Eichen oder nicht eichen? Das ist hier die Frage...

Begonnen von Henri, 09. August 2023, 22:05

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Henri

Es mag ja Leute im Hobby-Bereich geben, die ein sehr gutes Einkommen haben und ihr Hobby sehr ernsthaft betreiben und deshalb vielleicht irgendwann mal auf die Idee kommen könnten, sich ein werksfrisches professionelles Strahlenmessgerät kaufen zu wollen.

Professionell bedeutet, dass es aufgrund seiner Bauart in Bereichen verwendet werden darf, in denen die Verwendung des Gerätes gesetzlich vorgeschrieben ist, also allgemein gesagt im Bereich des betrieblichen Strahlenschutzes. Das Schlagwort hierzu ist "eichfähig".

Die Frage, die sich dem Hobbyisten stellt: reicht es mir, ein "eichfähiges" Gerät zu besitzen, oder soll es tatsächlich geeicht sein? Beim Händler kann man sich aussuchen, ob es mit oder ohne Eichung geliefert werden soll. Die Preisdifferenz beträgt ca. 500,-.

Was passiert nun bei einer "Eichung"? Im Gegensatz zu einer Kalibrierung erfolgt bei einer Eichung kein Eingriff ins Gerät. Der Kalibrierfaktor wird nicht angepasst. Es wird lediglich überprüft, ob das Gerät die Vorschriften einhält, sowohl was die Bauart als auch das Messergebnis betrifft. Eine Eichung ist eine hoheitliche Aufgabe, eine Kalibrierung können auch Privatfirmen anbieten.

Alle 2 Jahre muss ein Gerät nachgeeicht werden. Erwirbt man eine eigene Kontrollvorrichtung, kann man die Frist für die Nacheichung verlängern. Hält das Gerät während der Eichung bei der meßtechnischen Überprüfung die Grenzwerte nicht ein, wird es zurückgewiesen. Dann muss es erst kalibriert oder instand gesetzt werden, bevor man es dann wieder eichen lässt.

Das alles ist nicht billig. Eine Kalibrierung und Eichung kann mehr kosten als der Geräteneupreis.

Als Hobbyist wird man nun schnell zur Erkenntnis kommen, dass man keine Eichung braucht. Das Gerät kommt ja frisch kalibriert vom Werk. Wofür braucht man nun noch die amtliche Bestätigung, dass die Kalibrierung stimmt.

In 2015 wurde jedoch ein neues Eichgesetz erlassen. Und dieses besagt, dass ein Gerät, das man eichen lassen kann, eine Konformitätsbewertung vor dem Inverkehrbringen (früher hieß das "Ersteichung") benötigt. Kaufe ich mir also ein nicht erstgeeichtes ("konformitätsbewertetes") Neugerät, und möchte es  später wieder verkaufen, kann es der neue Besitzer nicht mehr als geeichtes Gerät verwenden! Man wird also keinen Käufer aus dem professionellen Bereich dafür finden können.

Hinzu kommt, dass man so ein konformitätsbewertetes ("erstgeeichtes") Gerät innerhalb von 6 Wochen nach der Erstinbetriebnahme behördlich registrieren muss (Anzeigepflicht).

Also heißt es, wenn man das Geld für die amtliche Konformitätsbewertung beim Kauf nicht ausgeben möchte: einmal Hobbygerät - immer Hobbygerät!

Einen kleinen Ausweg gibt es jedoch. Wird das gebrauchte, nicht "erstgeeichte" Gerät umfangreich instand gesetzt, kann das Eichamt im Einzelfallentscheid die nach der Instandsetzung erfolgende neuerliche Inbetriebnahme als Erstinbetriebnahme werten. Die Instandsetzung mit anschließender Konformitätsbewertung hat natürlich zwingend durch den Hersteller zu erfolgen. Viel Geld wird man gegenüber einem Neugerät also nicht sparen.

Nun ja - viel Bürokratie ist das jedenfalls. Ist halt "professionell"  8)

Wer sich noch weiter ins Thema einlesen möchte, findet hier eine detailliertere Erläuterung:

https://www.gfd-katalog.com/master/media/MKK/media/29/290290_INFORMATION.PDF

Viele Grüße!

Henri

DL4LNX

Ich glaube es kommt immer ein wenig darauf an, was man genau damit tuen möchte. Ich finde den Hinweis mit dem Wiederverkauf in den professionellen Bereich allerdings wichtig.

Im Bereich Elektronik habe ich mir tatsächlich viele Jahre nach der Ausbildung mein damaliges Traumgerät gegönnt und das hat auch einen entsprechenden Aufkleber. Getreu dem Motto wer viel misst, misst viel Mist habe ich so eine zuverlässige Referenz gegen die ich meine anderen Geräte vergleichen kann.
Wenn du nun fragst, war das notwendig? Nein, bestimmt nicht, aber ich habe mir damit einen ganz besonderen Wunsch erfüllt, den ich mir mit 16 nicht leisten konnte.

Würde ich es in diesem Hobby auch so tuen? Nur, wenn mir ein entsprechendes Gerät zu einem wirklich gutem Preis über den Weg läuft, weil ich dieses Gerät erheblich seltener benutze.
Eher würde ich auf Basteln setzen und schauen, ob ich vielleicht in einer Uni oder irgendwo, wo man Proben mit definierter Aktivität hat, eine Kalibrierung machen darf.

Henri

Zitat von: DL4LNX am 09. August 2023, 22:40Würde ich es in diesem Hobby auch so tuen? Nur, wenn mir ein entsprechendes Gerät zu einem wirklich gutem Preis über den Weg läuft, weil ich dieses Gerät erheblich seltener benutze.
Eher würde ich auf Basteln setzen und schauen, ob ich vielleicht in einer Uni oder irgendwo, wo man Proben mit definierter Aktivität hat, eine Kalibrierung machen darf.

