Frankreich: Cs-137-Hotspots in den Alpen

Begonnen von Flipflop, 08. September 2023, 10:46

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NoLi

Zitat von: DG0MG am 08. September 2023, 13:00...
40 kBq als Punktquelle kann ich mir vorstellen, aber 40 kBq Cs-137 über einen Quadratmeter verteilt? Was würde man darüber für eine ODL messen?
Wie schätzt man das ab?
...
Aus den verschiedenen Fukushima-Veröffentlichungen und zugänglichen wissenschaftlichen Vorträgen kann man entnehmen, dass Cs-137-Oberflächenkontaminationen von 4 Bq/cm² (= 40.000 Bq/m²) eine Gamma-Dosisleistung von 0,02 µSv/h (20 nSv/h) in einem Meter Abstand erzeugen. Das Abstandsquadratgesetz kann hier nicht angewandt werden, vereinfacht verdoppelt sich hier die Dosisleistung mit der Halbierung des Abstandes. Folglich hätten wir in ca. 10 cm Abstand vom Boden-Hotspot eine Gamma-Dosisleistung von ungefähr 0,16 - 0,2 µSv/h (160 - 200 nSv/h).

Norbert


Radiohörer

Contamination des sols français par les retombées de l'accident de Tchernobyl:
https://inis.iaea.org/collection/NCLCollectionStore/_Public/49/042/49042118.pdf
mit vielen Messwerten und Karten aus Fr, It, Ch, At, De, Cz, Sk, Hr & Ua

Edit: etwas kompakter d,h, Ost-Fr, Nord It, Ch & At mit Tabelle und Karte:
https://www.criirad.org/wp-content/uploads/2017/08/chernobyl-fallout.pdf
und mit Koordinaten
https://www.criirad.org/wp-content/uploads/2017/08/arc-alpin.pdf

ergiebige Quelle der Herr: verschiedene Pilze:
https://www.criirad.org/wp-content/uploads/2017/08/fiche-champignons.pdf

Prospektor

Ja, das Mercantour mit einigen recherchierten und ausgewählten Orten steht schon länger auf meiner to do Liste. Man hat es hier immerhin mit Aktivitätskonz. von mehreren 100.000 Bq/kg Trockenmasse zu tun. Da übersteigt ein kleines Beutelchen schon die Freigrenze.

Bisher habe ich es leider noch nicht dort hin geschafft  :(

Btw: Gott sei Dank gibt es gerade in Frankreich so etwas wie die CRIIRAD. Methodisch sind die ganz gut aufgestellt und die leisten immer wieder gute Arbeit (z.B. Fukushima oder U-Abbau in Afrika).
Die CRIIRAD mit dem typischen NGO negativ Stempel abzutun wird der Leistung m.M. nach nicht gerecht.

NoLi

Zitat von: DG0MG am 08. September 2023, 15:55Im ersten Video misst er bei 2:00min 4500 cps und kurz vorher an der Straße nur 50 cps. Also fast 100facher Hintergrund. Das liegt mit dem bei 2:28min gezeigten Messergebnis des Radex von 4,5 µSv/h zumindest in der gleichen Größenordnung.

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Den Standort konnte ich noch nicht ganz genau ausmachen, aber irgendwo bei "Col de Restefond", an der Straße nach Saint-Étienne-de-Tinée Richtung Nizza in 2440 Metern Höhe. Ungefähr hier: https://goo.gl/maps/z87Ks5M5EckxRrEh8  ( 44.342315°  6.845905°)

Ergänzung:
Hier isses, mit Streetview lässt sich das Schild finden: https://goo.gl/maps/hTYjPSvCMoLZtBvy7

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Nun weiß man, wo der RadiaCode das nächste mal Urlaub macht... ;D
225.000 Bq/kg Erde, nicht schlecht...dagegen kann die Hirschgrabenerde abstinken!

