Betastrahlung und Quantenphysik

Begonnen von Butterfly, 11. August 2023, 19:42

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Butterfly

Hallo,

wie verhält sich das eigentlich? Nachdem was ich über Quantenphysik gelesen habe können Elektronen (nichts anderes sind Betateilchen ja auch ) gar nicht so ohne weiteres gemessen werden.
Die Quantentheorie sagt doch aus daß ein Elektron sich nur linear verhält wenn man nicht durch Messen in diesen Vorgang eingreift. D.h. sobald ich versuche die Elektronen (Menge und Ort ihres Auftretens) zu messen sind sie gar nicht mehr da oder aber woanders.
Das würde doch heißen daß jede Messung von Betastrahlung nicht richtig sein kann, oder? Habe ich da was mißverstanden?
Mit Gammastrahlung müsste es sich ähnlich verhalten da diese nach Quantentheoretischen Ansätzen auch als Partikel gewertet werden...

Lg Peter

NuclearPhoenix

Ich denke mal du meinst im großen und ganzen einfach die Heisenbergsche Unschärferelation, richtig?

Die einfachste Antwort die ich dir hier geben kann ist, dass die Unschärferelation erst bei extrem genauen Messungen relevant wird. Da wir hier eigentlich immer nur von makroskopischen Größen reden mit denen so ein Elektron interagiert (Szintillator, Zählrohr, was auch immer), die zudem sowieso auch eine viel größere maximal mögliche Auflösung haben, fällt das einfach nicht mehr ins Gewicht.

Außerdem: Bei der Unschärferelation geht es nur um die Ungenauigkeit der Messungen von zum Beispiel Ort und Impuls gleichzeitig. Das heißt aber nicht, dass man nicht beides gleichzeitig messen kann. So lange der Impuls über der Messschwelle meines Detektorsystems liegt, weiß ich, dass ein Elektron irgendwo durch das Messmedium durchgegangen ist. Wo das dann war, ist auch komplett egal, d.h. die Messgenauigkeit "Ort" beschränkt sich einfach nur auf "irgendwo im Detektor". Das Volumen ist dann in der Regel auch schon so groß (makroskopisch), dass man bei der Impuls- bzw. Energie-Messung ganz andere Probleme bekommt, bevor das relevant wird.

etalon

Zitat von: Butterfly am 11. August 2023, 19:42Hallo,

wie verhält sich das eigentlich? Nachdem was ich über Quantenphysik gelesen habe können Elektronen (nichts anderes sind Betateilchen ja auch ) gar nicht so ohne weiteres gemessen werden.
Die Quantentheorie sagt doch aus daß ein Elektron sich nur linear verhält wenn man nicht durch Messen in diesen Vorgang eingreift. D.h. sobald ich versuche die Elektronen (Menge und Ort ihres Auftretens) zu messen sind sie gar nicht mehr da oder aber woanders.
Das würde doch heißen daß jede Messung von Betastrahlung nicht richtig sein kann, oder? Habe ich da was mißverstanden?
Mit Gammastrahlung müsste es sich ähnlich verhalten da diese nach Quantentheoretischen Ansätzen auch als Partikel gewertet werden...

Lg Peter

Ich hoffe, du erwartest jetzt nicht, dass dir hier in Schriftform eines Forums jemand die QM erklärt? Dazu benötigen andere viele dicke Bücher und lange Vorlesungen, um es danach doch nicht ganz verstanden zu haben...  :D

Grundsätzlich gilt aber für deine Frage, dass wir mit unseren Geräten ja keine einzelnen Elementarteilchen oder Quanten messen. Dafür sind unsere Messgeräte viel zu unempfindlich. Wir messen immer nur aus Elektronenlawinen entstehende elektrische Ströme. Und da sind wir dann ganz weit weg davon, dass quantenmechanische Wahrscheinlichkeitsdichten von irgend welchen QM-Zuständen noch einen relevanten Einfluss auf unsere Messung haben. Da haben dann die in makroskopischen Systemen in ausreichend guter Näherung Einfluss nehmenden Faktoren der klassischen Physik und der frequentistischen Statistik den viel maßgeblicheren Einfluss auf die Messung, und daher auch ganz klassische Messfehler Einfluss auf das Messergebnis. Einen Einfluss auf QM-Zustandsgrößen gibt es zwar durch die Messung auch, diese sind aber vernachlässigbar, da sie erst auf ganz anderen Skalen zum Tragen kommen.

