Das Openmess-Projekt

Begonnen von opengeiger.de, 03. Januar 2024, 14:07

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Henri

Oha, hier ist ja was los!  >:(

Meine zwei Cent zu  dem Thema: ich finde, man hätte die Kritik am Projekt schon diplomatischer vortragen können. Aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass etalon ein paar richtige Punkte angesprochen hat.

Nämlich was hier in der Vergangenheit immer wieder geschrieben, aber anscheinend nicht verinnerlicht wurde. Professionelle Geräte können nicht zwangsläufig  mehr als billiger Consumer-Ramsch. Aber im Gegensatz zu diesem sind der Einsatzbereich und die Eigenschaften detailliert spezifiziert. Das heißt, der Anwender weiß um den Anwendungsbereich, die Grenzen und auch um die bei der Handhabung möglichen Messabweichungen.
Hinzu kommen noch Anforderungen zu Anzeige und Bedienbarkeit, die der Gesetzgeber vorschreibt. Wenn dies stattgefunden hat, taugt das Gerät für einen professionellen Einsatz, ansonsten nicht.

Wie Bernd geschrieben hat, Simulation macht Sinn, aber sie braucht immer das Experiment, dass sie verifiziert. Und das ist dann auch der Hauptschauplatz, weswegen dieses Projekt zum Scheitern verursacht ist. Weil man als "Hobbyist" nicht an die Experimentierumgebung herankommen wird, um das Gerät so detailliert zu spezifizieren wie ein professionelles. Und es geht nicht um das Zählrohr, sondern um das Zählrohr im Geräte-Gehäuse. Und es geht nicht um eine Geräteserie, sondern man muss jedes einzelne Gerät bei verschiedenen Energien und Dosisleistungen kalibrieren, um sicherstellen zu können, dass es sich innerhalb der zulässigen Grenzen bewegt.

Weil einige das immer noch nicht wahrhaben wollen, dass die Nicht-Zugänglichkeit zu einem Bestrahlungsbunker der eigentliche limitierende Faktor für die Entwicklung eines "professionellen" Geräts ist, wird auf Nebenschauplätze ausgewichen, wie die Details der Elektronik fürs Zählrohr, die vielleicht interessant zu betrachten, aber ja kein Hexenwerk ist. Bei Proportionaldetektoren müsste man da vielleicht noch sorgfältiger draufschauen, aber bei Geiger-Müller?  :unknw:

Und dann eine Sache, die hier auch immer wieder angesprochen, aber anscheinend nicht wahrgenommen wird: das Messergebnis ist korrekt, wenn es sich im Bereich der vorgegebenen Messfehlergrenzen befindet. Und die sind nicht ohne Grund im Bereich des Strahlenschutzes ziemlich großzügig gesetzt. Gerade beim automess wird dies massiv ausgereizt. Aber das Ergebnis ist dennoch korrekt (!). Auf ein nSv/h mehr oder weniger kommt es überhaupt nicht an, wenn sich die Abweichung buchstäblich "im Rahmen" befindet. Niemand muss einen Aufwand treiben wie die PTB. Und selbst dort weiß man um die Grenzen seiner Methoden.

Die Kalibrierung der Zählrohre stimmt außerdem nur im uniformen Strahlungsfeld. Bei Punktstrahlern mit geringer Dosisleistung, wie in der Regel im "Hobbybereich" anzutreffen, wird man mit einem so großen ZR wie dem 70031A nur "Hausnummern" messen können.
Strahlenmessgeräte sind Spezialisten, nicht Generalisten. Welcher "Spezialist" soll also im Rahmen dieses Projektes entstehen?


Beim 70031A kann man nicht davon ausgehen, dass sich da eine "dauerhafte" Quelle aufgetan hat. Diese ZR werden schon seit Jahrzehnten (in Variationen) in allen möglichen Meß-Sonden eingesetzt, aber es ist nun das erste Mal, dass diese überhaupt auf dem Surplus-Markt auftauchen. Sind sie abverkauft, ist's vorbei.  Wenn ich mich recht erinnere, dürfte der Neupreis bei etwa 550,- liegen - ich bin gespannt, ob Peter das verifizieren wird.

Viele Grüße!

