Die Referenzflächen der WISMUT Reust bei Ronneburg

Begonnen von DG0MG, 30. Juni 2022, 14:32

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DG0MG

Im inzwischen großteilig sanierten und renaturierten Betriebsgelände der WISMUT GmbH bei Ronneburg (früher Bergbaubetrieb Reust) befinden sich speziell angelegte Referenzflächen, die zur Überprüfung der Kalibrierung von Ortsdosisleistungmessgeräten verwendet werden. Diese wurden bereits 1991 angelegt [1] und bieten damit seit über 30 Jahren die Möglichkeit, die Messwerte auch über einen längeren Zeitraum zu vergleichen.

Google Maps:

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Es handelt sich dabei um 3 ca. 20m x 20m große, im Boden unterschiedlich präparierte Flächen:

  • #1 Beton, Sandfläche
  • #2 Splitt (Haldenmaterial)
  • #3 Tailingmaterial

Die Referenzflächen wurden 2021 saniert, insbesondere #3 wurde mit Teerpappe abgedeckt, um den Austrag von Partikeln zu verhindern. [2] Zwischen der WISMUT GmbH und dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) besteht eine intensive Zusammenarbeit, die sich u.a. darin äußert, dass auf diesen Referenzflächen einmal im Jahr ein Messvergleich stattfindet - verschiedene Ämter, Institutionen, Ingenieurbüros, Hersteller, Universitäten usw. aus dem In- und Ausland sind eingeladen, an diesem Tag ihre Messgeräte zu vergleichen. 2005 fand eine Messübung namens ISIGAMMA statt, opengeiger.de berichtete davon. [3] Im Bericht des BfS zu dieser Messübung [4] findet man nähere Informationen zu den Messflächen (Seite 12):

CHARAKTERISTIKA DER REFERENZFLÄCHEN
Die drei Referenzmessflächen unterscheiden sich hinsichtlich des verwendeten Materials und insbesondere hinsichtlich der massenbezogenen Aktivitäten natürlicher Radionuklide.
Reust A1: Unbearbeitetes Material der Zentralhalde des Sanierungsbetriebes Ronneburg
Reust A2: Aufbereitungsrückstände des ehemaligen Aufbereitungsbetriebes Seelingstädt mit Zementzusatz. Diese Fläche ist mit einer Polyurethanabdeckung versiegelt.
Reust A3: Beton mit natürlichem Aktivitätsgehalt


Auf Seite 16 der Publikation finden sich auch die Ortsdosisleistungen über den 3 Flächen:

Reust A1 213 nSv/h
Reust A2 819 nSv/h
Reust A3 88  nSv/h


Wer genau aufpasst, stellt fest, dass die Nummerierung der Flächen nicht konsistent ist, im Luftbild oben ist die Nummerierung anders, als im ISIGAMMA-Bericht von 2005. Warum das so ist, weiß ich nicht, wir verwenden hier die aus dem Luftbild, so bezeichnet die Wismut die Flächen in ihren Dokumenten aktuell selbst.

Seitlich befinden sich noch 4 Modellbohrlöcher um Bohrlochsonden (und vielleicht früher auch die UNIRAD-Messgeräte) zu überprüfen.

Kleines Kuriosum:
Nahe an den Referenzflächen stand mal ein Wasserturm (50.838821° 12.180143°), im Google-Earth-Bild von 2006 ist er noch zu sehen. Ebenso in dem Foto des BfS [4] Abb. 4 auf Seite 11:

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Auf diesen Wasserturm bin ich 2005 mal hinaufgeklettert und habe dabei unbewusst den "Gegenschuss" fotografiert, ohne zu wissen, dass dieser Ort für mich 17 Jahre später mal eine Rolle spielen würde:

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[1] https://www.wismut.de/de/wismut-news.php?id=1333
[2] https://www.wismut.de/de/wismut-news.php?id=1928&back=index.php
[3] http://www.opengeiger.de/MessfestSorge.pdf
[4] http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0221-2015111813780
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

#1
Voriges Jahr (2021) hatte DL3HRT die Gelegenheit, bei einem leitenden Mitarbeiter der WISMUT anzufragen, ob es denn die Möglichkeit gäbe, diese Referenzflächen einmal zu betreten und einige Testmessungen mit unseren Geräten vorzunehmen. Lange hörten wir nichts, bis plötzlich eine Email der Strahlenschutzabteilung der WISMUT  eintrudelte, in der wir für gestern (29.6.2022) in einer kleinen Gruppe eingeladen wurden, am jährlichen Messvergleich des BfS teilzunehmen.

