Bildvorstellung der Ortsdosimeter und anderer Geräte in der Fukushima Sperrzone

Begonnen von miles_teg, 09. April 2023, 15:16

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Zugpferd

Mal nachgefragt, ist das ein touristischer Aufenthalt gewesen? Wie kann man da hin, oder hattest Du beruflich dort zu tun?
Gibt es hier auch Touren die man buchen kann?

miles_teg

Zitat von: Zugpferd am 10. April 2023, 11:47Mal nachgefragt, ist das ein touristischer Aufenthalt gewesen? Wie kann man da hin, oder hattest Du beruflich dort zu tun?
Gibt es hier auch Touren die man buchen kann?
OK, das wird deutlich off-topic. Sorry!
Das war ein intendierter touristischer Aufenthalt. :) Ziel war die Besichtigung der Gegend um das havarierte KKW Daiichi. Ich habe zwar beruflich mit radioaktiven Stoffen zu tun, aber in meinem Bereich der life sciences ergibt sich leider selten die Möglichkeit der Besichtigung eines intakten oder havarierten KKWs. ;D
Ich wollte die Gegend schon seit einigen Jahren besichtigen, leider hat der Virus unbekannter Herkunft aber dazwischen gefunkt. Was zum einen Nachteile, zum anderen aber auch Vorteile hat.

Nachteile:
die Gegend ändert sich. In der Küstenzone sind schon viele der "normalen" (also in eher traditioneller japanischer Bauart ausgeführten) Gebäude, die den Tsunami überstanden haben, komplett verschwunden. Das hat, soweit ich verstanden habe, etwas mit der Entschädigungspolitik zu tun. Landeinwärts wird viel Boden abgetragen und, ebenfalls bedingt durch die Entschädigungspraxis, werde auch Gebäude abgerissen.
Insofern ist das sowohl ähnlich als auch unterschiedlich zu Chernobyl. Dort gingen die Veränderung ja sehr schnell (innerhalb der ersten Jahre) vonstatten, durch, man kann es nicht anders formulieren, Plünderungen. Danach veränderte sich Chernobyl eher durch den Tourismus, den natürliche Zerfall und dann die Besetzung durch die russischen Streitkräfte. Das scheint mir in Fukushima anders, dort gibt es kontinuierlich stattfindende Veränderungen. Auch weil es scheinbar die Absicht der Regierung ist, so vielen Menschen wie möglich die Rückkehr zu erlauben. Daher sahen Teile vor 5 Jahren ganz sicher anders aus als heute (auch bedingt durch die Öffnung für Rückkehrer) und in weiteren 5 Jahren wird es ähnlich sein.

Vorteile:
seit einiger Zeit kann man als Normalsterblicher die "rote Zone" ohne Probleme durchqueren. Ich weiß nicht genau seit wann das möglich ist, m.E. war es 2019 aber noch nicht so. Da gab es an den Strassen entsprechend bewachte Sperren. Sicher hätte man Wege gefunden auch so in die rote Zone zu kommen, aber halt immer mit dem Risiko der klaren Illegalität. Generell kann man sich, von der Gegend um das Kraftwerk abgesehen, recht frei bewegen. Was genau jetzt erlaubt oder verboten ist, ist mir nicht so ganz klar. Und da die Japaner mit negativen Aussagen auch so ihre kulturellen Probleme haben, habe ich dann auch nicht weiter nachgebohrt. 8) Ich habe in Namie und weiter westlich jedenfalls einige Leute gesehen und die haben scheinbar keinen Anstoß an meiner Anwesenheit genommen. Obwohl ich natürlich nicht als Japaner durchgehe und mit 2 Foto- und einer 360° Kamera, wild klickendem RAYSID (1:50 Klickrate war in vielen Teilen der roten Zone notwendig) und hohen HAIX Stiefeln plus Outdoorkleidung klar als Fukushima-Tourist erkennbar war.  ;D

Ein weiterer Vorteil: Besichtigung des Kraftwerksgeländes auch für Normalsterbliche. Das war früher (5 Jahre?) wohl nur Wissenschaftlern oder Personen mit berechtigtem Interesse vorbehalten. Inzwischen kann man sich über Dritte auch für solche Touren anmelden.

