Bestimmung der Gamma-Detektor Effizienz

Begonnen von opengeiger.de, 19. November 2021, 19:50

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opengeiger.de

Wenn man die Gamma-Aktivität quantitativ abschätzen will, kommt man nicht an dem Begriff der Detektor-Effizienz vorbei. Die absolute Effizienz lässt zunächst mal die Strahlungsgeometrie außen vor und definiert nur das Verhältnis der registrierten Pulse zu den von der Probe ausgesandten Quanten. Die intrinsische Effizienz berücksichtigt dann die Geometrie und vergleicht die registrierten Pulse mit den in den Detektor eingefallenen Quanten. Schon das erste wäre ja ganz hilfreich für eine Aktivitätsabschätzung einer unbekannten Probe und man könnte als Maßzahl einfach mal die cps/Bq bestimmen.

Nun gibt es aber gleich die nächste Herausforderung, von welcher Referenzprobe kennt man denn die Aktivität so ganz genau? Klar, bei Firmen wie Eckert & Ziegler bekommt man praktisch jedes Radionuklid als Prüfstrahler knapp unter der Freigrenze mit einer angegebenen Aktivitäts-Genauigkeit. Nachteil ist aber, man muss ganz schön hinblättern dafür und der Prüfstrahler altert je nach Nuklid unterschiedlich schnell. Bei den primordialen Nukliden ist das aber anders. Sie kommen in der Natur vor und haben Halbwertszeiten, wo man sich über Alter kaum Gedanken machen muss. Das bekannteste ist das Kalium. Man bekommt hochreines Kaliumchlorid in der Apotheke in 100g Döschen und weiß dann sehr genau, dass im Kalium 31.5Bq/g drin sind. Also muss man das nur mit der Stöchiometrie aufs KCl noch umrechnen. Nur ist es aber leider so, dass die Kalium-Linie schon arg weit draußen bei 1452keV ist und viele Detektoren, wie zum Beispiel der Radiacode-101 da kaum noch sensitiv sind.

Anders ist das aber beim Lutetium. Das Lu176 ist mit 2.59% im Lu-nat. enthalten und hat ne HWZ von 3.78E10 bzw. 3.6E10 (je nach dem wen man fragt) und es hat zwei schöne Linien bei 307 (93.6%) und 202keV (78%) und noch ne kleinere bei 88keV (14.5%). Bemüht man den Avogadro, kommt man drauf, dass das das Lu-176 zwischen 51 und 54 Bq/g hat (je nach verwendeter HWZ) und das quasi für immer. Jetzt ist das Metall selbst etwas ungeschickt wegen der Selbstabschirmung etc. Aber es gibt da auch das Lutetium(III)-Oxid (Lu2O3), das man als hochreines Pülverchen im Internet bekommt, typischerweise mit 99.99% Reinheit (man muss aber ein wenig suchen). 10g reichen da schon, und mit etwas Stöchiometrie kann man ausrechnen, dass in 10g Lu2O3 etwa 452Bq drin sind. Eine Menge von 10g in einem Röhrchen mit 2.5cm Durchmesser füllt dann das fluffige, weiße Pulver mit ca. 2cm Höhe. Also auch von der Geometrie her ein fast idealer Prüfstrahler, der nicht altert und dessen Aktivität man sehr präzise kennt.
Wenn ich nun so ein Röhrchen mit minimalem Abstand vor den Radiacode-101 in meiner Bleiburg stelle, dann sehe ich einen Sprung von etwa 0.5 auf 8.5cps. Von daher kann ich doch jetzt sagen, dass die absolute Effizienz grob 8cps/452Bq=0.018cps/Bq beträgt. Mach ich das Gleiche bei meinem 2.5" NaJ komme ich auf Grund der deutlich besseren Geometrie auf immerhin 0.105cps/Bq (in der Summe über alle Energien).

