Safecast

Begonnen von Henri, 12. September 2022, 10:30

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Henri

Wir haben ja noch gar keinen Thread fürs Safecast Messnetz! Hier ist er  :)

Safecast wurde nach dem Reaktorunglück in Fukushima ins Leben gerufen. Die Messgeräte wurden modular aufgebaut und verwenden neben einem Pancake Geiger-Müller-Zählrohr eine Basisplatine, die mit den aus China leicht zu beziehenden Elektronik-Modulen bestückt werden kann. In einem robusten Gehäuse untergebracht, registrieren die Geräte die Strahlung zusammen mit den GPS-Koordinaten und senden sie per Smartphone-App an einen Karten-Server. Wo kein Netzwerk vorhanden ist, erfolgt zunächst die Speicherung auf SD-Karte, und die Daten können zu Hause hochgeladen werden. So gelang es den japanischen Bürgern, mit diesem Citizen Projekt in kurzer Zeit eine von den Regierungsangaben unabhängige erste radiologische Einschätzung vorzunehmen.

Es handelt sich mittlerweile um quelloffene Hard- und Software, man kann die Konstruktionsdaten über Github beziehen:

https://github.com/Safecast/

Früher konnte man nur fertige Geräte bzw. Bausätze beziehen, und der Preis war nicht gerade niedrig. Vermutlich wurden über diese Einkünfte die anfallenden Kosten (Servermiete etc.) gedeckt. Mittlerweile ist man beim Bau komplett auf sich selbst angewiesen.

Webseite des Projekts:

https://safecast.org/

Weltweite Karte:

https://map.safecast.org




Henri

https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php?msg=14281

Und ich finde es faszinierend, dass ein Großteil der Strassen in Deutschland und vor allem der Niederlande schon mal mit SafeCast-Geräten abgefahren wurde:

https://map.safecast.org/?y=48.69&x=9.62&z=6&l=0&m=0

Das sieht teilweise so planvoll aus, weiß jemand, ob da eine "konzertierte Aktion" dahintersteckt?

Viele Grüße!

Henri

miles_teg

Die Safecast-Karte ist schon ein guter Anhaltspunkt. Wenn man sich aber die Kartographierung in Tschechien anschaut, erblasst man als Deutscher vor Neid. Ich habe auf diese Weise ein paar interessante Orte in Tschechien gefunden. Was ich in einem Fall aber auch festgestellt habe: der Hotspot war nicht mehr existent. Vermutlich lag irgendwo ein sehr heißes Steinchen, was irgendwann mal jemand mitgenommen hat.
Hier in Safecast
https://map.safecast.org/?y=50.56807&x=13.43623&z=17&l=0&m=2
Und hier meine Aufzeichnung:
https://raysid.com/map/#17-13.43615-50.56932-hybrid-raysid_doserate-1-sv-cps-global

Bei der Karte (und anderen auch) würde ich mir aber einen Dosisraten-Filter wünschen. Hotspots zu finden (z.B. in Tschechien) ist nicht wirklich einfach, weil man sehr stark zoomen muss um die entsprechenden Farben zu identifizieren. Wenn man diese nach Dosisrate filtern könnte, wäre es wesentlich einfacher.
Das habe ich für die RAYSID-Karte schon vorgeschlagen, aber wer weiß wann Alex dafür Zeit hat.

Henri


Henri

A propos:

was haltet ihr davon, dass das Projekt seine zulässige Hardware auf das Pancake-Zählrohr LND-7317 "standardisiert" hat? Es ist ja nicht energiekompensiert. Außerdem schirmt das Gehäuse Betastrahlung zu einem gewissen Anteil ab, aber halt nicht vollständig. Und es gibt auch Anleitungen, ins Gehäuse im Bereich des Zählrohrfensters ein Loch zu bohren und dieses mit Rettungsdecke abzudichten, "um sogar Alphastrahlung zu detektieren". Was bei Rettungsdecke schwierig werden dürfte.

Jedenfalls werden wohl nur Daten der "eigenen" Hardware (also des bGeigie) in die Karte aufgenommen, um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Das macht die Teilnahme zu einem ziemlich kostspieligen Unterfangen, weil das Pancake ein teurer Spaß ist - der Kaufpreis ist hoch, und hinzu kommt dann noch mal hohe Versandkosten aus den USA und Zollabgaben.

Wie ich gelesen habe, werden die gesammelten Daten verifiziert, bevor sie auf die Karte kommen. Nach bestimmten Kriterien geht das automatisch, aber wenn diese nicht erfüllt werden (z.B. bei erhöhten Messwerten), gibt es eine manuelle Beschau. Das dauert wohl teilweise recht lange, weil es viel Arbeit ist.

Gemessen werden soll in 1m über Grund, bei Autos soll das Gerät idealerweise außerhalb angebracht werden. All diese Messfahrten sind ja größtenteils nur einmalige Aufnahmen, noch dazu mit schlechter Statistik (alle 5 Sekunden ein Messpunkt, das sind nur ein paar Zählrohrimpulse). Wenn es nun zufällig bei der Messfahrt gerade regnet, hat man eine Erhöhung durch Radon-Folgeprodukte. Einen Tag später kann die ODL schon wieder ganz anders aussehen. Und zeitliche Veränderungen werden auf der Karte nicht dargestellt. Das heißt, anders als beim Multigeiger https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,96.0.html  mit seinen festen Stationen müsste man im "Ereignisfall" alle Strecken neu abfahren, könnte dann aber auch (zumindest im Moment) nicht die alten Werte den neuen gegenüberstellen. Und gerade das würde es ja spannend machen.

