.

DG0MG

Zitat von: Nupupa am 30. Juli 2021, 17:50
Habe mit meinem RadiaCode-101 mal diesen Ort aufgesucht. Angezeigt hat es dort am Hotspot #2 (Westwand des Gebäudes, unmittelbar neben der Außenwand) etwa 30 µSv/h.

Wahrscheinlich liegt an dieser Stelle ein Reicherz-Brocken drunter. Ich war auch mit dem Radiacode da und nur ein paar cm weiter zum Fundament zu, aber an gleicher Stelle ~60 µSv/h.

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

Diese Jugendfreunde messen (ab 9:31 min) im Inneren der Baracke um die 4 µSv/h und machen eine Flasche als Quelle aus, die es natürlich nicht ist.



Meine Messung im Inneren am Boden an der Außenwand 13.7 µSv/h.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL8BCN

Hallo, das ist ja eine interessante Location :)
Mich wundert, dass es nicht eingezäunt ist und frei zugängig.
Schöne fluoreszierende Stücke habt ihr da gefunden.
Gruß, Rainer