Smartphone als Geigerzähler: Die App "radioactivity counter"

Begonnen von DG0MG, 12. April 2019, 18:02

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

DG0MG

Ich bin schon häufiger drüber gestolpert, kann das aber nicht selbst testen, da ich ein nahezu antikes Handy besitze, mit dem ich (nur) Telefonieren kann.



Aber für alle Smartphonebesitzer:

Die CMOS-Kameras in den Handys sind so empfindlich, dass man mit ihnen Beta- und Gamma-Strahlung detektieren kann. Und das sogar im "erträglichen" Dosisleistungsbereich, nur wenig über der Hintergrundstrahlung. Dazu muss die Kameralinse vollkommen lichtdicht zugeklebt werden, die App "radioactivity counter" wertet dann das 'Bildrauschen' bzw. die 'bunten Pixel' der Kamera aus, wie man sie auch auf Videoaufnahmen aus dem Inneren des Tschernobyl-Reaktors kennt - nur eben entsprechend weniger.

Die App gibts für 3,49 EUR im Google Play-Store:


Dass das nicht etwa vollkommener Geigel ist (wie man im ersten Moment denken könnte), sieht man an den Kommentaren, die es lohnen, mal überflogen zu werden. Natürlich kann die App aber kein richtiges Messgerät ersetzen. Man muss auf jeden Fall länger warten, bis ein annehmbares Ergebnis vorliegt.

Weitere Infos zur App auf der Seite des Programmierers Rolf-Dieter Klein:


Da in den Handys verschiedene Kameras verbaut sind, gibt es offenbar auch starke Schwankungen in der Empfindlichkeit, manche Handys sind gut geeignet, manche gar nicht: Liste.

Bionerd23 stellt hier die App "radioactivity counter" vor:



Rolf-Dieter ist btw auch Funkamateur: DM7RDK
Sein Name hat mir erst nichts gesagt, aber als ich auf seiner Webseite ein Bild von ihm gesehen habe, dachte ich: "den kenn ich doch, woher nur?". Er hat in den 80er Jahren im Bayerischen Rundfunk (für uns dem damaligen "dritten West-Programm") in der Sendung "ComputerTreff" einen Selbstbaucomputer vorgestellt. Ich hatte 1988 meinen ersten Z1013, vorher hat man solche Sendungen natürlich verschlungen.

So sieht eine Handy- oder GoPro-Kamera 10 Sv/h Dosisleistung:



Wer mit seinem Portabeltelefon etwas weniger unmodern, als ich ist, kann die App ja mal mit Uranglas (Beta), Glühstrümpfen, Schweißelektroden, Pechblende, Uhrenleuchtzeigern oder an den bekannten Plätzen testen und natürlich hier berichten.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

Hiervon kommt wahrscheinlich die Aussage "Pilze messen".

Auweia, das ist ja ein ganz schön "harter Fall" von Pilz:



Ich hatte da mehr so an "1 kg Pilze sammeln, putzen, trocknen, pulverisieren und hinter dicker Bleiabschirmung >10 Minuten messen" gedacht ..
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Das ist ein sogenannter "Atompilz"  :) Ich halte das entweder für einen Fake oder der Pilz wächst zufällig auf einem Hotspot. Entweder ist das Video bewusst so gemacht oder die Ergebnisse wurde sehr unkritisch betrachtet.

Ich weiß, wovon ich schreibe, habe ich doch schon einige Pilzproben im Gammaspektrometer vermessen. Da waren auch belastete Proben aus Bayern dabei. Alle Proben waren getrocknet, hatten also die in etwa 10fache Aktivität bezogen auf die Frischmasse. Die benötigten Messzeiten für eine saubere Auswertung waren beträchtlich.

Dass ein Pilz die im Video gezeigte Cs-137 Aktivität anreichert halte ich für unrealistisch.






DL3HRT

Hier ein Spektrum von getrockneten und pulverisierten Mischpilzen aus der Gegend um Haibühl. Man sieht die Hintergrundstrahlung als graue Linie und die durch ein Labor vermessene Referenzprobe als rote Linie. Für die Pilzprobe (grüne Linie) habe ich eine Aktivität von 1570 Bq/kg in Trockenmasse bestimmt. Das entspricht in etwa 160 Bq/kg in Frischmasse, liegt also noch deutlich unter dem Grenzwert. Dennoch ist das Cäsium-137 eindeutig zu erkennen. Außerdem auch die leicht erhöhte Kalium-40 Strahlung durch den Kaliumgehalt der Pilze. Die Messzeit betrug 3 Stunden.

DG0MG

Hier macht noch jemand systematische Versuche mit der App:

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

ABel

Hallo,

ich hab Mal 3,49 € in die App investiert. Mein Messaufbau ist im Bild zu sehen. So habe ich gemessen:
von 11:50 - 12:40 Hintergrund
von 12:40 - 13:30 Müllers Pottasch Beutel
von 13:30 - 17:00 Hintergrund
von 17:00 - 18:00 meinen Quantum Pendant Teststrahler (https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,101.msg17704.html#msg17704)
Die Ergebnisse mit dem GammaScout (2023_02_14 Vergleichsmessungen App.pdf) sind wie erwartet, in denen aus der App finde ich dazu keine Entsprechung?!