Henri

Peter-1

Wie im wahren Leben, je tiefer man einsteigt um so mehr Fragen tauchen auf.
1. Punkt: für welchen Einsatz soll ein fertiges Gerät sein?
   roher Feldeinsatz ? eher nicht.
   kleine Mineralien untersuchen ? eher nicht.
2. Punkt: wie soll eine Anzeige sein? nur digital, nur analog, über einen Prozessor
   mit allen denkbaren Berechnungen?
3. Punkt: soll die Sonde im Gerät sein? ansteckbar? in eigenem Schutzgehäuse?
4. Punkt: für welche Betriebsspannung soll die Schaltung ausgelegt werden?

Die Liste ist noch lange nicht am Ende.
Für mich aber ein ganz wesentlicher Punkt ist die Kalibrierung. Eichung im Hobbybereich , nie und nimmer !
Stelle ich mich an eine ODL Sonde, so habe ich einen einzigen Punkt. Und selbst wenn es eine 100%ige Übereinstimmung bei ca. 0,1µSv/h ergibt, so kann ich damit nur wenig zu meinen Mineralien, Urangläser oder U-Glasuren sagen.

Wie wäre es mit einem Lastenheft  :o

Zum Automess: aus dem Schaltplan zur Impulsaukopplung habe ich kurz mit LTSpice den Eingang nachvollzogen. Sehr komisch. Der Ausgangsimpuls schwingt je nach Eingangsimpulsdauer. Vielleich auch nur bei mir  :unknw:
Da das ZR in einem Gehäuse liegt sind Störeinflüsse auf die Kathode nicht zu erwarten. Aber sonst ......
Gruß  Peter

opengeiger.de

Zitat von: Henri am 08. Januar 2024, 13:09Meine zwei Cent zu  dem Thema: ich finde, man hätte die Kritik am Projekt schon diplomatischer vortragen können. Aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass etalon ein paar richtige Punkte angesprochen hat.


Das ist doch mal eine sehr konstruktive und kompetente Kritik. So würde ich mir es immer wünschen. Und daran kann ich mich auch orientieren! Vielen Dank @Henri dafür!

Also was heißt das nun für das Projekt? Also wie gesagt, ich werde es in jedem Fall weiterverfolgen, schon deswegen, weil ich bereits in Material investiert habe. Aber ich kann ja auch das Ziel, das ich damit anvisiere, noch an das anpassen, was hier an kompetenter Kritik kommt. So war es gedacht, denn ich hätte es ja auch im stillen Kämmerlein machen können und dann das Ergebnis präsentieren können. Aber ich will ja genau wegen der gutgemeinten Kritik die Möglichkeit geben Einfluss zu nehmen auf das, was rauskommt.

Ich komme nun mal von der anderen Seite. Also ich nehme ein energiekompensiertes Zählrohr, nicht neu, sondern gebraucht, dessen Vorgeschichte ich nicht kenne. Es ist ein 70031A und nicht ein 70031E, wie in der BfS ODL Sonde. Und möglicherweise wird der Markt wieder rar, die Verfügbarkeit des Rohrs anbelangt, ich weiß es nicht. Ob eine Sammel- oder Einzelbestellung zu einem Neupreis von 550Euro gelingt, ist sehr fraglich. Aber es gibt zu den verfügbaren Rohren ein gutes Datenblatt und einige Leute haben schon so ein Rohr. Dann die Gehäusefrage. Zum Schutz werden wir ein Gehäuse drum rum bauen müssen, dies könnte einen Einfluss haben, vielleicht sogar dann, wenn es nur aus dünnem Kunststoff ist. Auch der elektronische Zählrohrtreiber könnte einen Einfluss haben (Hochspannung, Signalauskopplung etc.), selbst dann wenn ich mir viel Mühe gebe und durchaus auch Geld in die Hand nehme. Was für ein Gerät werde ich dann  am Ende in der Hand haben? Reißt es das energiekmpensierte 70031A jetzt? Denn nur das ist ja der Hauptunterschied zum normalen Geigerzähler.