Ich hoffe, das hilft dir etwas weiter...

kater

Und, nur um ein mögliches Missverständnis auszuräumen: In dem Moment, wo du α- oder β-Teilchen oder auch γ-Quanten mit einem Detektor misst/nachweist, sind sie natürlich in der Apparatur absorbiert worden. Selbiges gilt auch für viele andere Vorgänge, etwa das Fotografieren im sichtbaren Bereich. Aber diese Tatsache hat natürlich nichts mit Heisenberg oder Schrödinger zu tun.

etalon

Zitat von: kater am 12. August 2023, 11:40Und, nur um ein mögliches Missverständnis auszuräumen: In dem Moment, wo du α- oder β-Teilchen oder auch γ-Quanten mit einem Detektor misst/nachweist, sind sie natürlich in der Apparatur absorbiert worden. Selbiges gilt auch für viele andere Vorgänge, etwa das Fotografieren im sichtbaren Bereich. Aber diese Tatsache hat natürlich nichts mit Heisenberg oder Schrödinger zu tun.

Nein, das stimmt in der pauschalen Aussage sicher nicht. Das kann so sein, in den aller meisten Fällen ist das aber sicher nicht so und vor allem auch vom Detektor abhängig.
Was es aber immer geben muss ist eine wie auch immer geartete Wechselwirkung im Detektor, was mit einem Energieübertrag einhergeht.
Wahrscheinlich hast du das gemeint?

kater

Ja, primär habe ich das gemeint. Ich wüsste ad hoc keinen Detektor, den das Teilchen/Quant wieder verlässt, nachdem es gemessen/gezählt/nachgewiesen wurde, lasse mich aber gerne schlauer machen.

etalon

Zitat von: kater am 12. August 2023, 12:21Ja, primär habe ich das gemeint. Ich wüsste ad hoc keinen Detektor, den das Teilchen/Quant wieder verlässt, nachdem es gemessen/gezählt/nachgewiesen wurde, lasse mich aber gerne schlauer machen.

Für Photonen definitiv jeder Detektor, außer er ist unendlich ausgedehnt (gibt es eher nicht  ;) ). Für ß-Teilchen und Neutronen theoretisch auch jeder Detektor, allerdings bei zunehmender Ausdehnung mit abnehmender Wahrscheinlichkeit (gilt natürlich auch für Gammaquanten, aber mit deutlich geringerem Einfluss). Bei Alpha- und Protonenstrahlung Detektoren, welche kleiner der mittleren Weglänge in dem entsprechenden Detektormaterial (energieabhängig) des Alphateilchens oder des Protons sind.

kater

Zitat von: etalon am 12. August 2023, 12:28Für Photonen definitiv jeder Detektor

Das heißt, nachdem ein Photon z.B. im Halbleiter einer Photodiode einen Effekt ausgelöst hat, verlässt es die Photodiode wieder? Oder meinst du den Comptoneffekt?

etalon

Zitat von: kater am 12. August 2023, 12:37
Zitat von: etalon am 12. August 2023, 12:28Für Photonen definitiv jeder Detektor

Das heißt, nachdem ein Photon z.B. im Halbleiter einer Photodiode einen Effekt ausgelöst hat, verlässt es die Photodiode wieder? Oder meinst du den Comptoneffekt?