Natürlich sagten wir zu und so trafen sich gestern @DL3HRT, @miles_teg und ich gegen Mittag in der Nähe der Zufahrt am Materialschacht 407 in Ronneburg. Unsere Klarnamen waren im Vorfeld übermittelt worden und so gestaltete sich auch die Einfahrt an der Wache problemlos. Nach einer kurzen Begrüßung ging es auch schon los. Auf den 3 Flächen waren jeweils Pavillons aufgebaut (es hat zum Glück nicht geregnet) und darunter ein massiver Tisch (ich hab nicht nachgemessen, aber wohl 1 Meter hoch), auf dem die Messgeräte platziert werden konnten. Was wir gelernt haben: Die Profis legen ihre Messgeräte vorn leicht überstehend an die Tischkante, so dass die Tischplatte (aus dünnem Nichtmetall) keinerlei Abschirmwirkung haben kann. Das ging natürlich mit unseren teilweise streichholzschachtelgroßen Messgeräten nicht so gut.

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Wie früher schonmal festgestellt, gehen die älteren FAG FH40F2 (mit niedrigerer Seriennummer, rechts) etwas "vor":

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Die beiden THERMO RadEye B20 machten trotz fehlendem Gammafilter eine gute Figur, der HANGETSU war immer etwas niedrig:

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Anwesend waren unter anderem Kollegen vom Zivilschutz aus Slowenien (Civilna Zaštita), die mit einem MIRION SPIR-Ace gemessen haben:

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Die fanden unsere Gerätesammlung ganz faszinierend, besonders der RadiaScan 701A und der RadiaCode-101 hatten es ihnen angetan. Mal sehen, ob sich jemand hier anmeldet - die URL haben sie bekommen.

Recht gut haben sich auch der PRIPYAT und sogar der DRGB-01 geschlagen.

Durch die fehlende Energiekompensation lagen - erwartungsgemäß - leider der RadiaCode 101 und der RADEX ONE immer ca. 30% zu hoch. Das ist natürlich für die Profis, die stattdessen ihre 2,5-Zoll-Szintillationssonden auf die dritte Stelle nach dem Komma überprüfen, ein absolutes Ausschlusskriterium.

Das waren so die Ergebnisse in Kurzform, die wir in knapp zwei Stunden erzielen konnten, vielleicht können DL3HRT und miles_teg zu ihren Geräten noch etwas ergänzen. Eine systematischere Kontrolle von weniger Geräten braucht trotzdem akribische Vorbereitung ("Wie schalte ich in den Langzeitmessmodus?"), einen abzuarbeitenden Plan und mehr Zeit.
Einige Kontakte wurden in den Gesprächen nebenbei natürlich auch geknüpft und ich hab mich sehr gefreut, dass ein BfS-Mitarbeiter unser Forum schon kannte.

Es gab natürlich noch weitere moderne und interessante Messtechnik zu sehen, auch solarbetriebene ODL-Sonden, eine Ionisationskammer mt riesigem Messbereich, eine Uni hatte einen älteren Szintomat usw. Man hätte eigentlich den ganzen Tag brauchen und sich mit jedem unterhalten können.

Wir möchten uns nochmals ausdrücklich beim Unternehmen Wismut GmbH, deren Abteilung Strahlenschutz und dem Bundesamt für Strahlenschutz bedanken, dass uns dieser interessante Besuch so unkompliziert ermöglicht wurde.
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DL3HRT

Ja, es war eine sehr gelungene Aktion und ich hoffe, dass wir sie wiederholen können. Ich hatte die kürzeste Anfahrt. Da ich in Ronneburg auf der anderen Seite des "Hügels" arbeite, konnte ich mich für eine verlängerte Mittagspause frei machen :).

Ich hatte das alte SRP-68-01 mit dabei. Dieses zeigte, ähnlich wie der RadiaCode-101, eine um ca. 30% zu hohe Dosisleistung an. Das war zu erwarten, da beide Geräte nicht energiekompensiert sind und die Bestimmung der Dosisleistung auf Caesium-137 kalibriert ist.