Gut, nächster Punkt, das Gerät ist nicht kalibriert. Ich kann jetzt an eine oder mehrere ODL Sonden gehen und dort Datenpunkte aufnehmen im 0.1...0.2uSv/h DL-Bereich. Dann kann ich an einen Referenzort gehen, den die Community selbst zur Referenz ausgerufen hat und wo versucht wurde mit vielen unterschiedlichen Messgeräten eine Referenz DL zu ermitteln. Die wird mit Unsicherheit behaftet sein, selbst wenn ein jemand dort mit einem geeichten Gerät eine Messung gemacht hat. Dann können wir so ein Messgerät auf die Testfläche nach Reust mitnehmen. Das gäbe einen weiteren Kalibrierpunkt. Den Rest müsste die Zählrohr Kennlinie hergeben (Modell-Fit, Interpolation etc. ). Und damit sind wir vermutlich nun am Ende. Lohnt das die Mühe?

Jetzt gehen wir noch mit so einem Gerät auf eine alte Halde um eine DL-Messung zu machen. Welche Qualität haben die Messdaten im Vergleich zu einem Joy-It, oder einem Gammascout? Hilft es uns den Radiacode besser beurteilen zu können und dessen Energiekompensation? Wie würde ein Vergleich mit einem Automess AD6 ausfallen oder einem FH40G_L von der Feuerwehr? Und, wenn nun ein Landesamt einen Mitarbeiter mit einem geeichten und geeigneten Gerät schickt, der dieselbe Messung macht, welcher Fehler ist zu erwarten? Wäre es den Aufwand und das Geld wert? Wieviel Bullshit hätten wir dann produziert? Ich bin gespannt auf die Meinungen!

Dennoch werde ich weitermachen so ein Gerät zu bauen. Wenn ihr mir sagt, dafür ist der Speicherplatz des Forum-Servers zu schade, die Entwicklung zu teilen, dann wäre das auch ne klare Ansage, die mir weiterhilft, denn auf die Vorschläge einzugehen, die Ergebnisse zu teilen und die Doku dazu zu machen kostet mich durchaus Mühe, die ich mir sparen könnte. Dann würde ich das Topic tatsächlich dicht machen und nichts mehr hier dazu zu posten, dann war es eben eine schlechte Idee. Aber ich wäre nicht vergrätzt deswegen. Ich könnte auch gut damit leben, das wäre alles kein Problem! Genauso könnte man aber auch das Ziel umformulieren. Auch das passt! Also sagt Eure Meinung, keine Scheu!

opengeiger.de

Ich habe jetzt Peters Ansatz, den Zählimpulsverstärker mit einem Bipolar Transistor zu machen, nochmal kräftig durchsimuliert und komme auch mit dem Versuchsaufbau zu dem Ergebnis, ja das geht gut, sowohl mit einem PNP als auch mit NPN-Transistor. Wobei ich denke die PNP-Variante von Peter ist besser geeignet als die NPN-Variante. Aber ganz grundsätzlich, komme ich auch zu dem Schluss, muss man mit Bipolar-Transistoren in Kauf nehmen, dass der Zählimpuls durch die Belastung der Auskoppelschaltung mit dem nicht-linearen Eingangsverhalten des Transistors verändert wird, und eine klare Zuordnung zwischen Zählimpulsdauer am Zählrohr und Dauer des digitalen Zählimpuls-Ausgangssignal nicht mehr möglich ist.

Im Anhang sind also die drei Varianten, die ich per Simulation als machbar gefunden habe, dargestellt, eine davon ist Peters Variante. Ganz grundsätzlich hat sich gezeigt, dass es nicht so sinnvoll ist ohne Vorspannung der Basis zu arbeiten. Beim NPN wird der Ausgangsimpuls schon extrem kurz, wenn man ohne Vorspannung arbeitet. Spannt man die Basis jedoch etwas vor (R3) dann ergeben sich digitale Zählimpulse wie sie auch Peter mit dem PNP gezeigt hat. Allerdings invertiert der NPN gegenüber dem PNP die Polarität des Zählimpulses. Den Sweep habe ich in der Simulation über den Wert der Auskoppelkapazität gemacht, damit kann man die Impulsbreite des Ausgangsimpulses einstellen.

Man könnte zu der Auffassung kommen, dass ein sehr kurzer Zählimpuls vorteilhaft wäre, weil dann zwei rasch aufeinander eintreffende Impulse besser getrennt werden könnten. Aber das täuscht, weil die Totzeit im Zählrohr selbst entsteht, und wenn die Pulse dort ineinander verschmelzen, dann kann diese Schaltung die Teil-Impulse nicht mehr trennen. Von daher würde ich beim 70031A die Auskoppelkapazität schon so wählen, dass sich eine Impulsbreite von 150us ergibt, was etwa bei 150pF der Fall wäre.

