Rechtslage bei Geräten mit eingebauten Prüfquellen

Begonnen von U235, 13. Oktober 2022, 10:45

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

U235

Moin,
kennt sich hier jemand professionell mit dem Strahlenschutzgesetz aus?

Ein Geigerzähler der Firma Landis&Gyr taucht manchmal auf Auktionsplattformen auf.
Ich habe gelesen, dass der wohl eine starke Sr90-Quelle eingebaut hat. Auch alte russische Geräte haben sowas teilweise...
Also vorsicht - sowas kommt mir nicht in's Haus!

Wenn nun jemand einen Geigerzähler oder ein Gammaspektrometer mit eingebauter Kalibrier-/Prüfquelle kauft und erst später von einer Quelle mit Aktivität über der Freigrenze erfährt, was würde mit dem Unschuldigen passieren?

Wo kann man denn unbehelligt die Aktivität bestimmen lassen?
Das ist ja schon sehr aufwendig - man braucht bestenfalls einen proportionalzähler in 4π-Geometrie, kalibrierte Vergleichstandards des Isotops, Software zur Berechnung der Geometrie der Quelle und Selbstabsorption...

Müsste er die Entsorgung bezahlen oder könnte er es kostenlos an einer Sammelstelle abgeben, oder behalten...?

DG0MG

Die Rechtslage ist eindeutig: Die Mehrzahl der Prüfstrahler in Messgeräten dürfte ein Verstoß gegen das StrlSchG sein, da die Freigrenze um ein Vielfaches überschritten wird. Es ist aber mittlerweile selten geworden, z.B. die häufig angebotenen polnischen GZ DP-66 haben allermeistens keine Quelle mehr drin. Der Strahler dürfte auch der Grund sein, warum den L&G EMB3 hier noch niemand vorgestellt hat. Im gleichen Zusammenhang auch mal wieder mein Appell, auf selbstgebaute Geigerzähler kein Trefoil zu kleben, das kann zu falschen Annahmen bei Unbeteiligten führen.

Zitat von: U235 am 13. Oktober 2022, 10:45Wenn nun jemand einen Geigerzähler oder ein Gammaspektrometer mit eingebauter Kalibrier-/Prüfquelle kauft und erst später von einer Quelle mit Aktivität über der Freigrenze erfährt, was würde mit dem Unschuldigen passieren?

Das weiß ich auch nicht - bisher sind (mir) keine Fälle von behördlichem Aktivwerden gegen Besitzer solcher Geräte bekannt geworden. Was aber nichts heisst. Dagegen gegen Käufer/Verkäufer von Radiumtrinkbechern schon. Auch von einem XRFS-Gerät habe ich mal gelesen.
Aber üblicherweise gilt ja sowieso der Grundsatz: "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht". Mindestens die Entsorgungskosten bei einer Landessammelstelle wird man bezahlen müssen. Und dabei läuft die Abgabe ja keinesfalls so, als würde Opa einen alten Eimer Farbe am Schadstoffmobil abgeben. Kann also sein, Transport, Personal etc. kommen noch dazu. Vermutlich wird man das also nicht erleben wollen.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

U235

Ok - ob das Ganze über einer Freigrenze liegt, weiß man ja erstmal nicht.
Ich denke da nur an die armen Menschen, die sich heutzutage aus Sorge irgendeinen Geigerzähler oder auch 2 kaufen und dann sehen - "oh, der eine strahlt ja".
Oder Sammler alter Radios und Funkerequipment, die dann auf eine Funkenstrecken-Röhre mit Cs137 stoßen und sich über das Trefoil wundern.

Eine Informationskampagne des BfS zu dem Thema wäre vielleicht nicht schlecht und eine öffentliche Sammelstelle - damit "Lieschen Müller" nicht gleich einen ABC-Einsatz auslösen muss, wenn sich irgendwo eine Kalibrierquelle versteckt. Natürlich sollten unbekannte Strahlungsquellen mit Vorsicht behandelt werden.
Manche solcher Quellen sind ja auch schon so alt, dass die Halbwertszeit 2-3x überschritten ist (bei anderen Isotopen).

Gibt es denn die Möglichkeit, ohne Großeinsatz eine Aktivität bestimmen zu lassen?

