Leckere Pfifferlinge

Begonnen von opengeiger.de, 07. November 2021, 17:20

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opengeiger.de

Ich mag für mein Leben gern Tagliatelle mit Pfifferlingen :sarcastic_blum:. Doch man hört immer wieder, dass ein Hauptproblem mit den Pfifferlingen ist, dass Supermärkte und Discounter superbillig in Weißrussland einkaufen um dann ihre eigene Verpackung drum rum zu machen und sie mit ordentlich Gewinn so weiter zu verkaufen. Nur ganz gelegentlich gibt es wohl Stichproben ob die 600Bq/kg auch eingehalten werden :wacko2:.

Zur diesjährigen Pilzsaison hab ich mich also zu einem Test durchgerungen, so ganz entgegen des Sprichworts, das mir bisher immer geholfen hat: ,,Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß". Das Ergebnis war grausam :o.

Ich bin also am Samstag zu meinem Lieblingssupermarkt und hab aus dem Tiefkühlschrank 600g Pfifferlinge gekauft für 8Euro. Wie erwartet gab es keinerlei Herkunftsangabe auf der Verpackung. Dann bin ich auf unseren Wochenmarkt und hab dort bei meinem Lieblingsbauern gefragt, wo seine Pfifferlinge her sind, und nach dem die Verkäuferin nach etwas Zögern sagte ,,aus dem Bayerischen" habe ich nochmal 500g Pfifferlinge frisch gekauft, diesmal für 13Euro.

Zu Hause angekommen hab ich die Pfifferlinge auf einem Backpapier im Backblech in den Heißluftherd gesteckt und hab sie bei 250°C über zwei Stunden ,,verkokeln" lassen (siehe Bild). Danach hatten sie nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Volumens, waren wasserfrei und haben bequem in die Messkammer der Bleiburg gepasst. Im Nachhinein muss ich sagen, hätten 200°C bestimmt auch gereicht und ein reines vertrocknen lassen über 1 Stunde wäre wohl ausreichend gewesen. Es hätte dann auch bestimmt nicht so streng gerochen in der Küche danach :heat:.

Das Messergebnis war allerdings so deutlich, dass leichte Variationen in der Methodik des Kompaktierens wohl egal sind. Was aber schockierend war: Die Pfifferlinge aus dem Supermarkt waren grob gesagt ,,clean". Die vom Bauern mit regionalem Angebot hatten dagegen einen astreinen Cäsium Peak. Man muss also nicht erst nach Karlsruhe an den Hirschgraben fahren um zu einem Cäsium-Prüfstrahler zu kommen. Der Wochenmarkt tuts auch. Allerdings eignet sich die Erde vom Hirschgraben nun sehr vorteilhaft als Aktivitäts-Referenz. Wir wissen ja, dass in 1kg Hirschgraben-Erde 3800Bq vom Cäsium stammen. Das hat uns das akkreditierte Labor vom KIT nachgemessen. Leg ich dieses Kilo unter gleichen Bedingungen wie die Pilze in die Messkammer, dann seh ich 2.2cps (max) für die Cs137 Linie. Das halbe Kilo Pfifferlinge vom Markt bringt es dagegen auf 0.85cps (siehe Bilder), also sind das doch 1.7cps fürs kg, oder nicht? Mit nem Dreisatz komm ich so auf 2936Bq/kg für die Pfifferlinge. Hab ich mich jetzt verrechnet :umnik2:  Autsch!!! Also doch ,,ein wenig mehr" als was erlaubt ist (600Bq/kg) :vava:?

Oder sind die Pfifferlinge vom Wochenmarkt vielleicht doch nicht aus Bayern???  Mich beschleicht eine dumpfe Ahnung warum die Verkäuferin bei ihrer Antwort so gezögert hat. Auf dem Preisschild am Spankörbchen stand jedenfalls keine Herkunftsbezeichnung. Nur 2.60Euro stand drauf. Tja und der Supermarkt? Für 1.33Euro/kg wohl doch ganz gute Ware. Das hätt ich jetzt echt nicht gedacht. Es wird wohl ne Weile dauern, bis ich mal wieder Tagliatelle mit Pfifferlingen wirklich genießen kann. :unknw: Aber vielleicht ists doch ganz gut zu wissen. War das jetzt ein Zufallstreffer? Hat nicht jemand Lust ein vergleichbares Experiment zu machen :good2:?

NoLi

Zitat von: opengeiger.de am 07. November 2021, 17:20
...Wir wissen ja, dass in 1kg Hirschgraben-Erde 3800Bq vom Cäsium stammen. Das hat uns das akkreditierte Labor vom KIT nachgemessen. Leg ich dieses Kilo unter gleichen Bedingungen wie die Pilze in die Messkammer, dann seh ich 2.2cps (max) für die Cs137 Linie. Das halbe Kilo Pfifferlinge vom Markt bringt es dagegen auf 0.85cps (siehe Bilder), also sind das doch 1.7cps fürs kg, oder nicht? Mit nem Dreisatz komm ich so auf 2936Bq/kg für die Pfifferlinge. Hab ich mich jetzt verrechnet :umnik2:  Autsch!!! Also doch ,,ein wenig mehr" als was erlaubt ist (600Bq/kg) :vava:? ...
Wie hast Du denn den Dichte- und Volumenunterschied zwischen Pilze und Erde korrigiert bzw. berücksichtigt?