Bei der Lösung mit einem PNP habe ich die Vorspannung der Basis, so wie Peter sie gemacht hat, gelassen, aber mein Gefühl war, beim PNP ist es nicht so kritisch wie beim NPN. Ich habe aber die zwei möglichen Varianten verglichen. Einmal mit dem Lastwiderstand im Emitterkreis, so wie es Peter gemacht hat und einmal im Kollektorkreis, was ich favorisieren würde. Aber die Ergebnisse sehen sehr ähnlich aus.
 
Aufgebaut habe ich die PNP-Variante mit dem Lastwiderstand im Kollektorkreis (rechte Seite der PNP Simulation). Benutzt habe ich ein BC557B und eine Auskoppelkapazität von 10nF. Ich habe aber ein SBM-20 Rohr zum Testen verwendet, das ist einfacher zu handeln. Damit ergab sich eine Impulsbreite von etwa 300us, da würde ich in der Praxis eher einen 500pF zum Auskoppeln nehmen. Aber ansonsten tut das perfekt. Lässt man einige Zählimpulse mit Color Grading überlagern, dann sieht man, dass die Impulsbreite etwas jittert und manchmal kommen auch Impulse in kurzer Distanz in Folge, was zu erwarten ist. Man kann nun eine zweite Stufe dahintersetzen, so wie Peter das vorgeschlagen hat, damit kann man die Ausgangsimpedanz dann noch mal senken, was die Ansteuerung des Interrupt-Eingangs im Mikrocontroller sicher macht. Aber das ist dann kein Hexenwerk mehr. Und ich denke nun ist auch klar, wie man diese Art der Auskopplung und die Beschaltung des Bipolar-Transistors richtig dimensionieren muss. Ergebnisse siehe Anhang. Insgesamt also eine sehr pragmatische Lösung, super! :good2:
 
Nun aber die Frage, wollen wirs mit so einer pragmatischen Lösung belassen. Also ich komm ja eher aus der industriellen Messtechnik und wenn man da Performance erreichen will, dann wäre der Bipolar-Transistor vermutlich ein zu stark pragmatischer Ansatz, aber mit zugegebenermaßen dem Vorteil sehr kostengünstig und platzsparend zu sein. Aber manchmal habe ich den Eindruck, Performance-orientierte Kunden mögen das nicht so sehr. Die wollen den puristischen Ansatz. So wie beim Porsche. Da ist einfach kein 200Euro Autoradio mit nur einem IC drin, das aber den Job auch locker tun würde. 

Ich denke der puristische Ansatz müsste etwa so aussehen:
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Die Idee dahinter ist folgende:

Der OP (Beispiel LTC1797) arbeitet als invertierender Verstärker und hat den präzisen und linearen Eingangswiderstand von 10k. Das heißt, die Auskoppelschaltung überträgt den Zählrohrimpuls formgetreu und die Amplitude beträgt 80uA*10k*1M/(10k+1M) = 792mV, wie direkt am 70031A Zählrohr gemessen. Der positive Eingang liegt per Spannungsteiler auf 0.75V und der OP regelt die Eingangsdifferenz auf 0, daher wird der eintreffende Zählrohrimpuls auch auf 0.75V gepegelt.

Umgekehrt hat der auf den Verstärker folgende Komparator eine interne Referenzspannung von 1.182V (Bandgap), die als Schwelle benutzt werden kann. Nun kann die Verstärkung über den Gegenkopplungswiderstand (Verstärkung) und über den Spannungsteiler am positiven Eingang so eingestellt werden, dass der Zählrohrimpuls mit der zu erwartenden Halbwertsbreite etwa bei der Komparator-Schwelle von 1.128V zu liegen kommt. Dann wandelt der Komparator den Zählrohrimpuls an der dieser Schwelle von analog nach digital, so dass der digitale Impuls ziemlich genau die Halbwertsbreite des analogen Impulses aus dem Zählrohr bekommt.

Das Ergebnis der Simulation sieht so aus:

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Was würdet ihr von diesem Konzept halten?

