Thorium in Jet-Triebwerken

Begonnen von NoLi, 10. Januar 2020, 10:16

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NoLi

Es sind thoriumlegierte (bis max. 4% Thoriumgehalt) hochtemperaturbeständige Gehäusebauteile und Turbinenschaufeln. Kommt (kam) häufig auch im Flugzeugbau vor.
Dosisleistungen bis zu ~ 10 µSv/h an den Komponenten sind möglich.

Gruß
Norbert

Turbo-Tom

#1
Es gibt verschiedene Orte, an denen Aktivität in derartigen Maschinen zu finden ist. Wie Norbert schon beigetragen hat, findet man insbesondere Thorium als Legierungsbestandteil in Gehäuseteilen, speziell in Magnesiumlegierungen (Stichwort: Mag-Thor), um diese Legierungen beständiger gegenüber erhöhten Betriebstemperaturen zu machen. Heutzutage ist der Einsatz solcher Legierungen (bei uns) nicht mehr zulässig, da man nicht-radioaktive "Rezepturen" mit vergleichbaren Eigenschaften gefunden hat.

Die APU vom Panavia Tornado (KHD/BMW/RollsRoyce T312) besteht teilweise aus solchen Legierungen, ohne dass man irgendwo außen oder auch in den Handbüchern einen Hinweis darauf fände. Die Aktivität der betreffenden Komponenten ist schon ganz ordentlich, hier das verdichterseitige Lagergehäuse:

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Das Problem liegt weniger in der Exposition, sondern darin, dass ein Techniker, der an solchen Teilen arbeitet (abrasive Oberflächenbehandlung o.ä.), ohne es zu wissen möglicherweise Material inkorporiert.

Die hochbelasteten Heißgasteile (Leitschaufeln, Laufschaufeln) modernerer Triebwerke haben ebenfalls teilweise seltene Erden zulegiert, deren natürliche Isotopenmischung auch instabile Varianten mit hoher Halbwertzeit enthalten (Hafnium, Rhenium). Das trägt aber nicht viel bei. (Sehr) alte Triebwerke, die zu Zeiten in der Stratosphäre unterwegs waren, als noch oberirdische Nukleartests durchgeführt wurden, sind in der "Hot Section" teilweise mächtig kontaminiert.

Ein weiteres Bauteil, das man in fast allen Gasturbinen findet, in dem sich als Ionisationsquelle ein radioaktives Isotop finden lässt, ist die Zündfunkenstrecke des Zündgerätes (Ignition Exciter), siehe hier das Bauteil mit dem weißen Niederschlag in inneren des Glaskolbens:

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Bei moderneren derartigen Funkenstrecken wird meistens 3H verwendet, so dass man von außen nichts messen kann. Ältere solche Röhren haben dann aber schon mal gerne etwas 137Cs in den Elektroden zulegiert, so dass man dann schon etwas misst. Aktuelle Hochenergie-Zündgeräte setzen Halbleiterschalter ein, die obendrein deutlich kostengünstiger sind als die speziell angefertigten Schaltfunkenstrecken.

Generell findet man in der Luftfahrt (insbesondere bei älterem Gerät) an diversen Stellen aktive Substanzen (B747 Trimmgewichte aus abgereichertem Uran, Leuchtfarben auf den Skalen älterer Instrumente -- früher Radium, dann Tritium), so dass man immer gut beraten ist, an ein unbekanntes "Gerät" erst mal mit Geigerzähler heranzugehen...

Ich hoffe, das erläutert die Zusammenhänge etwas.

Liebe Grüße,
Thomas

NoLi

Hier mal ein Beispiel für Dosisleistungen am Objekt und Personenjahresdosen des Wartungspersonals für das Starfighter-Triebwerk:

https://www.researchgate.net/publication/319244464_Dose_Reconstruction_for_F-104_Starfighter_Maintenance_Personnel

Gruß
Norbert

NoLi

https://www.polizei-schweiz.ch/schweiz-leicht-radioaktives-material-entdeckt/

"  Schweiz: Leicht radioaktives Material entdeckt

In den Triebwerken der historischen Militärflugzeuge des Typs C-3605 ist leicht radioaktives Material entdeckt worden. Eine Gefährdung für die Gesundheit besteht bei fachgerechtem Umgang nicht.