Gruß
Norbert

opengeiger.de

Wie,außer bezüglich der Selbstabschirmung, würde sich unterschiedliche Dichte auswirken, wenn ich beides Mal eine vergleichbare Masse anschaue? 1kg Pilze gegen 1kg Erde? Meinst Du das ist von der Dichte so schlimm wie Blei gegen Kohlenstoff?

NoLi

Zitat von: opengeiger.de am 07. November 2021, 17:54
Wie,außer bezüglich der Selbstabschirmung, würde sich unterschiedliche Dichte auswirken, wenn ich beides Mal eine vergleichbare Masse anschaue? 1kg Pilze gegen 1kg Erde? Meinst Du das ist von der Dichte so schlimm wie Blei gegen Kohlenstoff?
Ich habe es so verstanden, dass Du den Messwert von 500g Pilze auf 1000g hochgerechnet und mit 1000g Erde verglichen hast.
Die gemessenen 500g Pilze haben aber ein anderes Volumen wie 1000g Erde, selbst bei gleichen Volumina ergeben sich deutliche Dichteunterschiede beider Proben, so dass die Selbstabsorption von Photonen in der Erdprobe höher ist als in der Pilzprobe, bei direktem Aktivitätsvergleich die Aktivität der Pilzprobe überschätzt wird (um wieviel, sei mal dahingestellt).
Ferner würde eine Verdoppelung des Probengewichtes nicht automatisch die doppelte Zählrate bringen, weil sich hier durch das vergrößerte Volumen die Efficiency des Detektor verschlechtert.

Norbert

opengeiger.de

Richtig, ganz exakt wird es nicht sein. Nur wenn man mal überlegt aus was getrockenete Erde besteht, dann wird der Kohlenstoffgehalt doch relativ hoch sein. Was einen Dichteunterschied hervorrufen könnte ist dann noch der Sandanteil in der Erde. Aber ich weiß jetzt nicht ob der im Böschungsbereich des Hirschgrabens so hoch ist. Aber ja, Du hast recht, wenn man es genau haben will, dann sollte man so eine Probe einschicken. Aber ich schätz mal so ganz daneben wirds auch nicht sein. Es geht auch einfach darum, dass die Globalisierung dazu führen kann, dass bei uns auch heute noch was auf "regionalen" Märkten verkauft wird, was unter Umständen ganz aus der Nähe eines havarierten Kraftwerks stammt und daher immer noch die Grenzwerte reisst. Offensichtlich, und das kann man auch in den Medien lesen, sind die Kontrollen nicht gerade engmaschig. Siehe auch: http://www.umweltinstitut.org/aktuelle-meldungen/meldungen/2019/atom/radioaktivitaet-in-import-pfifferlingen.html :-\

NoLi

Richtig, die errechnete Abweichung der spezifischen Aktivität dieser Pilzprobe wird nicht "enorm" sein. :)
Aber, wie Du schon erwähnst, ist es eine Sauerei, was aus Profit"optimierungen" (Pfifferlinge aus Belarus sind nun mal sehr günstig) der Großmarkthändler dem Endkunden zugemutet wird!!
Großhandelsketten beauftragen große chemische Labore, um schon vor Ort (!) und auch nach dem Import entsprechende Untersuchungen auf Schadstoffe durchzuführen, bevor die Ware an die Filialen geht. Ich kenne zufällig den Inhaber eines dieser Labore (im Fränkischen) sehr gut, das u.a für eine große deutsche Handelkette analysiert.

Aber dies erinnert mich an die Zeit ab dem 5. Mai 1986, als bei uns "das große Messen" auf den Großmärkten (bei der Ausfahrt!?) begann. Die Polizei und der Wirtschaftskontrolldienst waren zugegen, um den Abtransport von kontaminierten Waren zum Weiterverkauf durch Beschlagnahme zu verhindern. Heimisches Freilandgemüse war durchweg kontaminiert und kam in den Großabfallcontainer, Treibhausgemüse war sauber und durfte passieren. Am nächsten Tag war auf jeder Gemüsesteige ein Zettel "TREIBHAUSGEMÜSE" angebracht, die Kontaminationsmessgeräte sprachen aber bei vielen Steigen dennoch mit Werten > Background an... 8)

Gruß
Norbert

wrdmstr inc.

schönes experiment, der unterschied ist ja mehr als deutlich..den geruch in der küche haste aber jetzt länger oder?  8)