Ich werde mal meinen alten amerikanischen THYAC-III mit 1,5" NaI-Sonde ausgraben und startklar machen ;)


(Quelle und mehr Bilder:  http://www.civildefensemuseum.com/southrad/victoreen-thyac3.html)

Norbert

Radiohörer

Zitat von: NoLi am 08. September 2023, 22:28Nun weiß man, wo der RadiaCode das nächste mal Urlaub macht... ;D
und hier in Kap. 8
https://www.irsn.fr/sites/default/files/documents/expertise/rapports_expertise/surveillance-environnement/IRSN_Constat-Remanence-France_201604.pdf
gibts weitere Koordinaten.
Schade, dass es solche ausführlichen Infos nicht für De gibt oder sind sie geheim, um keine Unruhe in den Urlaubsregionen zu erzeugen? :(

Henri

Man sollte die CRIIRAD nicht unterschätzen. Die betreibt ein staatlich u.a. für Lebensmittel akkreditiertes Labor und ist hoch professionell aufgestellt. Aber natürlich wie jede NGO darauf angewiesen, dass Leute für ihre Arbeit spenden. Deshalb werden Sachverhalte manchmal etwas plakativ dargestellt oder vereinfacht, da ja nicht nur Fachpublikum angesprochen werden soll.
Übliche Forschungseinrichtungen verhalten sich da ja nicht anders - ständig ist man auf der Suche nach Geldquellen und muss herausstellen, dass die eigene Arbeit einen Wert hat, obwohl man den manchmal schon mit der Lupe suchen muss... Naja  :D

Das Video ist etwas aus dem Kontext gerisssen und bezieht sich im Grunde auf eine Mammutaktion, in der um das Jahr 2000 herum 3 Jahre lang mit tausenden von Messpunkten versucht wurde, eine Bodenkontaminationskarte von Frankreich zu erstellen. Von amtlicher Seite kam nämlich nicht nur nichts, sondern auch Falschangaben - eine besondere Wetterlage hätte verhindert, dass die Luftströmungen aus Tschernobyl Frankreich erreichen. Die CRIIRAD hat diese Aussage damals, in ihrer Gründungsphase, medial sehr wirkungsvoll als Lüge enttarnt und dann mit der Arbeit begonnen, die eigentlich Aufgabe des Staates gewesen wäre.

Um mit vertretbarem Aufwand zu halbwegs verlässlichen Bodenkontaminations-Karten zu kommen, hat man einen NanoSpec mit 3" NaI(Tl) Kristall angeschafft und damit an sorgfältig ausgesuchten Orten Insitu-Messungen durchgeführt. Das Gerät wurde im Vorwege mit Bodenproben kalibriert. Hierfür wurden an 7 verschiedenen Messorten Bodenproben 40 cm tief ausgestochen (pro Messort jeweils 3 an den Spitzen eines gleichschenkligen Dreiecks von 1 m Kantenlänge), in Tiefenschichtungen separiert, im Labor aufbereitet und jeweils 3 Tage im HPGe-Detektor vermessen. Anhand all dieser Messungen wurde für den NanoSpec ein Kalibrierfaktor für den 662 keV Peak ermittelt. Berücksichtigung fand übrigens auch die vor dem Tschernobyl-Unfall vorhandene Bodenbelastung mit Cs-137 durch Kernwaffenversuche, die ebenfalls um die 1000 Bq/m² betragen konnte und für die bereits grobe Kontaminationskarten verfügbar waren.

Das einzige, was mich etwas gewundert hat, ist die gewählte Insitu Messgeometrie. Normalerweise würde man das NanoSpec in 1 m Höhe auf einem Stativ montieren und somit über eine größere Fläche mitteln. Bei den durchgeführten Messungen wurde es jedoch mit seiner Stirnseite auf den Boden gestellt und liefert deshalb ein sehr punktuelles Abbild. Man kann also davon ausgehen, dass gezielt nach Maximalwerten gesucht und die Messorte auch danach ausgesucht wurden. Z.B. wurde gerne an einer Stelle im Wurzelwerk von Buchen gemessen, an die der Baum den Großteil des auf Stamm und Äste auftreffenden Regenwassers in den Boden ableitet.
Ein weiterer Grund könnte sein, dass man generell mit eher punktuell verteilten Belastungen rechnete. Wenn der "HotSpot" sich direkt unter dem in 1 m Höhe montierten Detektor befindet, bekommt man ein ganz anderes Ergebnis, als wenn er sich einen Meter abseits befindet. Das "Ausmitteln" funktioniert dann ja nur begrenzt, und dann kann man sich das Mitschleppen eines Stativs auch sparen. Den zum "Ausmitteln" nötigen Abstand bekommt man vermutlich nur durch Messung aus einem Hubschrauber, oder man müsste bodengebunden sehr viele Messpunkte in geringerem Abstand nehmen. Das wurde für die Karten teilweise auch gemacht, es wurden für einige Gelände Untersuchungen zur Homogenität durchgeführt. Für alle Messpunkte war das aber personell nicht zu leisten. Man hat sich vorab geeinigt, das "Messprotokoll" so stark zu vereinfachen, wie nur irgend vertretbar, denn alle Messungen vor Ort wurden durch nur zwei Personen durchgeführt.