Wenn man viel Geld in Messtechnik investiert, die einem dabei hilft, gute Sachen bauen zu können, kann ich es nachvollziehen, ein wenig Geld in die Hand zu nehmen. Ein richtig hochwertiges Oszilloskop bringt viel mehr Spaß als so ein Billigteil und erschließt ganz andere Möglichkeiten. Als Funkamateur kann man sicherlich viel Spaß mit guter (teurer) HF-Messtechnik haben.

Privat würde ich auch nicht so viel Geld für ein gutes Strahlenmessgerät ausgeben.

Ich finde es aber interessant, dass man früher ein eichfähiges Gerät kaufen konnte, und wenn man später in eine Situation kam, die Eichung zu brauchen, es einfach zum Eichamt schickte.
Mit der Gesetzesnovelle ist die Eichfähigkeit nun nicht mehr ans Gerät gebunden, sondern daran, ob der Staat bei der Inverkehrbringung mitverdienen durfte. Ich sehe keinen logischen Grund dafür: die Baueigenschaften aller Exemplare eines "eichfähigen" Gerätemodells sind gleich, und das Einhalten der Grenzwerte kann man zu einem beliebigen Zeitpunkt feststellen.

Vielleicht möchte man sicherstellen, dass am Gerät nach dem Kauf nicht manipuliert wurde und es dann nur den Anschein erweckt, als würde es die baulichen Anforderungen erfüllen. Aber dann müsste man konsequenterweise ein Gerät mit beschädigtem Eichsiegel nicht mehr nacheichen dürfen.

etalon

Zitat von: Henri am 09. August 2023, 22:05...
Kaufe ich mir also ein nicht erstgeeichtes ("konformitätsbewertetes") Neugerät, und möchte es  später wieder verkaufen, kann es der neue Besitzer nicht mehr als geeichtes Gerät verwenden! Man wird also keinen Käufer aus dem professionellen Bereich dafür finden können.
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Also heißt es, wenn man das Geld für die amtliche Konformitätsbewertung beim Kauf nicht ausgeben möchte: einmal Hobbygerät - immer Hobbygerät!
...

Ich frage mich ehrlich gesagt schon seit längerem, warum man hier im Hobbybereich so auf die Eichung fixiert ist. Diese ist doch nur die staatliche Garantie dafür, dass das ausgegebene Messergebnis eines Messgerätes im Rahmen der zulässigen Toleranzen auf ein amtlich zertifiziertes Normal zurückzuführen ist. Quasi eine amtlich zugelassene QS-Prüfkette.
Das sagt nichts darüber aus, dass ein nicht geeichtes Messgerät nicht genauso gute oder sogar genauere und richtige/verlässliche Messwerte liefert. Eine vernünftige und reproduzierbare Kalibrierung ist mir weit wichtiger, als eine Rückführbarkeit auf einen gesetzlichen Eichstandard.

@Henri auch das mit dem Wiederverkauf in den professionellen Bereich stimmt so nicht. Dort sind die allermeisten Messgeräte nicht geeicht! Eine Eichung ist nämlich nur dann erforderlich, wenn aus den Messungen Dosiswerte für den Menschen abgeleitet werden (also z.B. Personendosimeter), oder Strahlenschutzbereiche abgegrenzt werden. Auch bei Radioaktivtransporten sind sie vorgeschrieben, da ja dort die vorbeschriebenen Tätigkeiten quasi mit erfüllt werden. Für alles andere braucht man keine geeichten Messgeräte, aber kalibriert müssen sie sein und einer regelmäßigen wiederkehrenden Prüfung unterzogen werden.

Das muss man also alles nicht so eng sehen. Ich würde auf jeden Fall das Geld in vernünftige Messtechnik investieren und nicht zu Gunsten eines unwichtigen Aufklebers dort Abstriche machen...

NoLi

#4
Noch kürzer: alle Dosis- und Dosisleistungsmessgeräte, welche im strahlenschutzrechtlichen Verkehr verwendet werden, müssen geeicht sein.

Norbert

Oliver

Bei der Eichung wird eigentlich nur nochmal geprüft, ob die Toleranzen und Grenzwerte zur Genauigkeit wirklich eingehalten werden. Diese werden in der Regel eingehalten, mit der Eichung weiß man aber, dass sie auf jeden Fall eingehalten werden. Für Behörden ist dies zum Beispiel wichtig, damit man sich auf die Messwerte auch in jedem Fall verlassen kann. Es ist das selbe wie bei einem Feuerlöscher: lasst ihr da privat alle 2 Jahre den Prüfaufkleber erneuern? Wahrscheinlich nicht, denn ihr könnt den Feuerlöscher selber äußerlich prüfen und wisst, dass er zu einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit funktioniert. Mit dem Aufkleber versichert einem dies nochmal eine andere, fachkundige Person. Genau diese 100%ige Sicherheit, dass bestimmte Toleranzen eingehalten werden, braucht man bei privaten Messgerät für ionisierende Strahlung aber nicht. Man kann selber feststellen, dass das Gerät recht genau ist. Dies muss einem keine Eichplakette mehr versichern.

NoLi

Wie schon erwähnt, ist die Eichung eine rechtliche Forderung im Strahlenschutzgesetz und der Strahlenschutzverordnung.
Eichen macht ein Beamter, dessen Integrität bei Ermittlungen und nachfolgenden Prozessen erstmal nicht in Frage gestellt wird.
Böse Zungen meinen: das Eichsiegel, der Fels in der Brandung des Unrechts... 8)

Norbert