Henri

Hmmm am Donnerstag ist hier in der Gegend ein "regionaler Markt", ich werde mal schauen, ob es dort Pfifferlinge gibt. Allerdings kann die Analyse ein wenig dauern, ich werde sie nämlich schön auf eine Leine aufziehen und trocknen. Und egal wie das Ergebnis aussieht, mir danach damit ne leckere Pilzpfanne kochen und nicht so eine Kokelei veranstalten wie Du mit Deinen 250°  :heat: . Ich mache einfach einen großen Löffel Preußischblau in die Soße, und alles ist gut  :bad:

opengeiger.de

Gute Idee, dann kannste am nächsten Tag auch noch ne Urin- und Stuhlprobe messen!  :D

Janni

Echt interessant. Ich hätte ja nicht gedacht dass das Ergebnis so deutlich ist.  :o

Janni

Zitat von: opengeiger.de am 08. November 2021, 07:11
Gute Idee, dann kannste am nächsten Tag auch noch ne Urin- und Stuhlprobe messen!  :D

Immer interessant. Ich hab mal die Äpfel gegessen die in Tschernobyl wachsen und war dann ganz gespannt auf die Messung der Urinprobe. Hab darin dann aber (zum Glück) kein Cäsium gefunden.  :D

Nicht dass ihr jetzt denkt ich bin irgendwie bekloppt, aber die Neugier war halt zu groß und die Äpfel waren auch ganz lecker.  :D :D :D

DL3HRT

ZitatImmer interessant. Ich hab mal die Äpfel gegessen die in Tschernobyl wachsen und war dann ganz gespannt auf die Messung der Urinprobe. Hab darin dann aber (zum Glück) kein Cäsium gefunden.
Hast du auch die Äpfel gemessen, ob überhaupt Cäsium drin war?

Janni

Nee, hab keinen Apfel direkt gemessen. Da war in der ganzen Gegend leicht erhöhte Strahlung wo die wachsen und da ist ja immer Cäsium zu messen. Ob es jetzt direkt vom Apfel kam weiß ich aber nicht. Dafür hätte mit dem Apfel erstmal ganz woanders hingehen müssen und dafür war in der Situation gerade keine Zeit...  ;) :D

NoLi

Zitat von: Henri am 07. November 2021, 22:45
Hmmm am Donnerstag ist hier in der Gegend ein "regionaler Markt", ich werde mal schauen, ob es dort Pfifferlinge gibt. Allerdings kann die Analyse ein wenig dauern, ich werde sie nämlich schön auf eine Leine aufziehen und trocknen. Und egal wie das Ergebnis aussieht, mir danach damit ne leckere Pilzpfanne kochen und nicht so eine Kokelei veranstalten wie Du mit Deinen 250°  :heat: . Ich mache einfach einen großen Löffel Preußischblau in die Soße, und alles ist gut  :bad:

Zitat von: opengeiger.de am 08. November 2021, 07:11
Gute Idee, dann kannste am nächsten Tag auch noch ne Urin- und Stuhlprobe messen!  :D
Aber letztere bitte auf der Leine getrocknet!! :D

Gruß
Norbert

NoLi

Wenn ihr die Lebensmittelproben püriert, damit sie nahezu die Dichte von 1 g/cm³ aufweisen, und diese Matsche in einen Marinelli-Becher gebt, könnt ihr eure Messanordnung mit so einer Referenzquelle kalibrieren:

https://www.leybold-shop.de/physik/geraete/atom-und-kernphysik/radioaktivitaet/praeparate/559885.html

https://www.medeo.ch/view/data/6393/8.%20ISO%20products%20for%20education%20and%20training.pdf (Seite 7 pdf, nummeriert als 131).

Diese Kalibrierquelle hat eine Nominalaktivität Cs-137 von 5 kBq und liegt somit unterhalb der Freigrenze, gilt rechtlich nicht als radioaktiver Stoff.

Praktische Anwendung: https://www.ld-didactic.de/documents/de-DE/EXP/P/P6/P6554cld.pdf?__hstc=162901667.51e538ddb25cbb6253d4a729dac8b854.1636365656612.1636365656612.1636368468703.2&__hssc=162901667.1.1636368468703&__hsfp=3662856533&_ga=2.149659766.1747374272.1636365654-2001168658.1636365654
Dabei ist zu beachten, dass das Kalium-40 im Kaliumchlorid bei der Energiekalibrierung und Aktivitätsbestimmung nur in 10,5% aller Zerfälle ein Photon emittiert.


Ferner gibt es bei Eckert + Ziegler auch eine Dichte-/Zusammensetzungs-Korrektursoftware "Gamatool" (siehe 5.11, Seite 85):

https://www.ezag.com/fileadmin/ezag/user-uploads/isotopes/isotopes/Isotrak/isotrak-pdf/Product_literature/EZN/05_section_05_geometry_reference_sources_Update_Nov_19.pdf

Gruß
Norbert