Nun kann man sich die Höhen der beiden Haupt-Linien anschauen. Da fällt auf, dass das Verhältnis der Höhen ziemlich nahe an die 1.2 rankommt (unter der Voraussetzung, dass man bei der Theremino-SW den Equalizer einigermaßen brauchbar eingestellt hat). Das ist nämlich das Verhältnis der jeweiligen Emissions-Wahrscheinlichkeiten. Bei der Theremino-SW bekommt man mit einem Rechtsklick auf den Peak nicht nur die FWHM sondern auch einen cps-Wert, der aus der Fläche unter der Kurve abgeleitet ist, mit dem Linksclick bekommt man die counts in einem Bin. Schaue ich nur mal auf die 307keV Linie, bekomme ich in meiner Anlage für diese Linie eine Effizienz von 0.014cps/Bq. Wenn sich nun die Geometrie der Probe nicht allzu sehr ändert, und ich mit der Energie nicht zu weit weg liege, müsste ich so doch auch ganz gute Aktivitätsabschätzungen einer unbekannten Probe machen können. Ich habs mal mit Hirschgrabenerde versucht. Das scheint ganz gut zu gehen. Man dann kann so auch austesten was unterschiedliche Geometrien bewirken. Das ist auch ein ganz interessantes Experiment.

Einige von Euch haben doch so nen Prüfstrahler? Mich würde mal interessieren, was bei meiner ,,Konkurrenz" so in etwa rauskommt.  ;)

Curium

Ich komme mit dem Radiacode 101 so auf 0,022cps/Bq bei Lutetium, wobei ich eine leicht unterschiedliche Geometrie habe (4cm runde Dose, 1cm hoch). Der Vergleich mit der Hirschgrabenerde ist doch aber schwierig, da der 1cm (ca 1/2inch) Kristall bei 662kev ca 30% Absorption hat, bei 200kev 80% und bei 300kev 55%?????????????
Ein interessanter Artikel zum Thema Detector Efficiency:
https://www.crystals.saint-gobain.com/sites/imdf.crystals.com/files/documents/efficiency-calculations.pdf
da muss man unterscheiden in photopeak-efficiency und Gesamtzählrate (Radiacode mit cps Messung), im Programmmodus "Activivty" macht der Radiacode nur die 662 Photopeak Berechnung der Aktivität!

NoLi

Wenn ihr noch das Am-241 hinzufügt, könnte ihr mit Am-241, Lu-176 und K-40 eine Kalibriergerade erstellen und somit auch die Efficiency bei der Energie von Ba-137m (also Cs-137) ablesen.
Im "Notfall" ginge dies auch nur mit Lu-176 und K-40.

Gruß
Norbert

opengeiger.de

Der Artikel ist wirklich gut! Super, Danke! :)

Ja, ich denk beim Radiacode-101 bekommt man schnell ein Geometrieproblem, wenn die Probe groß gegen den kleinen Kristall ist. Aber ich denke, so die Größenordnung der Effizienz bei 300keV zu kennen, wär schon auch nicht schlecht. Vielleicht tragen ja noch mehr Leute zur Erkenntnis bei, so dass wir am Ende wissen, unter welchen Bedingungen man was in Etwa erwarten kann. Beim RC101 macht es sicher auch kaum Sinn vom 300keV auf 600keV zu schließen, dafür ist der Kristall wirklich zu klein.

Mit einem 2Zoll oder 2,5Zoll oder größer müsste es allerdings schon so grob gehen. Vielleicht hat ja wirklich jemand beides, eine Lutetium Probe und einen Cs Strahler mit bekannter Aktivität und macht die Messung. Das wär natürlich genial. :) 

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Zitat von: NoLi am 19. November 2021, 21:59
Wenn ihr noch das Am-241 hinzufügt, könnte ihr mit Am-241, Lu-176 und K-40 eine Kalibriergerade erstellen und somit auch die Efficiency bei der Energie von Ba-137m (also Cs-137) ablesen.
Im "Notfall" ginge dies auch nur mit Lu-176 und K-40.