In soweit sind die Karten sehr hilfreich, um "Anomalien" festzustellen und Schadensgebiete nach Reaktorunglücken abzugrenzen. Aber darüber hinaus bin ich mir nicht sicher, in wieweit ein weiterer Nutzen gegeben ist, nun gezielt möglichst alles abzufahren - gerade in den Niederlanden scheint das ja gemacht worden zu sein  https://map.safecast.org/?y=53.113&x=6.21&z=11&l=0&m=0 . Und z.B. finden sich auf der Karte im Bereich der Wiederaufbereitungsanlage in La Hague https://map.safecast.org/?y=49.6807&x=-1.8818&z=13&l=0&m=2  oder Sellafield https://map.safecast.org/?y=54.44&x=-3.462&z=12&l=0&m=2 durchgehend niedrige Messwerte, obwohl es dort erhebliche Freisetzungen an Tritium, I-129 und auch Am-241 und Pu sowie radioaktiver Edelgase gibt, die wohl auch zur gesundheitlichen Beeinträchtigung der ortsansässigen Bevölkerung führen.

Viele Grüße!

Henri

DL8BCN

Ich finde es auch ein spannendes, interessantes Projekt.
Schön wäre, wenn man halbwegs bezahlbare Bausätze oder Fertiggeräte kaufen könnte.
Ansonsten werden die Stückzahlen bei uns niedrig bleiben.
Was den Nutzen angeht, sehe ich es auch eher auf ein Gebiet nach einem Nuklearunfall beschränkt.
Für diesen Zweck wurde es doch wohl auch entwickelt.
(Safecast wurde nach dem Reaktorunglück in Fukushima ins Leben gerufen)
Rainer

DG0MG

Zitat von: Henri am 12. September 2022, 23:52was haltet ihr davon, dass das Projekt seine zulässige Hardware auf das Pancake-Zählrohr LND-7317 "standardisiert" hat?

Im Prinzip ist das eigentlich das k.o.-Kriterium, denn selbst, wenn man so ein Zählrohr "einfach mal so" kaufen will, geht das ja schon kaum bis gar nicht. Wozu man zum Kartieren überhaupt ein Beta- und sogar Alpha-Zählrohr braucht, weiß ich nicht. Mag aber sein, dass das Kartieren nicht der einzige vorgesehene Einsatzzweck ist - vielleicht war die INtention auch, das Pelicase an die Salatköpfe auf dem Markt halten zu können. Dann wäre das ZR keine Fehlbesetzung.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Zitat von: Henri am 12. September 2022, 23:52...
Und z.B. finden sich auf der Karte im Bereich der Wiederaufbereitungsanlage in La Hague https://map.safecast.org/?y=49.6807&x=-1.8818&z=13&l=0&m=2  oder Sellafield https://map.safecast.org/?y=54.44&x=-3.462&z=12&l=0&m=2 durchgehend niedrige Messwerte, obwohl es dort erhebliche Freisetzungen an Tritium, I-129 und auch Am-241 und Pu sowie radioaktiver Edelgase gibt, die wohl auch zur gesundheitlichen Beeinträchtigung der ortsansässigen Bevölkerung führen.
...
Wie kommst Du drauf, dass die dort mit dem bgeigie nano gemessenen Werte an diesen Orten nicht stimmen ("...durchgehend niedrige Messwerte, obwohl es dort erhebliche Freisetzungen an...")? An anderen Orten werden dessen Werte ja auch als plausibel übernommen und nicht angezweifelt.

Kann das Gerät Tritium messen: nein.

Kann das Gerät J-129 messen: nein.

Kann das Gerät Am-241 messen: bedingt nur in unmittelbarer Nähe, z.B. am Boden (über den 34%igen Gamma-Anteil mit einer Energie von 59,5 keV Gamma-Komponente).

Kann das Gerät Pu messen: nein.

Kann das Gerät radioaktive Edelgase messen: bedingt, wenn Kr-85 in hoher Konzentration vorhanden ist (über den 0,4%igen Gamma-Anteil mit einer Energie von 514 keV).

Und offensichtlich gibt es um die WA-Anlagen keine signifikanten Ablagerungen von Spaltprodukten am Boden, welche zu merklichen Dosisleistungserhöhungen in Fahrzeugfensterhöhe führen würden.

Norbert

Henri

Zitat von: NoLi am 13. September 2022, 20:10Wie kommst Du drauf, dass die dort mit dem bgeigie nano gemessenen Werte an diesen Orten nicht stimmen


Neinnein, das habe ich nicht angezweifelt, die Werte stimmen. Aber es gibt halt Studien, die eine Erhöhung der Leukämierate um die Anlagen herum feststellen, und Bürgerinitiativen, die regelmäßig Proben nehmen und all diese Nuklide finden, teilweise in ganz erheblichen Konzentrationen. Der bGeigie ist nur, wie Du schreibst, kein geeignetes Instrument für den Nachweis. Aber man könnte nun unbedarft denken, die Daten wurden mit einem Detektor aufgenommen, der Alpha-, Beta- und Gammastrahlung registriert, auf der Karte ist alles "blau", also ist dort nichts, was eine Gefährdung darstellen würde. Dem ist aber anscheinend ja nicht so. Ich finde, man könnte seitens SafeCast die (leider unvermeidlichen) Beschränkungen ihres Systems noch deutlicher kommunizieren. Das wollte ich damit sagen.

Viele Grüße!

Henri

NoLi

Damit bin ich völlig d`accord. :good2:

Norbert