Alterung Plastikszintillator

Begonnen von JanK, 29. April 2024, 14:26

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JanK

Hallo zusammen,

über Umwege sind bei mir drei Stückchen Plastikszintillator angekommen, ist wohl im Institutsmüll aufgefunden worden und eine nette Person hat dies für mich zur Seite gelegt. Technische Daten sind daher nicht zu bekommen, vorherige Nutzung auch nicht wirklich.

Ein Stück ist glasklar (Foto unten rechts), das andere ist sichtbar 'vergilbt' (Foto unten links und oben, gleiches Material).

Das Stück unten links war am grossen Stück oben dran, ich habe das mit einer scharfen Säge und mit Wasser als 'Schmiermittel' abgesägt und dann poliert und eingewickelt. Plastikszintillator lässt sich fürchterlich sägen, aber prima nass Schleifen und polieren.

Jetzt hoffe ich auf eure Antworten auf meine Fragen:

1. Woher kommt der Gelbstich? Unter UV-Licht leuchtet es wunderbar blau. Werden die so mit dem Alter? Kann man damit noch was machen? Hätte gerne ein Muon-Detektor damit gebaut...

2. Das Stückchen unten links war perfekt klar an allen polierten Seiten. Dann ein paar Stunden später fing die Oberfläche an Risse zu bekommen, das ging dann die ganze Nacht weiter, mittlerweile ist es nicht mehr schön (siehe Foto 2). Woher kommt das? Hatte Polierpaste mit 'Orangenöl' und Naphta für Acrylglas, eventuell war das zuviel für das Material?

Vielen Dank schonmal für eure Hilfe!

Viele Grüsse,

Jan


Kermit

Hallo von mir :)

Eine Frage, bist Du sicher, das es Szintillatoren sind und nicht was Anderes?

Die Größe könnte zwar zu den Großflächendetektoren passen, welche an Schrottplätzen und anderen Bereichen, wo man Fahrzeuge Kontrollieren möchte angebracht werden, die Rissbildung kenne ich aber aus einem anderen Bereich.

Plastwerkstoffe, die in Strahlungsfeldern mit hoher Intensität verwendet werden, beispielsweise zur Strahlabschwächung , Moderierung oder Patientenlagerung (Medizin) neigen zu einem derartigen Verhalten.

Die Plastwerkstoffe zeigen zwar diese Risse und Cracks, halten aber noch ziemlich lange "durch" und brechen nicht.

Das kuriose daran, der gleiche Werkstoff zeigt manchmal Risse und manchmal nicht. Da uns dieses Verhalten "irritiert" hat, haben wir lange recherchiert.

Soweit wir herausgefunden hatten, lag das daran, wie das Material im Herstellungsprozess in die Rohform bzw. Ausgangsform gebracht wurde. Gegossene Kunststoffe, also solche, die durch einen chemischen Prozess aushärten, zeigen die Risse selten bzw. nicht.
Werkstoffe, die aus kleinen Kügelchen oder Recycling Material unter Hitze und Druck zusammengefügt und gepresst werden, zeigen dieses Verhalten.
Eine Vergilbung der Kunststoffe tritt aber nach einer gewissen, allerdings hohen Dosis, immer auf.

Eventuell hilft Dir das ja weiter.

VG Kermit


JanK

Hallo Kermit,

vielen Dank für die schnelle Antwort! Das Material war mit Alufolie und schwarzem Kunstoff und Klebeband lichtdicht verpackt, naja, bis auf die Bruchstelle. Meine Vermutung ist, dass es ein Teil eines Muon-Veto Detektors war aber sicher bin ich da nicht. Für mich sieht das (vergilbte) Teil schon aus wie ein Szintillator, kräftiges Blau wenn mit UV Licht bestrahlt und die 'Verpackung' sprechen dafür. Allerdings kenne ich sowas auch nur in glasklar... Ein Muon-Veto Detektor bekommt ja jetzt auch nicht eine allzu hohe Dosis ab und Artikel über diese Art Strahlenschäden an Plastikszintillatoren habe ich auch nicht gefunden. Das was am besten passt ist evtl. dies hier: https://www.osti.gov/servlets/purl/1662050 Dort sieht man in Fig. 5 einen Szintillator mit Gelbstich. Das sind aber keine klassischen Plastikszintillatoren von Bicron oder Eljen die ich hier bei mir vermuten würde...
Um Acrylglas mit Strahlung so gelb zu bekommen muss man schon eine ordentliche Dosis haben, oder?

Die Frage am Ende ist einfach: Kann ich damit noch was machen?  ;D

Viele Grüsse,

Jan


Kermit

Zitat von: JanK am 29. April 2024, 15:22Die Frage am Ende ist einfach: Kann ich damit noch was machen?

Naja, ich würde einfach mal probieren  ;) , einen SiPM oder einen PMT dran, alles lichtdicht und "Strahlung darauf loslassen"  ;), sprich eine Strahlenquelle auf das Material legen.
Hier im Forum gibt es etliche Beispiele für einfache Schaltungen, sodass man das Signal am Oszi ansehen kann.

Oder, ein Stück davon unter ein Röntgengerät legen und aus sicherer Entfernung mal eine Durchleuchtung davon machen.
Durchleuchtung deshalb, weil ein Röntgenbild für die Bewertung des Szintillationseffektes zu kurz ist.

Die Dosen, bei denen Die Kunststoffe vergilben liegen typischerweise im kGy-Bereich, das schafft man aber bei technischen oder medizinischen Bestrahlungen  recht fix in ein paar Tagen oder wenigen Wochen.
Das Kuriose war eben, das es Bauteile gab, die die Vergilbung erst nach Jahren gezeigt haben und welche, die nach einem Monat so aussahen.

Und noch ein Zusatz: je nach Material können Kunststoffe die Vergilbung über die Jahre auf Grund der Veränderungen des Materials auch "allein" bekommen. Kunststoffchemie ist nicht ohne Grund ein eigenes großes Fachgebiet der Chemie  ;)

DL8BCN

Kann es denn auch sein, das solches Material durch die Bestrahlung aktiviert wird und selbst zum Strahler wird?
Oder ist das nur bei bestimmten Metallen der Fall?
Dann müsste man ja vorsichtig sein mit solchen Teilen...

JanK

Keine Sorge, alles was aus dem Gebäude raus geht ist mindestens drei Mal vom Strahlenschutz überprüft worden :-)

Kermit

Zitat von: DL8BCN am 29. April 2024, 18:38Kann es denn auch sein, das solches Material durch die Bestrahlung aktiviert wird und selbst zum Strahler wird?

Bei ausreichend hoher Energie der betreffenden Strahlung kann praktisch jedes Material aktiviert werden ;).

Das Stichwort dafür heißt "Kernphotoeffekt" ;). Ganz grob kann das ab einer Energie von 2MeV auftreten.

Allerdings ist auch eine bestimmte Intensität der Strahlung dafür erforderlich, ich denke, das ein Kunststoff-Szintillator nicht in diese Situation kommt.

Grüße kermit