Auch keine schlechte Idee! Am241 altert ja auch nich sooo schnell. Die Frage wäre, wie genau ist das, was auf einem alten Rauchmelder draufsteht.  :unknw:


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Zitat von: NoLi am 19. November 2021, 22:28
Vielleicht hilft diese Seite:

https://www.helmholtz-berlin.de/media/media/projekte/zra/ionisationsrauchmelder.pdf

Gruß
Norbert

Interessante Aufstellung! Laut BfS darf ein Rauchmelder ja das Zehnfache der Am241 Freigrenze haben, also 100kBq. Die neueren, die man in England kaufen konnte (zumindest solange das noch EU war) hatten meist 3kBq. Aber da stand dann ~3kBq Am241 drauf. Wenn man sich das Prinzip eine solchen Rauchmelders überlegt, ist die genaue Aktivität egal, es kommt auf die Änderung des Ionisationsstroms an, welche mit der Rauchpartikelkonzentration korreliert. Da es ja ein Billigprodukt ist, wird sich der Hersteller sicher nicht übermäßig mühen, die 3kBq genau zu treffen. Gut, unter 1kBq wird der Ionisationstrom vielleicht zu klein. Die OPamps, welche die Stromänderung detektieren sollen rauschen ja auch gewaltig. Aber ich könnt mir schon denken, dass die Aktivität in diesen Rauchmeldern schon gut um 50% schwanken kann. Von daher ist so ein Ding als Aktivitätsreferenz vielleicht doch ein wenig ungenau. Meinst Du nicht? Aber ja, für die grobe Größenordnung reichts vielleicht.

Curium

Wenn man so eine Eichgerade erstellen will, müsste man doch berücksichtigen, dass neben den Gammas gerade bei Kalium 40 beta und Electron capture Zerfälle stattfinden, bei Lutetium beta und bei Am alpha. Da die Kristalle aber in ihrer Umhüllung Beta Energien unterschiedlich durchlassen, alphas garnicht, sollte man doch das ganze doch nur mit den gammas und entsprechender z.B Plexiglas Abschirmung (zum Ausschluß der betas) machen. Dann kann man mit der Branching Ratio der Gammaenergien (z.B. 11% bei K40; 36% bei 59kev Am) sauber auf die Aktivität zurückrechnen.
Oder liege ich da falsch???
Mit der Branching ratio kann man es z.B. machen, wenn man bestimmen will, ob es abgereichertes oder Natururan in Glasuren ist. Ein Rechenbeispiel:
https://physicsopenlab.org/2017/06/30/gamma-activity-measures/

NoLi

Zur Efficienc-Bestimmung werden nur die reinen charakteristischen Gammaenergiepeaks betrachtet. Je besser Betas abgeschirmt sind, desto besser treten diese Energiepeaks in den Vordergrund. Selbstverständlich müssen bei der Auswertung auch noch die Gamma-Emissionswahrscheinlichkeiten einzelner Peaks pro Zerfall berücksichtigt werden.

Norbert

Curium

dh doch dann, dass mit den cps des Radiacodes nicht gerechnet werden kann, da der beta und gammas registriert.
Das Spektrum mit Auswertung der Photopeakfläche ( wie z.B Beqmoni es macht im Beispiel)ist zwingend erforderlich,
wenn man die Eichgerade erstellen will, oder???
Ein weiteres Problem bei der Betrachtung von Absolutwerten ist doch noch die "Photopeak to Total Ratio", die wiederum von der Kristallgrösse abhängt, da ja nur ein Teil der Zerfallswahrscheinlichkeit im Photopeak landet und  der Rest im Compton?

NoLi

Zitat von: opengeiger.de am 20. November 2021, 07:51
Interessante Aufstellung! Laut BfS darf ein Rauchmelder ja das Zehnfache der Am241 Freigrenze haben, also 100kBq. Die neueren, die man in England kaufen konnte (zumindest solange das noch EU war) hatten meist 3kBq. Aber da stand dann ~3kBq Am241 drauf. Wenn man sich das Prinzip eine solchen Rauchmelders überlegt, ist die genaue Aktivität egal, es kommt auf die Änderung des Ionisationsstroms an, welche mit der Rauchpartikelkonzentration korreliert. Da es ja ein Billigprodukt ist, wird sich der Hersteller sicher nicht übermäßig mühen, die 3kBq genau zu treffen. Gut, unter 1kBq wird der Ionisationstrom vielleicht zu klein. Die OPamps, welche die Stromänderung detektieren sollen rauschen ja auch gewaltig. Aber ich könnt mir schon denken, dass die Aktivität in diesen Rauchmeldern schon gut um 50% schwanken kann. Von daher ist so ein Ding als Aktivitätsreferenz vielleicht doch ein wenig ungenau. Meinst Du nicht? Aber ja, für die grobe Größenordnung reichts vielleicht.
Die meisten britischen Ionisationsrauchmelder liegen in ihren Am-241 Aktivitäten zwischen 30 kBq und 37 kBq (ist evtl. historisch bedingt, da US-amerikanische Rauchmelder jetzt i.d.R. 1 µCi (= 37 kBq) enthalten. Je geringer die Am-241 Aktivität ist, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit einer Fehlalarmauslösung.
Bei den in Deutschland hergestellten  I-Meldern denke ich, dass die Aktivitätsangaben recht genau eingehalten werden, weil diese Melder eine behördliche Bauartzulassung besitzen und mit der Strahlenschutzverordnung "harmonisieren" müssen; d.h. eine  übermäßige Aktivitätsabweichung gegenüber den Angaben würde einen nicht genehmigten Umgang mit Bußgeldverfahren darstellen (eben "typisch deutsch").

