Rechenaufgabe

Begonnen von sh4711, 29. Oktober 2020, 20:12

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sh4711

N'abend,

ich streite mich gerade mit einem Kollegen :-)

Gegeben sei ein Zaehler mit einem GM-Zaehlrohr, der eine Aequivalentdosisleistung anzeigt. Die
Umrechnung ist fuer Cs137 ausgelegt und erfolgt nach der einfachen Formel H = R * K, wobei

H = Aequivalentdosisleistung
R = Pulsrate
K = Konvertierungskonstante

Der Einfachheit halber wird angenommen, dass der Zaehler nur mit perfekt isotropen Punkt-
Strahlern verwendet wird, die im Bereich des Zaehlrohrs zu Dosisleistungen fuehren, die
deutlich ueber der natuerlichen Umweltstrahlung liegen (womit diese zu vernachlaessigen
waere) aber nicht so hoch sind, dass sich Tot- oder Erholungszeit-Effekte bemerkbar machen.
Auch sind diese Strahler immer gleich gegenueber dem Zaehlrohr angeordnet und die Strahlung
"ueberdeckt" das gesamte Zaehlrohr.

Ueber das Zaehlrohr ist noch bekannt, dass es (wieder vereinfacht) fuer die Energien der beiden
Gammas, die Co60 auswirft, 1,3 Mal so empfindlich ist wie bei Cs137.

Die Dosisleistungskonstante betrage fuer Cs137 0,09 und fuer Co60 0,35.

Aus diesen Angaben soll nun rechnerisch ein weiterer Faktor F bestimmt werden, sodass
nun nach der Formel

H = R * K * F

die angezeigte Dosisleistung fuer Co60 Strahler korrekt ist.

Frage: Laesst sich F berechnen und wie gross waere es?

NoLi

Einfache Methode: wenn die Empfindlichkeit des Zählrohres für Co-60 gegenüber Cs-137 mit 130% (1,3 mal höher) ist, beträgt der (Korrektur)Faktor F    100 : 130 = 0,77   .

Kömplizierte Methode für Äquivalentdosisleistung: Man benutzt die Gammastrahlungskonstante für Co-60 (KERMA oder auch Ionendosisleistung Gy/h) und verrechnet diesen Wert mit einem gewebetypischen Gamma-Korrekturfaktor zu Sv/h.

In der Praxis wird zur Darstellung von Sv/h die aus der Zählrate erhaltene Ionendosisleistung mit einem über das gesamte Körpergewebe gemittelter Gewebewichtungsfaktor multipliziert (für Photonen und Elektronen = 1).
Bei Cs-137 beträgt das Verhältnis Sv/Gy genau genommen    Sv = 1,2 x KERMA (Gy)
Ausführliche Informationen über die Dosisleistungsmessgrößen findest Du hier auf den Seiten von Automess  https://www.automess.de/service/messgroessen-im-strahlenschutz#aequivalentdosis

Gruß
Norbert

sh4711

Oops, die mit 1,3 angegebene Energieabhaengigkeit des ZR bei Co60 (korrekter
formuliert: bei 1,33 oder 1,17 MeV) bezieht sich nur auf die resultierende Pulsrate.
Also wieviele auf das ZR treffende Quanten loesen wieviele Pulse im Vergleich zu
Cs137 aus. Soll heissen: Bei Quanten der Energie von Co60 (beide Energien einfach
als gleich angenommen) entstehen bei ansonsten gleicher Strahlung 1,3 Mal soviele
Pulse (haette ich vielleicht explizit dazuschreiben sollen).

D.h, fuer einen energieunabhaengigen Pulszaehler waere 0,77 korrekt.

Wir wollen aber die DL korrekt anzeigen. Ein Co60 Strahler bewirkt eine 3,9-fache
DL wie ein Cs137-Strahler (0.35 / 0.09, gleiche Aktivitaet, gleicher Abstand,
isotrop, ...).

Somit muesste hier das 3,9-fache angezeigt werden. Das Doppelte wuerde schon
deswegen angezeigt, weil Co60 2 Gammas erzeugt. Und das 1,3-fache, weil das ZR
bei diesen Gammas 1,3 mal so empfindlich ist. Somit ergaebe sich doch fuer F:

F = 3,9 / 2 / 1,3 = 1,5


Na-22

Zitat von: sh4711 am 31. Oktober 2020, 08:50
...
Das Doppelte wuerde schon deswegen angezeigt, weil Co60 2 Gammas erzeugt.
...

