Datenverlust durch Radioaktivität?

Begonnen von DG0MG, 29. April 2021, 08:53

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DG0MG

DL3HRT und ich hatten schonmal spekuliert, ob sich die Daten in einem EPROM durch die Gamma-Strahlung verändern, wenn man ihn längere Zeit an ein "ordentliches" Stück Pechblende tackert. Schließlich ist Gamma-Strahlung Energie und die Elektronik in  Satelliten hat auch mit Bitveränderungen durch die kosmische Strahlung zu kämpfen.

Zu einem Experiment ist es nicht gekommen, weil wir der Meinung waren, dass ein Stückchen Pechblende dann doch zu wenig ist, um diesen Effekt herbeizuführen.

Der Däne "Brainiac75" hat diesen Versuch mit einer 32-GB-Micro-SD-Karte (also kein EPROM sondern Flash) gemacht:



Er zeigt leider nicht die Unterseite des RadiaScan 701. Kann denn so ein kleines Stückchen Torbernit im Kontakt 300 µSv/h reine Gamma-Leistung produzieren?

Vielleicht müsste man auch erstmal überlegen, in welcher Art von Speicher die *geringste* Energie nötig ist, um ein Bit zu ändern. Spontan würde ich sagen: DRAM (Dynamischer RAM), der allerdings nicht stromlos gelassen werden kann. Wie wäre die Idee, auf einem extra für das Experiment abgestellten alten Windows-PC (keinen Server mit ECC-RAM) einen RAMTEST laufen zu lassen und den "Stein" auf dem Mainboard, direkt neben dem RAM-Riegel zu positionieren?
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Hierzu siehe

https://mediatum.ub.tum.de/doc/602988/602988.pdf

Kurzinfo:  Kapitel 12, Seite 165 (Zusammenfassung).

Gruß
Norbert

Na-22

Beim Abschätzen der Dosis hat er vergessen, die höhere Dichte von Silizium zu verrechnen. Die Angaben normale Dosimeter/Dosisleistungsmessgeräte beziehen sich auf Gewebe (also Wasser in erster Näherung).

sh4711

Zitat von: DG0MG am 29. April 2021, 08:53
Schließlich ist Gamma-Strahlung Energie und die Elektronik in  Satelliten hat auch mit Bitveränderungen durch die kosmische Strahlung zu kämpfen.

Vielleicht OT, aber ich erinnere mich gerade bruchstueckhaft...

Vor ca. 30 Jahren ging es darum, fuer einen Amateurfunk-Satelliten ein CMOS-PROM
zu programmieren. Das Besondere war hier der niedrige Stomverbrauch in Kombination
mit einer hohen Resilienz gegenueber kosmischer Strahlung. Das Programmieren ging
nur mit einen "Data-IO" - dem König unter den Programmern. Die Sache war alles andere
als einfach - der Hersteller der PROMs gab damals schon beim Programmieren eine Aus-
fallswahrscheinlichkeit von irgendwas um die 50+ % an. Anyway, wenn ich mich recht
erinnere haben wir damals 2 von 3 Bauteilen erfolgreich gebrannt, und das Ding flog
dann auch erfolgreich um die Erde...


sh4711

Zitat von: DG0MG am 29. April 2021, 08:53
Spontan würde ich sagen: DRAM (Dynamischer RAM), der allerdings nicht stromlos gelassen werden kann. Wie wäre die Idee, auf einem extra für das Experiment abgestellten alten Windows-PC (keinen Server mit ECC-RAM) einen RAMTEST laufen zu lassen und den "Stein" auf dem Mainboard, direkt neben dem RAM-Riegel zu positionieren?

Ich habe mal ein kernel-Modul zur Protokollierung von Bitfehlern bei ECC-RAMs
programmiert. Objekt der Begierde war damals ein 440BX-Mainboard. Wie testet
man sowas ohne an der Versorgung der RAMs rumzufummeln? Ein ca. 200 MBq
Cs137-Strahler hatte damals so ein bis zwei Bitfehler pro Tag ausgeloest.

Interessanterweise waren wir mit der Quelle eines Röntgendiffraktometers
weniger erfolgreich - obwohl die Dosisleistung ungleich hoeher war. Lag wohl
an der niedrigeren Energie (irgendwas im < 50 keV Bereich wenn ich mich recht
entsinne).

DG0MG

Ja, die Geschichte mit den Bitfehlern oder zumindest dem bunten Flackern auf CCD-Chips vornehmlich durch Alpha-Strahlung müssen wir auch mal noch aufarbeiten. Etwa mit einer Webcam ohne Objektiv und einem Strahler aus einem Rauchmelder. Zum Zählen der BuntPixel gibts ja ein Theremino-Programm.

Aber RAM im Gehäuse .. scheint wohl "schwerer" zu sein, da etwas auszulösen.