Die Flugzeuge waren im Jahr 1987 von der Armee ausser Dienst gestellt und in Unkenntnis über diese bewilligungspflichtigen Komponenten versteigert worden. Alle bekannten Eigentümerinnen und Eigentümer oder Museen werden durch die Armee informiert und es wird ihnen angeboten, die Triebwerke auf Kosten des Bundes fachgerecht zu entsorgen.

Im Jahr 1987 wurde die gesamte damalige C-3605-Flugzeugflotte der Armee vom damaligen Bundesamt für Militärflugplätze ausser Dienst gestellt und versteigert. Die Flugzeuge standen seit 1968 im Einsatz. Die Ausserdienststellung erfolgte ohne Kenntnis davon, dass die Flugzeuge bewilligungspflichte Komponenten enthalten. Bei Routinekontrollen in einem Entsorgungsbetrieb wurde im Herbst 2020 leicht radioaktives Material entdeckt, das nachweislich aus einem Turbinentriebwerk des Typs T53-L-7A in einem C-3605-Flugzeug stammt. Daraufhin hat eine Arbeitsgruppe mit Spezialistinnen und Spezialisten der zuständigen Behörden beim Bund intensive Abklärungen vorgenommen.

Triebwerke und Instrumente im Cockpit betroffen
Eine Gefahr für die Gesundheit aufgrund der Radioaktivität kann ausgeschlossen werden, sofern das Triebwerk nicht mechanisch bearbeitet wird. Die Abklärungen haben ergeben, dass der Hersteller das natürlich vorhandene, radioaktive Thorium genutzt hatte, um damit die Festigkeit der Triebwerksteile bei hohen Temperaturen zu gewährleisten. Darüber hinaus haben die Untersuchungen ergeben, dass im Cockpit dieser Flugzeuge Instrumente mit radioaktiver Leuchtfarbe eingebaut waren.

Die Triebwerke wie auch die Instrumente benötigen nach aktueller Strahlenschutzverordnung eine Umgangsbewilligung des Bundesamtes für Gesundheit BAG. Aus diesem Grund hat die Armee dieser Tage die heutigen Eigentümer und Halter über diese Erkenntnisse informiert und ihnen ihre Unterstützung im Umgang oder bei der Entsorgung der leicht radioaktiven Komponenten angeboten. Dabei können sie bis Ende Juni zwischen zwei Möglichkeiten wählen.

Entsorgung durch das VBS oder Hilfestellung bei der Bewilligung
Wenn die Eigentümer die radioaktiven Teile nicht behalten wollen, wird das VBS die Triebwerke und Instrumente aus ehemaligen Beständen der Armee kostenlos entsorgen. Dies gilt für Eigentümer und Halter in der Schweiz wie auch im Ausland. Für die fachgerechte, individuelle Entsorgung eines Triebwerkes durch Privatpersonen ist mit Kosten von rund 250'000 Franken zu rechnen. Bei den Instrumenten im Cockpit sind es rund 300 Franken. Bei einer gesammelten Entsorgung durch das VBS kann von tieferen Kosten ausgegangen werden. Die Kosten für den Ausbau und den Transport gehen zu Lasten der Eigentümerschaft.

Falls hingegen die Eigentümer in der Schweiz die Triebwerke und die Instrumente weiterhin behalten wollen, was gefahrlos möglich ist, kann das VBS ihnen behilflich sein, eine Umgangsbewilligung beim BAG zu beantragen. Im Auftrag des BAG erfasst das VBS vor Ort alle radioaktiven Stoffe im Zusammenhang mit der C-3605 und fasst diese in einem Inventar zusammen. Gestützt darauf kann die Bewilligung beim BAG beantragt werden. Damit bleiben alle Teile im Besitz der heutigen Eigentümer und damit auch die Verantwortung und die Kosten im Fall einer späteren Entsorgung.

Die Eigentümer im Ausland können die Geräte ebenfalls behalten. Das VBS hat sie nun darauf aufmerksam gemacht, dass die rechtlichen Vorgaben in ihrem Land bezüglich Radioaktivität einzuhalten sind.