Die beiden Gammaquanten treffen aber nicht gleichzeitig am gleichen Ort auf. Wäre dies der Fall, könnten die beiden Linien im Spektrum gar nicht einzeln gemessen werden. Außerdem würde der Kernphotoeffekt beim Bestrahlen von Objekten mit Co-60 auftreten, d.h. diese Objekte würden aktiviert werden.

sh4711

Zitat von: Na-22 am 31. Oktober 2020, 10:26
Die beiden Gammaquanten treffen aber nicht gleichzeitig am gleichen Ort auf.
Natuerlich nicht. Wenn sie das taeten, koennten sie auch nicht detektiert werden.
Im ZR erzeugt sowieso nur einen prozentual kleiner, einstelliger Teil aller Gammas
Pulse. Und wo doppelt soviele Gammas sind, ist die Wahrscheinlichkeit auch doppelt
so gross, dass Pulse entstehen.

Das Ziel ist ja, aus den Dosisleistungskonstanten und den ZR-Eigenschaften den
Wert abzuleiten, um den die Cs137-Konvertierung fuer Co60 korrigiert werden muss.
Bei gleicher Aktivitaet (einer der Parameter zur Errechnung der DL aus der DL-
Konstante) erzeugt Co60 eben doppelt soviele Gammas wie Cs137. Alle anderen
Einfluesse ausgenommen, wuerde das die doppelte Pulsrate bedeuten.

Na-22

Zitat von: sh4711 am 31. Oktober 2020, 10:40
...
Alle anderen Einfluesse ausgenommen, wuerde das die doppelte Pulsrate bedeuten.

Dem stimme ich zu.
Und diese doppelte Zählrate wird dann mit K multipliziert, wobei K nicht die Dosisleistungskonstante ist. Der Faktor 2 ist also schon automatisch in der doppelten Pulsrate enthalten und darf nicht nochmal korrigiert werden. Es bleibt bei F=0,77.

NoLi

Vorsicht, hier wird gerade Ionenproduktion (Zählrate) mit Aktivität (Gammastrahlungskonstante) verwurschtelt!

Für die Dosisleistungsberechnung (in diesem Fall erstmal Gy/h) ist alleinig die Ionisationsrate maßgeblich. Und die ist abhängig von der Photonenflussdichte am bzw. im Zählrohr, schnurzpiepegal, ob dieser Photonenfluß aus einem (Cs) oder zwei (Co)  Photonen pro Zerfall herrührt.
Was die Photonen unterscheidet, ist die Energie und damit die spezifische Ionisationsfähigkeit. In deinem Beispiel beträgt sie bei Co-60 den Faktor 1,3 mehr als bei Cs-137. Wenn das Gerät auf Cs-137 (= relativer Ionisationsfaktor 1) kalibriert ist, wird mit Co-60 (= relativer Ionisationsfaktor 1,3) die Impulsrate (und damit auch die Dosisleistung Gy/h) bei gleicher Photonenflußdichte (jeweils von Cs + Co) 1,3-fach überhöht angezeigt, müsste genau genommen somit mit einem Korrekturfaktor von in diesem Fall 0,77 verrechnet werden.

Jetzt gehört eigentlich noch der Gewebewichtungsfaktor als zweiter Korrekturfaktor hinzu. Da pragmatischerweise für die Umrechnung von Gy/h zu Sv/h für die meisten Photonenenergien (ausgenommen niedrigere Röntgenenergien) ein mittlerer Gewebewichtungsfaktor von 1 benutzt wird, können (in diesem Fall für Cs137 + Co-60) Gy und Sv gleichgesetzt werden.

Gruß
Norbert

Genau, wie Na-22 inzwischen auch geschrieben hatte :)

sh4711

Zitat von: Na-22 am 31. Oktober 2020, 11:25
Und diese doppelte Zählrate wird dann mit K multipliziert

Damit erhielten wir dann immerhin schonmal die doppelte DL in der
Anzeige. Aber noch nicht die 3,9-fache. Fehlt also noch der Faktor
1,95. Und der ergibt sich aus der 1,3 fachen Empfindlichkeit des
ZR, multipliziert mit meinen 1,5.

Zitat
wobei K nicht die Dosisleistungskonstante ist.

Was auch niemand sagte. Ich habe die Dosisleistungskonstante angegeben,
um zu zeigen, warum ich fuer Co60 von der 3,9-fachen DL ausgehe.