U235

Dieses Forum ist großartig, weil es einen besonderen Wissensaustausch ermöglicht:
Zwischen sehr motivierten, einfallsreichen und wissbegierigen Menschen ohne berufliche Erfahrung in Nuklearphysik
und genau so motivierten, einfallsreichen und wissbegierigen Menschen mit umfangreichem, in beruflicher Praxis erprobtem Fachwissen.
Die Grenzen sind hier wertfrei und fließend.

Und diese Menschen und den Austausch sollten wir uns erhalten.

Natürlich kann es mal sein, dass man im Eifer der Forschung ein Detail sehr genau beleuchtet.
Oder man sieht aus Erfahrung, dass ein Detail in der Praxis vielleicht kaum relevant ist.
Beide Positionen kommen im Leben vor: Man findet sich mal in der einen, mal in der anderen wieder.
Ein Gammaspektrometer ist genau so wichtig, wie ein Neutronendosimeter - abhängig von der Situation ("hat jemand das Curium gesehen?" :D).

Also @opengeiger.de und @etalon: Bitte seid nicht missmutig - messt mutig!  :drinks:

NoLi

Zitat von: U235 am 08. Januar 2024, 18:44...
Also @opengeiger.de und @etalon: Bitte seid nicht missmutig - messt mutig!  :drinks:
...und auch für den Text vor dieser Zeile: :good2:

Norbert

DL8BCN

Was passiert eigentlich mit den ausgesonderten OdL-Sonden, die das BfS doch sicherlich in einem turnusmäßigem Intervall wartet, bzw. nach einigen Jahren erneuert.
Wenn nicht nur wirklich komplett defekte Sonden gewechselt werden, wäre dieser Elektroschrott doch eine super Hardwarequelle für uns, wenn man an so etwas zum Schrottpreis rankäme.
Fehlt nur noch der Mensch, der ,,Vitamin-B" zu den Technikertrupps hat😂


DG0MG

Zitat von: DL8BCN am 08. Januar 2024, 19:50die das BfS doch sicherlich in einem turnusmäßigem Intervall wartet, bzw. nach einigen Jahren erneuert.

Ich glaube nicht, dass das "Warten" einer an sich funktionierenden Sonde ein "vorsorgliches" Austauschen des Zählrohres beinhaltet. Das ist bei einer im Datenblatt garantierten, eigentlich utopisch langen Lebensdauer einfach nicht nötig und betriebswirtschaftlich nicht begründbar. Wenn Du einen funktionierenden Automess oder FAG zur Wartung schickst, wird ja auch nicht "vorsorglich" das ZR gewechselt. @DL3HRT hat ja hier die Lebensdauern vorgerechnet: https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php?msg=26999

Selbst wenn das für die ODL-Sonden so wäre und die ausgebauten, fünktionierenden Zählrohre noch einen finanziellen Wert besäßen, müsste eine Bundesbehörde diese dann auch gegen Gebühr verkaufen - meist passiert das in großen Konvoluten über die VEBEG. Die Händler, die die Posten dort kaufen, versuchen dann die Produkte in kleineren Stückzahlen über die üblichen Kanäle (z.B. ebay) weiterzuverkaufen. So ist es vor Jahren mit der ersten Generation der ODL-Sonden passiert. Da sind komplette Platinen mit zwei(?) Zählrohren verkauft worden.

Da das aktuell nicht ansatzweise sichtbar ist, denke ich, dass auch keine Zählrohre getauscht werden, jedenfalls nicht beim BfS.
Und wenn ein Zählrohr mal wirklich defekt sein sollte (Doppelimpulse oder gar keine mehr), dann ist das ZR auch wirklich Schrott und für eine genaue Messung nicht mehr zu gebrauchen.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

opengeiger.de

Aber was denkt ihr denn jetzt, wie wird diese Kurve über verschiedene Exemplare des 70031A Zählrohrs als Beispiel streuen im Energiebereich zwischen 30keV und 3MeV?

Und wie wird diese Kurve über das Alter von verschiedenen Zählrohren streuen, wenn das Zählrohr in einer Überwachungsstation auf der grünen Wiese steht bei einer ODL unter sagen wir 0.3uSv/h?

Streuen die Rohre dann in einem Toleranzschlauch von 10% oder von 20% um diese Kurve (echte Defekte ausgenommen)?  :unknw: 

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 :drinks:

NoLi

Zitat von: opengeiger.de am 08. Januar 2024, 21:52...
Streuen die Rohre dann in einem Toleranzschlauch von 10% oder von 20% um diese Kurve (echte Defekte ausgenommen)?  :unknw: 
Andere Frage:
Stellt diese Kurve den Mittelwert aus einer repräsentativen Anzahl von 70031A-Zählrohren dar?