Das bringt uns dann zur Organisation: ich habe mich für Real Fukushima entschieden und dort die FDNPS study tour gebucht. Karin Taira ist die verantwortliche Person und sie ist absolut fantastisch. Sehr unjapanisch im positiven Sinn, also erstmal offen herzlich, auch uns "Fremden" gegenüber. Sehr empfehlenswert.
Ob es noch andere Anbieter gibt, weiß ich nicht. Ich habe mich auf die Erfahrungen von Peter Hohenhaus und Andreas Schoeps verlassen, mit letzterem hatte ich direkt kommuniziert.  Auf jeden Fall ist das viel weniger touristisch erschlossen als Chernobyl. Das "Problem" der FDNPS study tour ist die relativ kurze Vorlaufzeit von 2 Monaten. Man kann sich also frühestens 2 Monate vorher eintragen und bekommt dann innerhalb kurzer Zeit Bescheid. Meine Empfehlung: sich so schnell wie möglich eintragen, denn die Zahl der Plätze ist begrenzt. Das macht die Planung von Flug und Hotels ein wenig kritischer, primär teurer (meine Erfahrung). Es gibt aber auch die "normalen" Touren, wo man mit dem Bus verschiedene Bereiche sieht und Shuzo (ein eher typischer Japaner ;)) als Ortsansässiger viele interessante Dinge erzählt. Für uns gab es eine Kombination: ab 8:30 eine kurze Tour im Bus durch die Gegend (inklusive Besichtigung des offiziellen Museums und der Ukedo Elementary School) ab 12:30 waren wir dann komplett in TEPCOs Hand.

Unterkünfte gibt es z.B. in Odaka, ich habe 3 Tage im Futabaya Inn zugebracht. Sehr traditionell (also kein einzelnes Bad pro Zimmer) aber mehr Komfort als in Chernobyl Town. Und die Besitzer sind sehr, sehr freundlich und das Essen fantastisch. Ich hatte Glück, weil jeden Abend jemand da war der relativ gutes Englisch sprach. Das hat zu langen und sehr interessanten Gesprächen mit den Besitzern und anderen Gästen geführt, definitiv ein highlight für mich. Es gibt aber auch klassische Hotels in der Umgebung.
Im Prinzip müsste man aber keine Tour buchen und man könnte alles auch selbst organisieren (also Besichtigung der Schule und des Museums etc.). Was definitiv notwendig ist: ein Auto. Ansonsten ist man in seiner Reichweite sehr limitiert. Es gibt zwar Busse, ich denke aber das dies nicht ideal ist. Ich bin in Tokio gestartet, hatte einen kleinen Hybrid-Toyota gemietet und bin dann in Richtung Fukushima aufgebrochen. Ich empfehle in den sauren Apfel zu beißen und die Mautstrassen zu nehmen (ETC für den Mietwagen, Abrechnung am Ende, ist am einfachsten), ansonsten kann man locker die doppelte Zeit rechnen (also 6 statt 3 Stunden für die knapp 300 km). Dafür bin ich mit 3.5 L/100 km gefahren und die Spritpreise in Japan sind etwas besser als hier. Von Sendai aus ist es natürlich kürzer, aber das bedeutet einen zusätzlichen Stop in Japan beim Fliegen, denn es gibt m.E. keine Direktflüge. Direktflüge nach Tokio gibt es natürlich, die sind aber teuer. Ich bin mit Korean Air über Seoul (Incheon) geflogen und war relativ zufrieden (von der Flugänderung kurz nach Buchung mal abgesehen).
OK, genug off-topic...

Zugpferd

Coole Erfahrung, vielen Dank!
Ich weiß nicht wie ich mit Japanern umgehen muss, arbeitstechnisch habe ich Kontakt mit ihnen, da wollen sie aber was von mir, daher ist das immer alles relativ.
Interessanter Bericht, danke dir.

miles_teg

Zitat von: Zugpferd am 10. April 2023, 20:35Ich weiß nicht wie ich mit Japanern umgehen muss, arbeitstechnisch habe ich Kontakt mit ihnen, da wollen sie aber was von mir, daher ist das immer alles relativ.
Ich spreche kein Wort Japanisch und das macht eigentlich nichts. Dank moderner Technologie kann man sich schon irgendwie verständigen. Nur "richtige" Gespräche wird man damit halt eher nicht führen können. Insofern hatte ich Glück, das an allen Abenden Japaner mit guten Englischkenntnissen anwesend waren, die so freundlich waren für die anderen Japaner zu übersetzen.
Und als Ausländer gelten für einen nicht die gleichen kulturellen Regeln. Zum einen wird man sowieso "Fehler" machen, das lässt sich m.E. im Ausland kaum vermeiden und es wird, so denke ich, auch nicht erwartet das man alles weiß. Ich würde das jedenfalls nicht überbewerten.  :unknw: