KKW Lubmin

Begonnen von DL3HRT, 30. Dezember 2018, 19:45

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DL8BCN

Die sagen in dem Video was von einem Neutronendosimeter, was man in der Nähe der Castoren tragen muss.
Kann das mal jemand erklären, was es mit der Neutronenstrahlung auf sich hat?

etalon

Zitat von: DL8BCN am 30. August 2022, 15:13Die sagen in dem Video was von einem Neutronendosimeter, was man in der Nähe der Castoren tragen muss.
Kann das mal jemand erklären, was es mit der Neutronenstrahlung auf sich hat?


Die in den Castor-Behältern gelagerten BEs beinhalten teils recht langlebige Aktivierungsprodukte der Actiniden-Reihe (vor allem Pu, Am, Cm). Diese zerfallen oft mit nicht unerheblicher Wahrscheinlichkeit durch Spontanspaltung. Bei dieser Spontanspaltung werden, wie auch bei der induzierten Kernspaltung, zwei bis drei schnelle Spaltneutronen frei. Diese spalten nach Moderation zu einem gewissen Anteil auch wieder Spaltstoff, welcher ja auch noch in den BEs vorhanden ist, so dass es auch einen gewissen Vermehrungsfaktor ,,k" gibt, welcher Einfluss auf den Neutronenfluss hat. Dadurch entsteht die Neutronenstrahlung, welche zwar durch den Behälter recht gut abgeschirmt wird (es befinden sich auch Neutronenabsorber in der Wandung), aber eben nicht zu 100%. Diese Reststrahlung muss dann mittels Dosimetern bilanziert werden, da Neutronen je nach Energiespektrum einen nicht unerheblichen Anteil zur Dosisbelastung beitragen.

Bei Behältern mit abgebrannten MOX-Elementen kann die Neutronendosisleistung außen am Behälter sogar deutlich höher als die gemessene Gammadosisleistung sein. Daher die Notwendigkeit zur Neutronendosimetrie an Castor-Behältern...

Grüße Markus

DL8BCN

Danke Markus für deine gute Erklärung!
Weißt du, wie das technisch geht, Neutronen zu detektieren.
Stelle ich mir nicht so einfach vor.

etalon

Zitat von: DL8BCN am 31. August 2022, 08:24Danke Markus für deine gute Erklärung!
Weißt du, wie das technisch geht, Neutronen zu detektieren.
Stelle ich mir nicht so einfach vor.


Dazu werden mehrere unterschiedliche Verfahren verwendet, je nach Energiespektrum der Neutronen und je nach Neutronenfluss, der gemessen werden soll.

Für schnelle Neutronen werden oft SPN-Detektoren verwendet, seltener Spallationsdetektoren.

Thermische Neutronen werden meistens in Spaltkammern oder BF3-Zählrohren gemessen. Da BF3 sehr giftig ist, wird es vor allem in mobilen Messgeräten heute gerne durch He3-Zählrohre ersetzt.

Für die Personendosimetrie werden Albedodosimeter auf Grundlage von Thermolumineszenzdosimetern verwendet, oder/und elektronische Dosimeter auf Halbleiterbasis.

Allen Detektoren gemein ist, dass nicht die Neutronen selbst gemessen werden, sondern erst deren Folgeteilchen nach einer entsprechenden Kernreaktion. Das kann z.B. Bei B10 die Reaktion B10+n -> B11 -> Alpha+Li7 sein. Dann wird das Alphateilchen in der Regel in einem Proportionalzählrohr oder in einer I-Kammer gemessen. Alternativ für He3: He3+n -> H3+p. Das Proton kann dann wieder Messtechnisch nachgewiesen werden. Diese Kernreaktionen beziehen sich auf thermische Neutronen. Schnelle und epithermische Neutronen müssen also vor der Detektion erst geeignet moderiert werden, oder andere Messverfahren zur Anwendung kommen...

Im Einzelnen könnte man dazu sehr viel schreiben, füllen doch andere ganze Bücher damit. Wenn man es genau machen will und quantitativ messen will, dann ist die Messung von Neutronen recht schwierig. Wenn es nur darum geht, mal ein, zwei Impulse nachzuweisen, dann ist das eher überschaubar, wenn auch für den Hobbymessenden nicht ganz trivial. Die entsprechenden Detektoren lassen sich nicht so ohne weiteres selbst herstellen. Es gibt auch noch ein paar neutronenempfindliche Szintillatoren, allerdings sind die vom Szintillationsverhalten und den Wirkungsgraden nicht so dolle und in der Anwendung eher kompliziert im Vergleich zu anderen Nachweisverfahren. Vielleicht haben sie sich deshalb auch nicht so weitverbreitet durchgesetzt...