Zumindest beim RadiaCode-101 ist eine Lösung in Sicht, wie mir Arsenij gestern geschrieben hat:
ZitatWe are preparing real-time spectrum dose compensation with Compton. Development is 90% complete so readings will be more accurate soon.
Es soll also die Energie der gezählten Impulse ausgewertet werden, unter Berücksichtigung der Comptonstreuung. Das ist sicher eine anspruchsvolle Aufgabe und wird nicht zu 100% exakt sein, aber eine deutlicher Verbesserung ist zu erwarten.

Gut geschlagen hat sich das nun auch schon ältere FH40F2M. Auf der Referenzfläche #3 zeigte das Referenzgerät des BfS 0,925 µSv/h an. Zwei Messungen mit dem FH40F2M im 400-Impulse-Zählmodus ergaben 1,05 µSv/h und 1,02 µSv/h. Das entspricht eine Messwertabweichung von 13% bzw. 10% und ist völlig in Ordnung. Selbst bei einer Dosisleistung von 1 µSv/h dauerte es bereits mehrere Minuten, bis 400 Impulse gezählt waren. Für den professionellen Einsatz wäre das nicht tragbar. Daher kommen in der Regel externe Sonden mit einer wesentlich höheren Empfindlichkeit zum Einsatz. Mehrfach gesehen haben wir den automess AD6150 mit der großen Szintillatorsonde.

Außer Konkurrenz lief der AATiS-Geigerzähler AS622 mit einem SBM-20 Zählrohr. Schließlich habe ich die Firmware des Geräts selbst programmiert und wollte wissen, wie weit ich daneben liege ;). Auf den Flächen #1 und #2 passte es recht gut. Auf Fläche #3 zeigte das Gerät 0,8 µSv/h an, also ca. 15% zu wenig. Man muss dabei berücksichtigen, dass das SBM-20 auch Betastrahlung registriert. Bei der Messung in 1 m Höhe über dem Boden ist das jedoch vernachlässigbar.

Ich habe schon ein paar Ideen für weitere Messungen, falls wir noch einmal Gelegenheit haben, die Referenzflächen zu nutzen. Auf jeden Fall werde ich dann das energiekompensierte VacuTec 70031A Zählrohr untersuchen. Da ich mehrere davon habe, kann ich die Zählrohre untereinander gut vergleichen. Vielleicht ist bis dahin auch das entsprechende Firmwareupdate für den RadiaCode-101 verfügbar.

NoLi

Bei welcher Dosisleistung lag denn in Tischhöhe der SOLL-Wert der einzelnen Referenzflächen?
Diese sollten doch vorher bekannt sein, bevor ich mit Vergleichmessungen beginne...schliesslich dürfen gemäß Eichverordnung für Dosis/Dosisleistung selbst geeichte Dosisleistungsmessgeräte im Bereich bis 10 µSv/h max.  +/- 30 %  vom Sollwert, über 10 µSv/h max.  +/- 20 %  vom Sollwert abweichen!

Norbert

DG0MG

Zitat von: NoLi am 01. Juli 2022, 10:41Bei welcher Dosisleistung lag denn in Tischhöhe der SOLL-Wert der einzelnen Referenzflächen?
Diese sollten doch vorher bekannt sein, bevor ich mit Vergleichmessungen beginne..

Steht im ersten Beitrag  ;)

Zitat von: DG0MG am 30. Juni 2022, 14:32Reust A1 213 nSv/h
Reust A2 819 nSv/h
Reust A3 88  nSv/h
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NoLi

Danke!

Dies passt aber nicht ganz zu folgendem Zitat  :unknw:

Zitat von: DL3HRT am 01. Juli 2022, 07:16...
Auf der Referenzfläche #3 zeigte das Referenzgerät des BfS 0,925 µSv/h an.
...
Ich gehe mal davon aus, dass dieses Referenzgerät des BfS eine fristgerechte gültige Eichung hatte...aber wieviel % betrugen dessen Abweichungen vom Sollwert des Eichstandwertes (mit Standard-Eichnuklid Cs-137)?
Ein gültiges Eichsiegel der Eichbehörde gibt darüber leider keine Auskunft, es bestätigt nur, dass sich die Abweichungen innerhalb der Toleranzwerte bewegen.