Norbert

Peter-1

Wir machen doch hoffentlich keinen Schönheitswettbewerb für Zählrohrimpulse, oder  :yahoo:
Gruß  Peter

opengeiger.de

Zitat von: NoLi am 08. Januar 2024, 22:17Andere Frage:
Stellt diese Kurve den Mittelwert aus einer repräsentativen Anzahl von 70031A-Zählrohren dar?

Norbert

Gegenfrage: Muss das BfS jedes 70031E Rohr bzw. jede der etwa 3000 ODL-Sonden für sich im Bestrahlungsbunker kalibrieren (oder gar eichen)? Und wie oft? Was glaubt ihr? :unknw:

Radiohörer

Zitat von: Peter-1 am 06. Januar 2024, 16:36Und wie ist das Zählrohr in den ODL Sonden eingebaut? Ich glaube die könnten auch aus Alu sein. ;)
...von den 113 die ich bis jetzt gefunden habe und den ~40, die ohne Zugangsbeschränkung in der Gegend stehen, waren alle aus lackiertem Alu.

Henri

Hallo!

Anscheinend besteht gerade bei einigen Leuten das große Bedürfnis, perfekte Elektronik zu entwickeln  :)
Ich finde das durchaus interessant mitzulesen.

Vielleicht ist am Ende ja noch genug Schwung vorhanden für ein zweites Projekt?

Treiber für Geiger-Müller Zählrohre gibt es ja bereits einige verfügbare, und der Theremino GA500 ist nun schon seit vielen Jahren durchgängig und zu einem günstigen Preis bei Ebay kaufbar.

Was aber noch fehlt, wäre ein entspechendes Pendant für Proportional-Zählrohre. Diese gibt es immer wieder surplus, in Form von Neutronen-Zählrohren oder alten Großflächen-ZR aus Monitoren zur Personenkontrolle. Außerdem haben hier ja schon Leute gezeigt, dass man defekte Großflächen-Zählrohre prima reparieren, und wahrscheinlich sogar mit vertretbarem Aufwand selber bauen kann.

Die Probleme mit der Kalibrierung, die sich bei der ODL-Messung auftun, hat man hierbei nicht, weil man sich einen genau definierten K-40 Kalibrierstrahler selber bauen kann. Dann hat man zwar noch nicht die Ansprechwahrscheinlichkeiten für andere Betastrahler, aber das sei erst mal geschenkt, weil man in der Mespraxis ja auch nicht immer weiß, was für ein Nuklid man vor sich hat.

Allerdings bestehen wegen der höheren Betriebsspannung in Verbindung mit den viel geringeren und zudem noch variierenden Signalamplituden deutlich höhere Anforderungen an die Elektronik.

Das wäre doch mal eine Herausforderung? Dann gäbe es aus der Community hier einen Treiber für Szintillatoren, einen für GM-Zählrohre und einen für Proportional-Zählrohre.

Wäre das nicht was?  ;)

Viele Grüße!

Henri

opengeiger.de

Zitat von: Peter-1 am 08. Januar 2024, 23:00Wir machen doch hoffentlich keinen Schönheitswettbewerb für Zählrohrimpulse, oder  :yahoo:

Doch, doch wir machen einen Schönheitswettbewerb um Zählpulse und ich werde Euch auch noch die Implementierung zeigen, die beste Chancen hat den Titel der Schönheitskönigin zu gewinnen  ;D  . Ich will damit aber auch zeigen, dass in der Messtechnik-Industrie nur mit Wasser gekocht wird.

Aber der Reihe nach, das beste Beispiel dafür ist die Automess Gammasonde aus dem Post von @DG0MG (@Na-22) https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php?msg=27060 . Das ruft Erinnerungen aus meiner "Jugend" wach. Da ist doch glatt ein 4011 als analoge Schaltung verwendet, du meine Güte! Der 4011 ist einer der ersten IC's die als CMOS Technologie auf den Markt kam und am Anfang als ungepufferte Schaltung, d.h. mit ,,nacktem" Inverter, der als reine Push-Pull Stufe mit einem PMOS als Pullup, einem NMOS als Pulldown und mit verbundenen Gates und Drains implementiert war. Und wenn man den Eingang auf den richtigen Arbeitspunkt brachte, konnte man das durchaus als analogen Verstärker verwenden. Das scheint mir hier beim Automess gemacht worden zu sein, ich werde es daher auch mal versuchen so zu simulieren, um zu sehen, wie ,,schön" die Impulse dann werden.