NoLi

Zitat https://www.buzer.de/168_StrlSchV.htm

§ 168 - Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)
Artikel 1 V. v. 29.11.2018 BGBl. I S. 2034, 2036, 2021 I S. 5261; zuletzt geändert durch Artikel 1 V. v. 08.10.2021 BGBl. I S. 4645
Geltung ab 31.12.2018, abweichend siehe Artikel 20; FNA: 751-24-2 Kernenergie
8 weitere Fassungen
| Drucksachen / Entwurf / Begründung
| wird in 67 Vorschriften zitiert
Teil 5 Expositionssituationsübergreifende Vorschriften
Kapitel 1 Abhandenkommen, Fund und Erlangung; kontaminiertes Metall
§ 167 ←
→ § 169
§ 168 Fund und Erlangung

§ 168 wird in 4 Vorschriften zitiert

(1) Wer

1.    einen radioaktiven Stoff nach § 3 des Strahlenschutzgesetzes findet oder

2.    ohne seinen Willen die tatsächliche Gewalt über einen radioaktiven Stoff nach § 3 des Strahlenschutzgesetzes erlangt oder

3.    die tatsächliche Gewalt über einen radioaktiven Stoff nach § 3 des Strahlenschutzgesetzes erlangt hat, ohne zu wissen, dass dieser Stoff radioaktiv ist,

hat dies der atom- oder strahlenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde oder der nach Landesrecht zuständigen Polizeibehörde unverzüglich mitzuteilen, sobald er von der Radioaktivität dieses Stoffes Kenntnis erlangt.

2 Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der vermutet, einen radioaktiven Stoff nach § 3 des Strahlenschutzgesetzes gefunden oder die tatsächliche Gewalt über einen radioaktiven Stoff nach § 3 des Strahlenschutzgesetzes erlangt zu haben.

3 Die in Satz 1 genannten Behörden unterrichten sich jeweils wechselseitig unverzüglich über die von ihnen entgegengenommene Mitteilung.

(2) Die zuständige Behörde teilt den Fund oder die Erlangung einer hochradioaktiven Strahlenquelle dem Register über hochradioaktive Strahlenquellen beim Bundesamt für Strahlenschutz in gesicherter elektronischer Form entsprechend Anlage 9 Nummer 11 unverzüglich, spätestens an dem auf die Kenntnisnahme folgenden zweiten Werktag, mit.

(3) 1 Die Mitteilungspflicht nach Absatz 1 Satz 1 gilt auch für denjenigen, der als Inhaber einer Wasserversorgungsanlage, die nicht in den Anwendungsbereich der Trinkwasserverordnung fällt, oder als Inhaber einer Abwasseranlage die tatsächliche Gewalt über Wasser erlangt, das radioaktive Stoffe enthält, wenn deren Aktivitätskonzentration im Kubikmeter Wasser von

1.    Wasserversorgungsanlagen das Dreifache der Werte der Anlage 11 Teil D Nummer 2 übersteigt oder

2.    Abwasseranlagen das 60fache der Werte der Anlage 11 Teil D Nummer 2 übersteigt.

2Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Einer Genehmigung nach den §§ 4, 6 oder 9 des Atomgesetzes oder nach § 12 Absatz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 2, oder § 27 Absatz 1 des Strahlenschutzgesetzes bedarf nicht, wer in den Fällen des Absatzes 1 den Stoff oder in den Fällen des Absatzes 3 das Wasser nach unverzüglicher Mitteilung bis zur Entscheidung der zuständigen Behörde oder auf deren Anordnung lagert oder aus zwingenden Gründen zum Schutz von Leben und Gesundheit befördert oder handhabt.


In der Regel muß man als Privatperson für eine Geräteentsorgung mit Strahler in der zuständigen Landessammelstelle nicht für die Kosten aufkommen, wenn man glaubhaft versichern kann, beim Kauf nichts von einem eingebauten Prüfstrahler > Freigrenze gewußt zu haben. Weitere Folgen wie Strafverfahren werden dann auch nicht folgen, der Verkäufer wird aber sicherlich Besuch von der Polizei und Aufsichtsbehörde bekommen.

Also Finger weg von solchen Strahlungsmessgeräteangeboten mit eingebautem "Prüfstrahler", "Prüfvorrichtung", "Kontrollvorrichtung", "Eichvorrichtung"!!

Norbert

Übrigens für Fans des Landis & Gyr EMB-3: Es gibt dieses Gerät auch als Katastrophenschutzausführung OHNE eingebautem Sr-90 Prüfstrahler (Sr-90 Nominalaktivität 370 kBq = 37-fache Freigrenze!), dafür mit einer um den Faktor 10 erhöhten Empfindlichkeit; diese Gerääteausführung lässt eine Anzeige von 0,1 mr/h (1 µSv/h) bis 100 r/h (1 Sv/h) zu.
Selbst die normale natürliche Background-Strahlung lässt sich bei dieser Ausführung durch leichtes Zeigerzuckeln und einer optischen Impulssignalisierung erkennen.