Ja richtig. Ursächlich dafür ist bei Photonen meistens die Comptonstreuung, ja.

kater

Ok, dann ist vielleicht die Frage, ob das gestreute Photon mit der niedrigeren Energie nun dasselbe Photon sei oder ein anderes. Da bin ich dann raus... zu philosophisch  :)

etalon

Zitat von: kater am 12. August 2023, 12:53Ok, dann ist vielleicht die Frage, ob das gestreute Photon mit der niedrigeren Energie nun dasselbe Photon sei oder ein anderes. Da bin ich dann raus... zu philosophisch  :)

Naja, so philosophisch ist das eigentlich nicht. Das grenzt sich ja dahingehend ab, ob erst ein Übertrag der gesamten Photonenenergie stattfindet (wie beim Photoeffekt) und dann stoßwinkelabhängig ein ,,neues" Photon mit E' wieder abgestrahlt wird, und das auf extrem kurzen Zeitskalen, also quasi instant. Oder ob ein Photon eben nur einen Teil seiner Energie überträgt und sich dann mit E' davon macht. Mein derzeitiger Kenntnisstand ist letzterer, daher ist es für mich auch das selbe Photon...  :D
Ersteres ist mE aus Gründen der Impulserhaltung ausgeschlossen, da das neu abgestrahlte Photon keine Kenntnis über den Impulsvektor hat...

Butterfly

Auf jeden Fall ein sehr interessantes und philosophisches Thema...
Danke für eure Darstellungen. Ich denke man muss wirklich zwischen makroskopischer und mikroskopischer Beobachtung unterscheiden...

LG Peter

Henri

Zitat von: etalon am 12. August 2023, 12:28Für Photonen definitiv jeder Detektor, außer er ist unendlich ausgedehnt (gibt es eher nicht  ;) ).

Na ja, diese Dinger hier werden ja speziell dafür gebaut, dass das Photon (oder was auch immer) den Detektor nicht mehr verlässt, sondern seine Energie vollständig darin abgibt:

https://de.wikipedia.org/wiki/Kalorimeter_(Teilchenphysik)

etalon

Zitat von: Henri am 12. August 2023, 21:14Na ja, diese Dinger hier werden ja speziell dafür gebaut, dass das Photon (oder was auch immer) den Detektor nicht mehr verlässt, sondern seine Energie vollständig darin abgibt:

https://de.wikipedia.org/wiki/Kalorimeter_(Teilchenphysik)

Jeder Detektor wird dafür gebaut, um möglichst viel Energie des Primärteilchens zu absorbieren. Das versucht man z. B. auch in der Gammaspektrometrie für Photonen. Immer dann, wenn ein Photon seine gesamte Energie im Detektor deponiert, dann ist dieses Ziel erreicht. Aber wie viele sind das im Vergleich zu den in den Detektor eingestrahlten Photonen, welche mindestens eine Wechselwirkung in selbigen eingehen? Das sind je nach Detektor und Energie deutlich weniger als 1%. Jetzt hat man spektrometrisch wenigstens noch die Möglichkeit, das einigermaßen abzuschätzen. Aber wie ist das bei einem GMZ oder einem Proportionaldetektor? Gerne auch mit einem Betateilchen? Da hat man keinerlei Information darüber, ob das Primärteilchen seine gesamte Energie im Zählrohr abgegeben hat, denn selbst eine anteilige Energieabgabe führt zu Sekundärelektronen und zur Ladungsverstärkung und damit zu einem Impuls.
Das gilt auch für den von dir angeführten Detektor. Jetzt ist es bei geladener Teilchenstrahlung sicherlich einfacher einen Detektor zu konstruieren, welcher eine hohe Anzahl an Teilchen komplett absorbiert im Vergleich zu einem Detektor für Photonen oder Neutronen, aber auch da sind wir von Wirkungsgraden mit 100% weit entfernt. Einzig bei Alphastrahlung können bei geeigneter Detektorwahl und -Geometrie recht hohe Wirkungsgrade erzielt werden. Aber auch hier gibt es statistisch keine 100%...

P.S.: Ich meine hier mit Wirkungsgrad nicht das Verhältnis zwischen Aktivität der Probe und Anzahl der Detektorimpulse, sondern das Verhältnis zwischen eingestrahlten Teilchen/Photonen zu denen, welche komplett ihre Energie im Detektor deponieren, also absorbiert werden.