Zitat
Der Faktor 2 ist also schon automatisch in der doppelten Pulsrate enthalten und darf nicht nochmal korrigiert werden.
Richtig. Und genau deswegen darf F nicht 3,9/1,3 sondern nur 1,95/1,3 betragen.

NoLi

In deinem Beispiel:

- Cs-137:  1 µSv/h = 100 imp/sek
- Co-60 :  1 µSv/h = 130 imp/sek (1,3 mal mehr)

Bei Kalibrierung mit Cs-137 und Messung von Cs-137 würde das Gerät 1 µSv/h anzeigen, mit gleichem Kalibrierfaktor (imp/sek pro µSv/h) bei Messung an gleicher Stelle (1 µSv/h!) von Co-60 aber 1,3 µSv/h...und dies würde durch den Verrechnungsfaktor 0,77 korrigiert.
Weil 1 µSv/h gleich 1 µSv/h bleibt, egal ob von Cs oder Co, nur die dazugehörigen Impulsraten des Zählrohres wären unterschiedlich.

Gruß
Norbert

Na-22

Also in der Aufgabe im ersten Beitrag steht nirgendwo, dass die Aktivität beider Strahler gleich seien soll ;).

sh4711

Zitat von: NoLi am 31. Oktober 2020, 11:33
In deinem Beispiel beträgt sie bei Co-60 den Faktor 1,3 mehr als bei Cs-137.

Genaugenommen betraegt sie den Faktor 0,3 mehr (die 1 steckt in
"mehr" schon drin :-)). Aber das nur am Rande.

Zitat
Wenn das Gerät auf Cs-137 (= relativer Ionisationsfaktor 1) kalibriert ist, wird mit Co-60 (= relativer Ionisationsfaktor 1,3) die Impulsrate (und damit auch die Dosisleistung Gy/h) bei gleicher Photonenflußdichte (jeweils von Cs + Co) 1,3-fach überhöht angezeigt, müsste genau genommen somit mit einem Korrekturfaktor von in diesem Fall 0,77 verrechnet werden.

Richtig. Mit 0,77 kaeme ich also auf eine Art "spezifische Impulsrate" (s.o.).
Was ich aber moechte, ist die Aequivalentdosisleistung. Ein Beispiel:

Ich habe einen Cs137-Strahler in einer gewissen Anordnung zum ZR. Am Ort des
ZR herrschen dadurch verursacht 2 uSv/h. Dabei werden 6 cps als echte ZR-Pulse
gezaehlt. Verursacht werden diese 6 cps durch irgendeine Anzahl Photonen, die
tatsaechlich auf das ZR trifft.

Nun tauschen wir den Cs137-Strahler gegen einen Co60 mit gleicher Aktivitaet
aus. Sind dann folgende Behauptungen korrekt?

1. Am Zaehlrohr herrschen nun (basierend auf den Dosisleistungskonstanten)
7,8 uSv/h.

2. Vom Photonenfluss her trifft am ZR die doppelte Anzahl von Photonen ein,
weil bei Co60 pro Zerfall zwei Photonen entstehen.

3. Dieser doppelt so hohe Photonenfluss wuerde nun auch die doppelte Anzahl
echter ZR-Pulse bewirken, wenn sie die Energie von Cs137 haetten.

4. Da das ZR aber auf Photonen mit 1,25 MeV um 30% "ueberreagiert" (Faktor 1,3)
betraegt die Anzahl der echten ZR-Pulse das 2,6-fache.

Na-22

Die Punkte 1 und 2 stimmen.

Vorsicht ist bei Punkt 3 geboten. Die Wechselwirkungswahrscheinlichkeit der Photonen mit dem Zählrohr hängt von deren Energie ab.

sh4711

Zitat von: Na-22 am 31. Oktober 2020, 12:31
Vorsicht ist bei Punkt 3 geboten. Die Wechselwirkungswahrscheinlichkeit der Photonen mit dem Zählrohr hängt von deren Energie ab.

Bitte nochmal Punkt 3 aufmerksam lesen (also ueber das Komma hinaus :-))

Na-22

Ok, 3 stimmt noch  :). Dann schiebe meine Aussage einfach auf 4.

Die 30% Überreaktion beziehen sich auf die Dosisleistung, nicht auf die Pulsrate.
Selbst wenn das Zählrohr keine Überreaktion hätte, würde es schon mehr als das Doppelte anzeigen.

Na-22

In "Radiation detection and measurement" von Glenn F. Knoll findet sich ein schönes Bild, dass die Zählrohreffizienz als Funktion der Photonenenergie darstellt.