Weinböhla: Ehemalige Radon-Quelle an der Laubenhöhe

Begonnen von Banev, Gestern um 23:40

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Banev

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es als »strahlender Ort« durchgeht, denn die Quelle existiert nicht mehr und an der Oberfläche strahlt (fast) nichts. Aber da dieser Platz der nächstliegende war, der mir zum Thema »Radioaktivität« einfiel, war er auch der erste, den ich besuchte – neugierig darauf, was mein neu erstandener RadiaCode 102 dazu zu sagen hätte.
Viele der folgenden Angaben stammen von einer unweit der damaligen Radon-Quelle aufgestellten Informationstafel, durch die ich überhaupt erst darauf aufmerksam wurde; einiges stammt aus einem alten Reiseführer.


An der östlich oberhalb des Ortskerns von Weinböhla gelegenen Laubenhöhe, benannt nach dem ehemaligen Ortsteil Lauben, gab es bis in die 1920er Jahre am Rande der örtlichen, 1889 stillgelegten Plänerkalkbrüche eine Radon-Quelle. Die Abteilung Radiumforschung des Hüttenmännischen Institus der Bergakademie Freiberg hat diese Quelle am 29. August 1911 untersucht und eine Ergiebigkeit (Wasserführung) von ca. 20 l/min (selbst in einem trockenen Sommer wie dem von 1911 [2]) sowie eine Aktivität von 26 Mache-Einheiten (knapp 350 Bq/l) gemessen. [1] Der Wert lag damit höher als der bekannter damaliger Kurbäder wie Teplitz (22 ME) oder Franzensbad (8 ME) [2].

Über eine kommerzielle Nutzung der Quelle ist nichts bekannt. Eventuell hat das 1909 eröffnete Kurbad »Quisisana« [2], das nur ca. 300 m östlich lag, das Wasser für Bäder verwendet; in der Werbung der Einrichtung wird davon aber nichts erwähnt. Das Gebäude wurde 1964 abgerissen.
Die Quelle selbst existiert nicht mehr, sie wurde lt. der Infotafel beim Ausbau der oberhalb vorbeiführenden Laubenstraße (vermutlich Ende der 1920er Jahre) zugeschüttet. An der Stelle der ehemaligen Kalkbrüche, an deren Rand die Quelle lag, befinden sich heute Sportplätze; den frühesten Hinweis auf diese Art der Nutzung habe ich in einer Karte von 1937 gefunden.
1950 stieß die Wismut AG auf die Erwähnung der Quelle und führte dort Erkundungsbohrungen durch, die aber (zum Glück!) keinen Hinweis auf ein abbauwürdiges Vorkommen lieferten.


Wer sich darüber wundert, wie eine Radon-Quelle in einen Kalkbruch kommt: Die Plänerkalkschicht ist nur ca. 6–8 m stark, tiefer im Untergrund verläuft jedoch vermutlich ein Ausläufer der Scharfenberger Silbererzformation, der neben Silber und weiteren Erzen offenbar auch einen Anteil an Uran führt. Im ca. 800 m östlich gelegenen, 1961 stillgelegten und leider nicht mehr zugänglichen Syenitbruch an der Moritzburger Straße wurden u.a. Eisenerz, Bleiglanz, Zinkblende und sogar Kassiterit (Zinnstein) nachgewiesen.
Meißner Granit und Syenit enthalten zwar ebenfalls einen geringen Anteil Uran, dieser würde jedoch für eine Radon-Quelle der o.g. Aktivität nicht ausreichen.

Eine zweimalige Begehung der Umgebung mit dem RadiaCode 102 (im Gürtelholster) ergab an einigen Stellen der näheren Umgebung eine leicht über dem üblichen Wert für diese Gegend liegende ODL, allerdings nicht in der Nähe der Tafel; dort lag die ODL teilweise sogar leicht unter dem Durchschnitt.
Die Ursache der etwas erhöhten Werte – bis zu 0,22 µSv/h – liegt vermutlich in der Verwendung des in der Umgebung gebrochenen und ebenfalls leicht radioaktiven Granits bzw. Syenits im Unterbau der Straßen sowie den Mauern längs der Wege.

Zu den Tracks: Die Werte an der Farblegende sind als µR/h zu lesen, da die RadiaCode-App die DL in dieser Einheit als Höhenangabe in den GPX-Track exportiert. Angehängt habe ich außerdem ein überhöhtes Reliefbild, in dem die ehemaligen Kalkbrüche gut zu erkennen sind; der rote Punkt im Kreis markiert die ungefähre Lage der Quelle.

Die Abweichungen zwischen den beiden Tracks zeigen auch gut, dass solche quasi »im Vorbeigehen« aufgezeichneten ODL-Werte mit Vorsicht zu genießen sind; ein gutes Beispiel ist der vermeintliche Hotspot am westlichsten Punkt des zweiten Tracks, dem ich am Ende der Runde einen zweiten Besuch abstattete, ohne dass auch nur annähernd der Wert erreicht wurde, der ca. 40 Minuten zuvor aufgezeichnet wurde.

[1] M[ax] Weidig: Radioaktive Wässer in Sachsen (Teil IV), Bergakademie Freiberg, 1912.
[2] M. Freygang: Führer durch Weinböhla und seine Umgebung, Gemeinnütziger Verein und Hausbesitzerverein Weinböhla, 1912