Dazu muss ich Euch nun ne kurze Anekdote aus meinem "ersten Leben" erzählen, das passt hier ganz gut an diese Stelle, zumal es hier ja einige Funkamateure gibt, die gern mit Hochspannungs-Röhren rummachen und bei einigen keV schon glänzende Augen bekommen.

Also, ich komme von der Ausbildung her aus der Halbleiterei und durfte den kometenhaften Aufstieg der CMOS-Technologie von der Picke auf erleben. Als wir begannen, die ersten Chipse in Baden-Wüttemberg zu fertigten, da gab es wohlgemerkt noch kein Internet, wir hatten eine VAX-750 als Zentralrechner und Terminals dazu und die CMOS-Technologie hatte anfangs 1um Strukturbreite. Wenn man den Wafer unter ein Lichtmikroskop legte, hatte man also noch eine Chance was zu sehen. Ich hatte mir damals ein Anwender-Buch zu der 40er CMOS-Serie gekauft, das war das CMOS-Kochbuch aus dem Jahr 1980, da ist die Implementierung eines 4011er Gatters auf dem Cover abgebildet. Ich hänge auch mal die 4011er Seite für den Chip aus der Automess-Sonde an. In den 80er Jahren war auch die Blüte des Kernforschungszentrum in Karlsruhe, aber auch wir in der Landeshauptstadt Stuttgart durften noch einigermaßen ungehindert mit ionisierender Strahlung forschen. Auch ich habe das getan, nur forschte ich daran, wie man solche CMOS ICs, wie den 4001, mit Betastrahlung debuggen konnte, wenn der Chipentwickler mal einen Fehler gemacht hatte, und nicht das am Ausgang rauskam, was er sich gedacht hatte. Schaltungssimulation mit Spice gabs schon damals, aber die Zahl der Knoten, die man simulieren konnte, war äußerst beschränkt und die Laufzeit einer Simulation war sehr lang, so dass der eine oder andere IC oder IC-Nachbau auch ohne große Simulation in die Fertigung ging. 

Wir hatten nun ein Philips Rasterelektronen Mikroskop, das wir umgebaut hatten. Das erzeugte Elektronen aus einer Wolfram-Kathode, also Betas, die auf 20keV beschleunigt wurden. Die Strahlung ist von der Energie her so etwa wie die Tritium-Strahlung, nur eben monoenergetisch und man sagte da ganz euphemistisch Elektronenstrahl dazu, wie bei der Bildröhre. Nur, dass ich ne Bestrahlungs-Kammer hatte, wo ich den Prüfling in den Strahl bringen konnte (bevor ich die Luft abgepumpte). Und als Prüflinge bevorzugte ich maximal einfache ICs wie den 4011er, wo ich noch wusste, was die einzelnen Transistoren in jedem Takt tun. Ist bei nem simplen digitalen Inverter ja auch recht einfach. Wir klebten die Chipse in ein Keramik Gehäuse ohne Deckel, und manchmal ätzten wir die Passivierung runter oder sagten den Technologen, dass sie erst gar keine draufmachen sollten, damit es die Elektronen nicht so schwer hatten, die Leitungen der Alu-Metallisierung zu erreichen. Der Szintillator des Detektors war ein dünnes Phosphor-beschichtetes Glasscheibchen, das mit einer Hülse auf einen Lichtleiter gedrückt wurde, der zum PMT ging. Da alle elektrischen Vorgänge im Chip streng periodisch abliefen, hatten wir einen Boxcar-Averager, der dann das Bildsignal einigermaßen rauschfrei lieferte. Der Strahl war natürlich stark fokussiert und ich hatte eine Strahlablenkeinheit zum Abrastern der Chip-Oberfläche aber was wir speziell noch dazu gebaut hatten, war eine schnelle elektrostatische Strahl-Austast-Einheit, die anders als der Wehnelt, den Strahl einfach zur Seite schwenkte. Und damit konnte ich nun Strahlpulse, wie mit einem Stroboskop erzeugen, was ich dann auf den Schaltungstakt synchronisiert hatte.