Grüße Markus

DL8BCN

Ok Markus, hatte ich mir schon gedacht, daß das ein ganz spezielles Thema ist.Bei Wikipedia stehen ja auch einige Infos dazu.
Ist auf jeden Fall auch interessant, daß die Neutronen nicht direkt nachgewiesen werden können.
Ich hatte schon so etwas vermutet.
Neutrale Teilchen wechselwirken ja nicht wirklich mit anderer Materie.

Henri

Zitat von: DL8BCN am 31. August 2022, 18:43Neutrale Teilchen wechselwirken ja nicht wirklich mit anderer Materie.


Es gibt ja auch ein paar "Verrückte", die Kernfusion im Hobbykeller betreiben. Dass es funktioniert, merken sie daran, dass Neutronen entstehen. Es gibt ein ziemlich spannendes Forum mit eigener Rubrik hierfür:

https://fusor.net/board/

Die einfachsten Ansätze sind, durch die Neutronen Materialien mit einem hohen Einfangquerschnitt zu aktivieren und die Aktivierung (das Aktivierungsprodukt sollte eine möglichst kurze Halbwertszeit haben) dann mit einem regulären Geigerzähler nachzuweisen. Da diesem Hobby wohl zum großen Teil bei den Amerikanern nachgegangen wird, können die einfach einen Silberdollar nehmen, da Silber sich gut eignet.

Beliebt, aber teuer und nicht allzu lange haltbar sind dort auch die sogenannten "Bubble Detectors": ein Reagenzglas mit einem speziellen Gel, in dem die Neutronen zu Blasenbildung führen, welche man dann auszählen kann.

Es lohnt sich jedenfalls, mal im Fusor-Forum zu stöbern, wenn Dich das Thema interessiert.

Viele Grüße!

Henri


DL8BCN

Hallo Henri, danke für die Info.
Eigentlich interessieren mich so ziemlich alle Themen der Wissenschaft.
Wenn es etwas "verrückt" ist, wird es natürlich noch interessanter :D

DL3HRT

ZitatIn einem anderen Forum habe ich auf meine Anfrage bzgl. des in der DDR im Aufbau befindlichen "Warnsystems bei Unfällen mit Kernenergie" den Hinweis bekommen, dass es im Umfeld des des KKW Lubmins mehrere Messstellen gibt/gab, die ein Umweltmonitoring machten. Es handelt sich um kleine Grundstücke (einige qm) direkt an der Straße, eingezäunt mit Maschendraht und Stacheldraht ("DDR-isch" und "militärisch" aussehend), darin ein Elt-Übergabepunkt und ein Sockel aus zwei Eisenträgern, auf dem ein kleiner Container mit einer "Esse" steht. In Google-Earth habe ich 3 Punkte gefunden:

    westl. Rubenow: 54.099890° 13.695756°
    nördl. Pritzwald: 54.102885° 13.659738°
    östlich des KKW: 54.136861° 13.675807°

Kommendes Wochenende sind wir in Wolgast. Da werde ich die angegebenen Koordinaten anfahren.

Ich habe eine interessante Bemerkung zum "Warnsystem bei Unfällen mit Kernenergie" in der DDR gefunden. Offensichtlich lief das ab 1986 über das Datennetz der NVA (= Nationale Volksarmee) mit einer Datenrate von 2,4 kBit/s. Die Deutsche Post in der DDR war damals nicht dazu in der Lage.

Nachzulesen auf Seite 24 in folgendem Dokument: https://www.898vbdbat.nl/index_html_files/Geschichte%20der%20Nationalen%20Volksarmee_%20Walter%20Paduch_2001.pdf

DG0MG

Zusätzlich auch noch auf den Seiten 52 und 87:

"2.Halbjahr 1986: Sicherstellung von Modem-Verbindungen mit 2,4 kBit/s für Beobachtungs-
/Meßstellen im "Warnsystem bei Unfällen mit Kernenergie" über das Sondernetz 1
"

"2.1. Leistungsmerkmale/Betriebsparameter
Das Netz gewährleistet:
- Fernsprechverbindungen im Bereich 0,3..3,4 kHz mit automatischer Vierdrahtdurchschaltung;
- Faksimile und langsame Datenfernübertragung bis 2,4 kBit/s mit Modems (ausgenutzt nach der
TSCHERNOBYL-Katastrophe ab Mitte 1986 für das internationale "Warnsystem bei Unfällen
mit Kernenergie");
"

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Nur noch zur Einordnung des Autors: Walter Paduch war im Rang eines Generalleutnants "Chef Nachrichten" der NVA, insofern also ein Insider.