Norbert

DG0MG

Zitat von: NoLi am 01. Juli 2022, 10:50aber wieviel % betrugen dessen Abweichungen vom Sollwert des Eichstandwertes (mit Standard-Eichnuklid Cs-137)?

Keine Ahnung.
Unser Plan war auch nicht, die Messgeräte des BfS zu kontrollieren  :P , sondern unsere eigenen "Russen- und Polengurken" einzuordnen. Und wie beschrieben, war selbst dafür die Zeit nicht ausreichend.
Wir wussten vorher nicht so ganz, was für ein Ablauf uns erwartet und so wird die vollkommen naheliegende Frage, was die Geräte denn eigentlich anzeigen MÜSSTEN, für uns vorerst nur durch ein 17 Jahre altes PDF beantwortet. Das wird sich aber wahrscheinlich noch ändern, wenn das BfS eine Auswertung des jüngsten Messvergleiches herumsendet.
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DL8BCN

Sehr schöner Bericht!
Das hat bestimmt Spaß gemacht und war sehr interessant die Geräte zu vergleichen.
Heißt das jetzt, dass ich immer dann wenn es sich nicht um Cs-137 handelt, beim RC-101 im Schnitt ca. 30% vom Messwert subtrahieren muss?

DG0MG

Nein, so wär das auch nicht richtig. Bei Co-60 würde der RC wahrscheinlich zu wenig anzeigen.
Aber man könnte vielleicht sagen, das gilt als Faustregel für U-nat und Radium-226.

Aber da das einbauen einer Energieabhängigkeit noch in der toDo-Liste der RadiaCode-Entwickler steht, kann es sein, dass sich das noch verbessert.
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NoLi

Zitat von: DG0MG am 01. Juli 2022, 11:03
Zitat von: NoLi am 01. Juli 2022, 10:50aber wieviel % betrugen dessen Abweichungen vom Sollwert des Eichstandwertes (mit Standard-Eichnuklid Cs-137)?

Keine Ahnung.
Unser Plan war auch nicht, die Messgeräte des BfS zu kontrollieren  :P , sondern unsere eigenen "Russen- und Polengurken" einzuordnen. Und wie beschrieben, war selbst dafür die Zeit nicht ausreichend.
Wir wussten vorher nicht so ganz, was für ein Ablauf uns erwartet und so wird die vollkommen naheliegende Frage, was die Geräte denn eigentlich anzeigen MÜSSTEN, für uns vorerst nur durch ein 17 Jahre altes PDF beantwortet. Das wird sich aber wahrscheinlich noch ändern, wenn das BfS eine Auswertung des jüngsten Messvergleiches herumsendet.

Es war nicht gemeint, das BfS-Gerät zu kontrollieren, sondern es als geeichtes Vergleichsgerät zu den eigenen ungeeichten Geräten zu betrachten sowie auch dessen Abweichung beurteilen zu können, um die Anzeigequalität der eigenen Geräte besser einschätzen zu können.
Aber mal die Vergleichsauswertungen abwarten.
Wo gibt es eigentlich das 17-jährige PDF?

Norbert

DG0MG

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NoLi


DG0MG

Wir bekommen wieder die Möglichkeit, beim diesjährigen Messvergleich des BfS teilzunehmen und werden diesmal etwas strukturierter vorgehen. Es handelt sich um eine Jubiläumsausgabe der Veranstaltung, sie findet nämlich zum 30. Mal statt.

Wir könnten uns z.B. vornehmen, eine größere Anzahl von RadiaCodes auf der Fläche 3 (siehe Luftbild oben) parallel zu betreiben. Ganz nach Vorschrift in 1 Meter Höhe über der jahrelang mit hunderttausenden Euro teuren Geräten auf 819 nSv/h eingemessenen Radium-kontaminierten Fläche. Ich bin gespannt, was diese anzeigen werden.
Wer seinen RadiaCode dort mit in den Vergleich einreihen will, müsste ihn uns für ein paar Tage zukommen lassen:
  • auf neuestem Softwarestand
  • mit geladenem Akku
  • mit auf der Vorderseite angebrachter Beschriftung mit Namen oder Nicknamen

Bei Interesse PN an mich.
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emanator


DL3HRT