Zitat von: sh4711 am 29. April 2021, 21:10
Ein ca. 200 MBq Cs137-Strahler hatte damals so ein bis zwei Bitfehler pro Tag ausgeloest.

Ui, doch soviel Aktivität. Dann möchte ich es nicht probieren  :D
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

sh4711

Zitat von: DG0MG am 30. April 2021, 11:30
Zitat von: sh4711 am 29. April 2021, 21:10
Ein ca. 200 MBq Cs137-Strahler hatte damals so ein bis zwei Bitfehler pro Tag ausgeloest.
Ui, doch soviel Aktivität. Dann möchte ich es nicht probieren  :D
Ich habe mich falsch erinnert, es waren nur 155 MBq. Und so viel ist
das gar nicht - in 2 m Abstand wird das schon recht uebersichtlich...

DG0MG

Aber in 2 Metern Entfernung wird es doch auch keinen Einfluss auf den RAM mehr gehabt haben?
Da sind das nur noch ~3.4 µSv/h
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

sh4711

Nein, natuerlich nicht. Ich bezog micht auf das "moechte ich nicht probieren".
Auf die RAMs bezogen lag der Strahler direkt daneben. Ich habe irgendwo ein
Photo - mal sehen, ob ich es finde (Polaroid-Photos haben die Eigenschaft sich
irgendwo zu verstecken :-)).

283Nh

Bezüglich RAMs / EEPROMs und strahlungsinduzierten Datenverlusten werdet ihr auf den Seiten der NASA und den dort verlinkten Quellen fündig.

Vergussmassen für Speicherbausteine dürfen nach JEDEC bereits heute kein Kalium mehr enthalten, weil natürliche 40K Zerfälle zur Entladung von Speicherzellen führen können.

Die Raumfahrt löst das Problem durch massive Redundanz und Fehlerkorrekturverfahren mit hoher Hammingdistanz. Es macht nichts, wenn ein umlaufender (also nicht geostationärer) Satellit 20-30% Bitkipper beim Durchqueren des Van-Allen-Belts hat, die Fehlerkorrektur fängt es ab

Lennart

Zitat von: DG0MG am 29. April 2021, 08:53Er zeigt leider nicht die Unterseite des RadiaScan 701. Kann denn so ein kleines Stückchen Torbernit im Kontakt 300 µSv/h reine Gamma-Leistung produzieren?

Da bisher niemand die Frage beantwortet hat mal mein Senf dazu: Nein.

Ich habe meinen neuen Fund von Schacht 254 mal "ausgemessen". Meine Stufe ist nebenbei bemerkt deutlich größer als die von Brainiac75. Durch die Jousi-Dose kann man die Messgeräte schön präzise positionieren und die Stufe reicht oben fast bis an den Deckel heran, die Distanz zwischen Detektor und Strahlenquelle ist also relativ gering.

Ohne Betastrahlung sieht das Ergebnis bei Automess AD6, RadiaCode 101/102, Gamma-Scout und Raysid immer ähnlich aus: 25-30 μSv/h an reiner Gammastrahlung. Das ist nicht die Welt.

Anders sieht es aus, wenn man den Deckel beim RadiaScan mal weglässt, den Modus jedoch auf "Gamma" belässt: über 300 μSv/h selbst bei etwas Distanz zwischen Zählrohrgitter und Mineral ...

Wenn der Deckel für Beta + Gamma eingebaut wird ("4 Pfeile"-Symbol) zeigt das Gerät immer noch 150-200 μSv/h.

Ich denke, der gute Brainiac75 hat (aus Unwissenheit oder Sensationslust) ein falsches und maßlos übertriebenes "Messergebnis" präsentiert.

Das ist erst einmal nur eine Unterstellung, deshalb habe ich das Video erneut angesehen. Dabei habe ich auch meinen RS-701 genau beäugt. Wenn man ab Minute 2 (timestamp: https://youtu.be/vx-lcFD3-BE?t=120) genau hinsieht, erkennt man die überstehende Lippe beim Nagelhau. Das heißt im Klartext: Der Deckel war montiert, jedoch in der Stellung für Beta + Gamma (also falsch). Der maximale Anzeigewert war ca. 55-56 μSv/h.

Dann erfolgt ein Schnitt. Hier hätte er die Abdeckung auch ganz abnehmen können. Hat er aber nicht, bei 2:22 erkennt man wieder die abstehende Lippe, also immer noch Beta + Gamma.

Bei den Stufen aus dem Erzgebirge lässt sich die Orientierung der Abdeckung zu keinem Zeitpunkt erkennen. Man kann aber davon ausgehen, dass er keine Änderung vorgenommen hat. Somit wäre auch dieser Wert durch Betastrahlung deutlich zu hoch.