Norbert

NoLi

Zitat von: Curium am 20. November 2021, 11:10
dh doch dann, dass mit den cps des Radiacodes nicht gerechnet werden kann, da der beta und gammas registriert.
Des Spektrum mit Auswertung der Photopeakfläche ( wie z.B Beqmoni es macht im Beispiel)ist zwingend erforderlich,
wenn man die Eichgerade erstellen will, oder???
Genau! Deswegen unbedingt die Betas abschirmen und nur die Photopeaks betrachten, nicht den eventuellen Bremsstrahlungsuntergrund.

Norbert

Curium

Und dann kommt noch die unterschiedliche "Photopeak to total Ratio" zum tragen, da bei einem 3 Zoll Kristall bei 59kev 90% im
Photopeak landen, bei 662 ca 70% im Photopeak?

opengeiger.de

Ja, ich denk das ist alles sehr gut in dem Saint-Gobain Paper beschrieben. In dem letzten Dokument vom physicsopenlab da sieht man zudem noch sehr schön, dass die logarthmierte Darstellung der counts über der linearen Energieskala grob eine Gerade gibt. Das heissst, man kann da schon mal, wie Noli sagte, eine Kalibriergerade reinlegen, für die man eigentlich nur zwei Punkte bräuchte. Also Kalium-Lutetium könnte grob gehen. Für die andere Faktoren, das ist in dem Saint Gobain Paper gut beschrieben, braucht man die Branch-Wahrscheinlichkeit, also beim Cs, die Wahrscheinlichkeit, dass der Zerfall übers Ba137m geht, und dann die Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Photonenenergien, beim Lu176 für 307 und 302keV die 94 und 78% und dann eben noch die Photopeak-Wahrscheinlichkeit. Aber diese Photopeak-Wahrscheinlichkeit ist ja nach dem Saint-Gobain Papier bei nem großen Kristall nahe 1, beim RC101-Kriställchen vermutlich deutlich geringer. Von daher wird die Rechnung für den RC101 sicher recht unsicher. Aber ich denke für nen großen NaJ-Kristall hat man schon ne gute Chance für ne einigermaßen gute Abschätzung. :good2:   

Henri

Also, ich habe noch mal eine andere Geometrie. Ich habe zwei 10ml Glas-Durchstichfläschchen mit je 5g Lu2O3  99,99%. Eins davon hingelegt, so dass das Pulver möglichst einen "Hügel" direkt unterhalb des Radiacode-Sensors bildet. Eines direkt oben draufgestellt. Ich komme dann auf 0,028 cps/Bq  (ohne Bleiburg, Hintergrund abgezogen, +/-10%).

Allerdings, dadurch, dass so viel Luft im Fläschchen ist, kann man von einer vergleichbaren Geometrie kaum sprechen. Aber ganz grob stimmt es ja überein.

Den Grundgedanken hinter dem Experiment finde ich sehr gut! Schade nur, dass das Lu2O3 so teuer ist. Es gibt ja auch Keramiken aus Lu2O3, aber dafür muss man schon sehr tief für in die Tasche greifen. Meine Fläschchen lasse ich jedenfalls zu, dann gibt es keinen "Schwund" oder Verunreinigung.

Viele Grüße!

Henri