28 Triebwerke und 20 Flugzeuge in der Schweiz und im Ausland
Bei der Versteigerung im Jahre 1987 waren insgesamt 28 Triebwerke veräussert worden. Sie befinden sich in 10 Flugzeugen in der Schweiz und in 10 Flugzeugen im Ausland (Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, USA) bei privaten Haltern oder Museen. Bei zwei Flugzeugen im Ausland sind die Triebwerke des Typs T53 durch einen Kolbenmotor ersetzt worden. Bei 4 Triebwerken konnte der Besitzer oder Halter bis jetzt trotz intensiven Recherchen nicht ausfindig gemacht werden.

Der Bundesrat  "

Anmerkung: es handelt sich um Magnesium-Thorium-Legierungen mit einem maximalen Thoriumoxidgehalt von 4 %.  Gamma-Dosisleistung im Kontakt an den Turbinengehäusen max. 3 µSv/h.

Norbert


DG0MG

Von thorierten Turbinenschaufeln hatte @Turbo-Tom (<== er müsste durch diese meine Erwähnung jetzt eine Benachrichtigung bekommen  8) ) schonmal berichtet. Nach 35 Jahren fällt den Schweizern das auf!
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Die Schweizer sind nach einem Mythos eigentlich schon immer etwas langsamer...aber gründlich!

Im Technik-Museum Speyer steht seit vielen Jahren ein teilaufgeschnittenes Triebwerk eines Starfighters.
Gamma-Dosisleistung max. 3,5 µSv/h, aber nicht (nur) an den Turbinenschaufeln, sondern auch großflächig am Treibwerksgehäuse...

Norbert

Turbo-Tom

Zitat von: DG0MG am 20. April 2022, 17:40Von thorierten Turbinenschaufeln hatte @Turbo-Tom (<== er müsste durch diese meine Erwähnung jetzt eine Benachrichtigung bekommen  8) ) schonmal berichtet. Nach 35 Jahren fällt den Schweizern das auf!

Ich hatte in meiner "Vorstellung" ein bisschen zum Thema "Radioaktives Material in der Luftfahrt" geschrieben, siehe hier.

Henri

In Oberschleißheim bei München gibt es ein sehr sehenswertes Luftfahrtmuseum auf Deutschlands ältestem Flugplatz. Das ist eine Außenstelle des Deutschen Museums, und die Mitnahme eines Geigerzählers lohnt in jedem Fall!

Mich wundern nur die horrenden Kosten für die Entsorgung. Die Verwendung solcher Legierungen findet ja weiterhin statt, weshalb das doch eigentlich ein gesuchter Rohstoff sein sollte? 250.000 Franken, um ein Triebwerk zu entsorgen, erscheint mir reichlich absurd.


Kann mir eigentlich jemand verraten, wo seit der Forenumstellung die Smileys geblieben sind??

Viele Grüße!

Henri

DG0MG

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Zitat von: Henri am 21. April 2022, 19:15In Oberschleißheim bei München gibt es ein sehr sehenswertes Luftfahrtmuseum auf Deutschlands ältestem Flugplatz. Das ist eine Außenstelle des Deutschen Museums, und die Mitnahme eines Geigerzählers lohnt in jedem Fall!
...
Auch im Technkmuseum Speyer gibt es u.a. eine Reihe radiologisch interessanter Objekte.

In der zivilen Antonov AN-22 befindet sich am Kuppelaufgang eine kleine Platte mit mehreren Kippschaltern mit Ra-226-Leuchtmarkierungen an den Hebeloberseiten (max. Gamma-Dosisleistung ca. 20 µSv/h).

In einer militärischen US-Noratlas befinden sich ebenfalls im frei zugänglichen Bereich solche Kippschalterchen, die ganzen Instrumentenbretter im Cockpit enthalten Ra-226 haltige Anzeigeinstrumente (Cockpit mit Gittertür versperrt, an ihr schon erhöhte Strahlungsraten messbar).