Warum habe ich mich da jetzt so reingesteigert? Weil ich den Versuch gerne nachstellen möchte, jedoch wie hier bereits beschrieben mit RAM. Mir ist völlig klar, dass die DL vermutlich viel zu gering ist, um signifikante Auswirkungen zu erzeugen. Trotzdem reizt mich die Idee schon lange.

Mein aktueller PC hat 8 RAM-Bänke, leider sind die DIMMs in dicke Aluminum-Kühlkörper eingepackt. Zum Glück habe ich noch einen alten PC mit non-ECC DDR-3 RAM ohne Kühlkörper. Also war mein Plan, möglichst viele "heiße" Steinchen so dicht wie möglich an und zwischen den DIMMs zu platzieren. Große Stufen bekommt man nicht dicht genug an die RAM-Riegel und "verliert" durch den Abstand viel Potenzial.

Vorher würde ich einen RAM-Test für 48-72 h als Kontrolle laufen lassen. Die Steine würde ich dann während des Tests (Loop ohne zeitliche Begrenzung) nach Ablauf des Kontrollzeitraums hinzufügen. Als Zeitraum für den eigentlichen Test habe ich an eine Woche gedacht.

Hat jemand hier noch eine Idee, was man an dem Versuchsaufbau optimieren könnte?



wrdmstr inc.

Einige zeit vor Brainiac75 versuch hatte ich schonmal eine SD karte bestrahlt und CRC fehler erzeugt. Es braucht Zeit und ordentlich beta Partikel. Und etwas Praeparation, und zwar hatte ich eine 256MB Sd Karte geoeffnet,der Speicher IC war keramisch, den habe ich auf Sandpapier duenner geschliffen das mehr betas durchkamen. Auf dem PC habe ich eine txt Datei mit genau definierter Groesse erzeugt (230,00MB oder so) und mit wincommander verschiedene Pruefsummen in einer kleinen Datei abgelegt (md5,crc,sha...). Nach jeweils 1 Monat die Datei mit der checksum datei verifiziert, bis nach 7 Monaten checksum Fehler auftraten und paar Monate danach der controller auch kaputt war also die Karte nicht mehr auslesbar war.  8)

Radiohörer

schon mal dran gedacht, nur das "Schwarze" Deiner Steinchen, falls Du genügend davon hast, zu nehmen? Etwas zerkleinern und alles in einer >50µ Tüte zwischen und um die RAMs packen ;D

Lennart

Zitat von: wrdmstr inc. am 30. Juli 2023, 23:47Und etwas Praeparation, und zwar hatte ich eine 256MB Sd Karte geoeffnet,der Speicher IC war keramisch, den habe ich auf Sandpapier duenner geschliffen das mehr betas durchkamen.

Das ist natürlich clever  :good2:

Mich würde aber auch interessieren, ob ohne Modifikation der DIMMs ein Effekt in vertretbarer Zeit auftritt. RAM sollte doch viel empfindlicher als Flash-Speicher sein. Was auch ein Problem mit der (micro-)SD-Karte ist: eine viel zu geringe Oberfläche. Besonders die 8 RAM-Bänke in meinem modernen PC wären interessant gewesen. Da hätte ein Photon im besten Fall 8 Riegel hintereinander durchdringen können und somit eine größere Chance gehabt, einen Fehler auszulösen.

Zitat von: Radiohörer am 30. Juli 2023, 23:50schon mal dran gedacht, nur das "Schwarze" Deiner Steinchen, falls Du genügend davon hast, zu nehmen? Etwas zerkleinern und alles in einer >50µ Tüte zwischen und um die RAMs packen ;D

Nein, daran habe ich noch nie gedacht.  :D

Das hört sich auch nach keiner guten Idee an. Man zerstört jeglichen "Wert" der Mineralien und erzeugt massenweise kontaminierten Müll. Von Gesundheitsgefahren und Problemen mit der Gesetzgebung mal abgesehen  ;)

Rein im Sinne des Experiments wäre das natürlich eine besonders effektive Methode, eine möglichst große Oberfläche mit Photonen und Elektronen zu bombardieren, ohne starke Selbstabschirmung  8)



DG0MG

Zitat von: Lennart am 30. Juli 2023, 23:07Dabei habe ich auch meinen RS-701 genau beäugt. Wenn man ab Minute 2 (timestamp: https://youtu.be/vx-lcFD3-BE?t=120) genau hinsieht, erkennt man die überstehende Lippe beim Nagelhau.

Danke für den Vergleich mit Deiner Stufe, ich denke auch, dass der Deckel nicht auf "Gamma-only" stand. Wo Du das aber im Video erkennst, kann ich nicht nachvollziehen - man sieht doch niemals die Unterseite und es spiegelt auch nichts?
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!