DL3HRT

ZitatIn einem anderen Forum habe ich auf meine Anfrage bzgl. des in der DDR im Aufbau befindlichen "Warnsystems bei Unfällen mit Kernenergie" den Hinweis bekommen, dass es im Umfeld des des KKW Lubmins mehrere Messstellen gibt/gab, die ein Umweltmonitoring machten. Es handelt sich um kleine Grundstücke (einige qm) direkt an der Straße, eingezäunt mit Maschendraht und Stacheldraht ("DDR-isch" und "militärisch" aussehend), darin ein Elt-Übergabepunkt und ein Sockel aus zwei Eisenträgern, auf dem ein kleiner Container mit einer "Esse" steht. In Google-Earth habe ich 3 Punkte gefunden:

    westl. Rubenow: 54.099890° 13.695756°
    nördl. Pritzwald: 54.102885° 13.659738°
    östlich des KKW: 54.136861° 13.675807°

Wir haben gestern eine Exkursion zu den drei angegebenen Orten gemacht.

Angefangen haben wir in Rubenow. Die Messstation dort sieht noch am authentischsten aus. Das betrifft sowohl den originalen Zaun, als auch den Messcontainer und auch die Schalttafeln. Auf jeden Fall scheint die Installation auch noch als Messstation zu dienen.

Weiß jemand, wozu die grüne Dose mit der Aufschrift "Behördliche Umweltmessung" und der Telefonnummer dient? Radon? Auch die schräge Sonde daneben kann ich nicht zuordnen.




DL3HRT

Am Standort Pritzwalk kann man den Messcontainer noch eindeutig identifizieren. Ansonsten wurde alles komplett überarbeitet, incl. Zaun. Der Messcontainer hat auch einen neuen Anstrich bekommen. Der große Kasten vor dem Messcontainer könnte ein Trafo für den Ort sein?

Externe Sensoren konnte ich nicht feststellen. In den Messcontainer laufen einige Kabel bzw. Rohre. Möglicherweise ist die Messeinrichtung noch in Betrieb. Der Telekom-Kasten außerhalb das Zauns deutet auf einen Internetanschluss hin. Vielleicht sind die beiden Antenne ein Hinweis darauf, dass es im Ort Kabelfernsehen gibt, welches von dieser Station eingespeist wird?

Ich konnte nirgends eine Beschriftung mit Hinweis auf den Betreiber der Installation finden.

DL3HRT

Am Standort Lubmin deutet nichts mehr auf eine ehemalige Messstation hin. Entweder gab es dort keine oder sie wurde abgerissen und durch einen großen Trafo ersetzt.

Das ehemalige KKW Lubmin ist immer noch eine Großbaustelle und wird es noch lange sein.

DG0MG

Danke fürs Vorbeifahren und den Bericht!

Zu Rubenow:
Die grüne Büchse: Wenns hier bei uns wäre, würde ich ja auf eine Radonmessung mit Kernspurexposimeter tippen, aber das wirds dort wohl nicht sein. Schade, dass man das Schild an dem umgefallenen Erdspieß (der vielleicht demselben Zweck wie das grüne Dingsbums hatte) nicht lesen kann, mMn steht da was von Kombinat Leuschner drauf?

Zu Pritzwalk:
an Trafostationen steht normalerweise der betreiber als Ansprechpartner im Störungsfall und eigentlich auch Hochspannungspfeile. Vielleicht ist in den Schränken doch eher Die Technik einer Kabelfernseh-Kopfstation? Aber die eine Schüssel+Radioantenne erscheint mir dafür auch wieder etwas wenig.

Lubmin:
Der Container sieht aber wichtig aus. Nato-Stacheldraht über dem Zaun und eine drehbare Kamera dran - was da wohl drin ist? Mir ist jetzt nicht klar, ob die Tür an dem Container ist. IBERDROLA ist tatsächlich ein Anbieter für "grünen" Strom.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Lubmin:
Ja, die Tür ist am Container. Scheint also eine Trafostation zu sein. Ist doch gut, wenn das KKW mit grünem Strom zurückgebaut wird.  ;)