In Vitrinen liegen Ra-226 haltige Anzeigeinstrumente.
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Norbert

NoLi

Zitat von: Henri am 21. April 2022, 19:15...
Mich wundern nur die horrenden Kosten für die Entsorgung. Die Verwendung solcher Legierungen findet ja weiterhin statt, weshalb das doch eigentlich ein gesuchter Rohstoff sein sollte? 250.000 Franken, um ein Triebwerk zu entsorgen, erscheint mir reichlich absurd.
...
Das ist der Preis für
- einen Radioaktiv-Transport nach Würenlingen.
- die Zerlegung in einem Kontrollbereich Strahlung/Kontamination (bau- und lüftungstechnische Anlage mit hoher Sicherheitsanforderung, Zugang mit Personenschleuse, Vorhaltung Personendekontamination und Body-Counter, Strahlenschutzkontrollen, Metallsortentrennung, evtl. Freimessungen nicht thoriumhaltiger Teile,...).
- Hochdruck-Verpressung der Metallteile.
- Faß-Einlagerung in endlagerfähige Gebinde.
- Lagerung bis Endlagereinbringung.

In Deutschland kostet die Bearbeitung eines 200-l-Abfallfaß (je nach Inhalt) grob etwa 10.000 EURO!

Norbert

DL8BCN

#11
Hallo, hier ist ein Bericht über mit Thorium belastete Triebwerksteile beim Mirage Jet:
https://www.nzz.ch/schweiz/radioaktive-mirage-triebwerke-sollen-fuer-teures-geld-verschrottet-werden-obwohl-museen-sie-gratis-uebernehmen-wuerden-ld.1738461
War neulich schon mal was zu lesen. Es soll ca. 2,5 % Thorium in manchen Teilen legiert sein.
Dies dient der Hitzebeständigkeit.

NoLi



Zitat von: DL8BCN am 23. Mai 2023, 23:33...
https://www.nzz.ch/schweiz/radioaktive-mirage-triebwerke-sollen-fuer-teures-geld-verschrottet-werden-obwohl-museen-sie-gratis-uebernehmen-wuerden-ld.1738461
...
Vielleicht sollten sich die Herren Jean-Louis Junod und Olivier Borgeaud mal etwas mehr mit der Schweizer Strahlenschutzgesetzgebung befassen, als in der NZZ herum zu lamentieren! :rtfm:

Norbert

Würfel

Ich war mal wieder im Technikmuseum Sinsheim.
Im Aussenbereich zwischen den Hallen gibt es einen Kiosk mit drei Brotzeittischen, die jeweils um ein senkrecht stehendes Jet-Triewerk herum gebaut sind.
Das linke, das Avro Canada Orenda 14 strahlt doch ganz deutlich (ist ja auch ein Strahltriebwerk https://www.geigerzaehlerforum.de/Smileys/kolobok/laugh2.gif).
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Deutlich strahlend ist ein ca. 20cm hoher Bereich ringsum. Die Nullrate 20m entfernt lag bei ca. 9cps.
Vermutlich liegt es an einer Mag-Thor legierung, siehe:
https://www.orau.org/health-physics-museum/collection/consumer/products-containing-thorium/magnesium-thorium-alloy.html

Ich hatte kein Gammaspektrometer dabei, der mittelenergetische Alarm des Radeye-PRD würde zu Thorium passen.
Falls es doch kein Mag-Thor wäre, könnte auch eine Kontaminierung durch angesaugte Partikel vorliegen, aber eher unwahrscheinlich.
Um in den Aussenbereich des Museums zu gelangen braucht man kein Ticket, bei Anreise mit dem Auto aber ein Parkticket.

Für einen Picknicktisch ist dieses Triebwerk wohl doch nicht so geeignet...

Schöne Grüße
Stefan

NoLi

Zitat von: Würfel am 10. Juli 2025, 13:38...
Für einen Picknicktisch ist dieses Triebwerk wohl doch nicht so geeignet...
...
Warum nicht? Bestimme mal die Dosisleistung im Bereich des Oberkörpers und berechne die Personendosis auf Grund einer realistisch abgeschätzten Aufenthaltszeit...der Wert wird weit unter 1 mSv liegen.
So what?

Norbert