Es sind zwar 2 Log-Files aus der App, ich habe aber die Kalibrierung nicht verändert.

Hintergrund: GammaScout 18,60 cpm (0,310 cps), App 37,27 (ab 11:50) bzw. 12,81 cpm (ab 13:30)
Pottasche: GammaScout 28,02 cpm (0,453 cps), App 42,09 cpm
Quantum: GammaScout 43,86 cpm (0,731 cps) (Filterstellung: β + γ), App 20,46 cpm

Die Pottasche ist für die App also aktiver als der Quantum Teststrahler?!

Hat Jemand hier Erfahrung mit der App?
Ist der automatischen Kallibrierung zu trauen, oder sollte sie mit den manuellen Einstellungen übersteuert werden?

Mir ist auch unklar was mir die Spalten "cpm n+1" und "cpm n+2" sagen sollen. Können das überhaupt Pulsraten sein, müssten das nicht nur Counts innerhalb der 61 Sekunden Messzeit (wieso eigentlich 61 und nicht 60) sein?

Auch die Justierkurve gibt mir Rätzel auf.

Gruß Andreas

DG0MG

Zitat von: ABel am 15. Februar 2023, 12:12Hat Jemand hier Erfahrung mit der App?

Mit welcher App denn, wie heisst die genau?
Und wie misst die? mit einem Sensor oder der zugeklebten Kamera?
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

ABel

Das ist diese hier: https://play.google.com/store/apps/details?id=com.rdklein.radioactivity
von Rolf-Dieter Klein. Das ist der mit dem NDR-Klein-Computer auf Z80 Basis (https://de.wikipedia.org/wiki/NDR-Klein-Computer). Siehe auch http://hotray-data.de

Die Smartphone-Kamera muss zugeklebt werden.

Gruß Andreas

Henri

Zitat von: ABel am 15. Februar 2023, 20:54Das ist diese hier: https://play.google.com/store/apps/details?id=com.rdklein.radioactivity
von Rolf-Dieter Klein. Das ist der mit dem NDR-Klein-Computer auf Z80 Basis (https://de.wikipedia.org/wiki/NDR-Klein-Computer). Siehe auch http://hotray-data.de

Die Smartphone-Kamera muss zugeklebt werden.

Gruß Andreas

Hallo Andreas,

wie ja auch auf der App-Seite steht, gibt es Telefone, auf denen es sehr gut funktioniert, und andere, wo es weniger gut geht. Was steht denn bei Deinem Modell in der Liste?

Außerdem ist so ein Kamera-Sensor doch reichlich unempfindlich. Die App ist nur etwas für höhere Dosisleistungen, bei so geringen wie einer Pottaschetüte oder einem schamanischen Amulett wird das Ergebnis sehr ungenau sein. Aus einem Pixelblitz alle 10 Minuten wird man kaum etwas errechnen können, wobei die Bildpixel sicherlich auch ohne Strahlung ein gewisses "Rauschen" haben werden.

Viele Grüße!

Henri

Raddet

Erst heute habe ich ein Experiment gemacht - ich habe die Kamera meines Handys mit Aluklebeband abgedichtet und meine neue "mächtige" Testquelle dagegen gelehnt. Es gab keine Reaktion auf dem Bildschirm, und es erschienen keine Punktblitze darauf.

Aber bei meinem alten, alten Laptop reichte es aus, eine Quelle mit einer Leistung von nur 10 uSv auf die eingebaute Webcam zu bringen, und das gesamte Feld war mit zahlreichen Punktblitzen bedeckt. Und das Bild wurde so, als ob man im Inneren des Reaktors gedreht hätte.

Bei modernen Kameras stimmt jetzt eindeutig etwas nicht, was die Erfassung ionisierender Strahlung betrifft.

ABel

Ich hab hier ein Xiaomi Poco F3 (steht leider nicht in der Liste). Die Kamera sollte ein Sony IMX582 mit 48MP sein. Die macht mit der App 30 fps. Die Frontkamera muss ich erst noch austesten (sollte Samsung S5K3T2 mit 20 MP sein).

Gruß Andreas

Henri

Zitat von: Raddet am 15. Februar 2023, 21:54Bei modernen Kameras stimmt jetzt eindeutig etwas nicht, was die Erfassung ionisierender Strahlung betrifft.

Vielleicht wird im Bildprozessor das Rauschen gleich herausgefiltert...  :(

ABel

OK, etwas Off Topic:
Das hab ich noch in meinem Bücherschrank gefunden. Stammt von 1984.

Gruß Andreas

Henri

Zitat von: ABel am 16. Februar 2023, 10:01OK, etwas Off Topic:
Das hab ich noch in meinem Bücherschrank gefunden. Stammt von 1984.

Gruß Andreas

Ob der Herr Klein immer noch die gleiche Frisur hat?  ;)

Er sieht aus, als wäre er erst Anfang 20, als er das Buch veröffentlicht hat. Das muss man erst mal schaffen - und dann mit dem Thema zu der Zeit  :good2:

Lennart

Zitat von: Henri am 16. Februar 2023, 12:27Ob der Herr Klein immer noch die gleiche Frisur hat?  ;)

Ein gewisser Verlust an Substanz ist zu erkennen, trotzdem kann man die Frage bejahen.

Siehe: https://www.rdklein.de/