Ja, und damit hab ich dann gezielt und hemmungslos auf die Gatter-Strukturen auf den Chip gebruzzelt, so etwa wie der Nuklearmediziner mit dem Cyberknife auf einen Tumor bruzzelt, nur dass mein Strahlstrom im Mittel nur ein paar uA betrug. Der Primärstrahl erzeugte nun beim Auftreffen auf den Alu-Leitungen zwischen den Transistoren und Gattern Sekundär-Elektronen mit wenigen eV Energie. Deswegen war über dem Szintillatorscheibchen noch ein dünnes Gitter, um die Sekundärelektronen in Richtung Szintillator zu beschleunigen. Was nun passierte, wenn ich an den Chip Spannung und einen Takt an den Eingang anlegte, war, dass sich elektrische Felder um die Leitungen bildeten. Wenn eine Leitung ,,High" ging, also z.B. auf 10V (das geht noch bei der 40er Serie), dann war dieses Feld stärker als mein Saugfeld über dem Szintillator und die Sekundär-Elektronen machten eine Kehrtwende und fielen zurück auf die Leitung. Deswegen sah der Szintillator als an diesen Bildpunkten nichts und die Leitung wurde schwarz. Dort wo die Leitung aber auf ,,Low" ging, also 0V, da konnten die emittierten Sekundärelektronen ungehindert zum Szintillator beschleunigt werden und die Leitung wurde deswegen hell im Rasterbild. Damit konnte man also den Logikzustand des Inverters oder des Gatters mit den ,,super-soften" Sekundär-Betas abbilden, wobei die dann nur noch so etwa die Energie einer UV-Strahlung hatten.

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Zustand 1 (5V im Zentrum)

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Zustand 2 (Ground im Zentrum)


Aber der eigentliche Gag war dann das Stroboskop-Bild, so ähnlich wie in der Disco (heute ,,Club") . Wenn die schnelle Strahlaustastung nämlich schön mit dem Datentakt auf dem Chip synchronisiert war, dann konnte man mit der Phasenverschiebung z.B. ein Bitmuster langsam über einen Datenbus laufen lassen. So konnte man z.B. genau sehen, wann sich ein Timing-Fehler bei der Datenübernahme zwischen zwei Gattern einschleicht. Als Schmankerl hab ich Euch mal zwei ,,Sekundär-Strahlungs-Bilder" eines Gatters, das seinen Logik-Zustand wechselt, angehängt, und dann noch ein Video aus einem Chip, den wir für einen größeren Musikinstrumente-Hersteller in Baden-Württemberg für seine erste elektronische Orgel gebaut hatten. Es ist ein Ausschnitt aus dem Multipliziererfeld, welches den Sinus-Grundton mit den charakteristischen Oberwellen eines Musikinstruments z.B. einer Geige versieht. Diesen Chip habe ich dann auch mal mit den Betas aus der Bestrahlungs-Anlage schön im Takt der Musik bestrahlt, da sieht man dann ,,wie die Bits tanzen". Dazu habe ich ein kurzes Video (gezippt) angehängt. Damit wisst ihr nun also wie man ICs mit Beta-Strahlung debuggen kann. Heute gibt's diese Anlagen kommerziell zu kaufen und teilweise haben die dann auch noch einen zusätzlichen Ionenstrahl, damit kann man auch noch Leitungen auftrennen kann (ätzendes Gas) und Verbindungen zu anderen Leitungen herstellen kann (Aufsputtern) und das auch in die Tiefe nach Abtragen von Oxiden etc. Das ist also ein Anwendungsbeispiel von Betastrahlung oder netter ausgedrückt von Elektronenstrahlung in der Halbleiterei. So ganz nebenbei wegen dem 4011er aus meiner ,,Jugend". Und heute wird man für den Betrieb wohl einen Strahlenschutzbeauftragten und einen Strahlenschutzverantworlichen brauchen  ;)

Ich mach mich jetzt mal ans Simulieren dieses guten alten 4011er Chips. Heute gibt's den meines Wissens nur noch in der gepufferten B-Version, die man nicht mehr für analoge Zwecke missbrauchen kann.