Gerade im alpinen Bereich hat es wohl punktuell immense Kontaminationen gegeben, weil sich die Nuklide auch ohne Regen (die "Wolke" zog auf 2000 m Höhe) auf dem Schnee abgelagert haben und dieser bei der Schneeschmelze dann in Senken versickert ist, was wie ein Filter gewirkt hat. Die Darstellung im Video zeigt das sehr plakativ.
Die externe Strahlenexposition bleibt in diesem Gelände sicherlich noch in vertretbarem Rahmen. Eigentliches Ziel war aber, auf Probleme in der Landwirtschaft aufmerksam zu machen. Es gab im alpinen Bereich auch extreme Belastungen von Milchprodukten mit radioaktivem Iod. Und die Franzosen ernähren sich durchaus gerne aus der Natur (Pilze, Wild, Milchprodukte). Die Übersichtskarte sollte dazu dienen, um für die Nahrungsmittelproduktion kritische Regionen zu identifizieren. Die Bodenproben wurden im Labor übrigens nicht nur auf Cs-137 untersucht.

Die Aussagekraft von auf diese Art erstellten Bodenkontaminationskarten ist natürlich wegen dieser Aufkonzentrierungseffekte begrenzt. Wenn das gesamte Regenwasser eines größeren Areals in einer kleinen Senke versickert, wird man bei nur geringer Kontamination in der Senke trotzdem sehr hohe Werte messen. Und wenn allgemein eine hohe Kontamination stattgefunden hat, das Wasser jedoch gleichmäßig über das gesamte Areal versickert, wird man relativ geringe Werte messen. Die Karten zeigen also zumindest in bestimmten Regionen vielleicht weniger die absolute Bodenbelastung, als vielmehr die Eigenschaft des entsprechenden Geländes, punktuell Aktivität aufzukonzentrieren.
Sie könnten dann aber dabei helfen, in diesen Regionen solche kleinräumigen "Hot Spots" ggf. messtechnisch zu erfassen und von der landwirtschaftlichen Nutzung auszunehmen.

Viele Grüße!

Henri

Henri

Zitat von: NoLi am 08. September 2023, 22:28Nun weiß man, wo der RadiaCode das nächste mal Urlaub macht... ;D
225.000 Bq/kg Erde, nicht schlecht...dagegen kann die Hirschgrabenerde abstinken!

In der Erde aus dem südöstlichen Frankreich finden sich allerdings nur 20 Bq/kg Am  :D

Flipflop

Meine Übersetzung schreibt dazu:

Gletscher akkumulieren erhebliche Mengen an Fallout-Radionukliden durch nukleare Unfälle und Waffentests - manchmal in den höchsten radioaktiven Konzentrationen, die jemals außerhalb von nuklearen Ausschlusszonen und Teststandorten gefunden wurden. Michael Allen gräbt sich in die Tiefen dieses unerwarteten Problems und der damit verbundenen Risiken, wenn Gletscher schmelzen.

Weiter unten im Artikel:

Es gab auch erhebliche Auswirkungen von Tschernobyl in den österreichischen Alpen, mit starken Regenfällen in den Tagen nach der Katastrophe, die in einigen Gebieten zu sehr hohen Kontaminationsgraden führten. Eine Untersuchung der Hallstätter- und Schladminger-Gletscher in Nordösterreich aus dem Jahr 2009 ergab Konzentrationen von 137C in Kryonoton von 1700 Bq/kg bis 140.000 Bq/kg (J. Env. Rad. 100 590). :unknw:

https://physicsworld.com/a/trapped-in-ice-the-surprisingly-high-levels-of-artificial-radioactive-isotopes-found-in-glaciers/