Altes Picoamperemeter zum Leben erweckt

Begonnen von DL3HRT, 07. Februar 2024, 13:55

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DL3HRT

Vor kurzem ist mir ein Keithley 410 "zugelaufen". Das ist ein Picoamperemeter, welches - von ein paar Gleichrichterdioden abgesehen - noch vollständig mit Röhren bestückt ist. Das Baujahr war 1968, das Gerät ist also schon älter als 55 Jahre und damit jünger als ich  ;).

Einer der Elkos war defekt aber der Rest ist noch vollkommen in Ordnung. Das Gerät ist sehr massiv aufgebaut. Ich bin immer wieder vom "Widerstandsrevolver" der Bereichsumschaltung beindruckt. Auf dem größten Widerstand kann man "1000000" lesen. Das sind 1000000 MOhm, also 1 TOhm bei 3% Genauigkeit.

Der Eingangs-Offset-Strom liegt bei ca. 20 fA, für solch ein altes Gerät ein ausgezeichneter Wert. Ich habe die Messwerte mit anderen Messgeräten verglichen und musste nach so vielen Jahren überhaupt nichts an der Kalibrierung ändern. Die Anzeige ist nach wie vor korrekt und weit liegt innerhalb der angegebenen Messungenauigkeit von 4%.

Es gibt einen analogen Stromausgang (1 mA). Dort werde ich bei Gelegenheit etwas moderneres Anschließen, um die Messwerte aufzuzeichnen.

Das Gerät hat einen 216 V Spannungsausgang zur Versorgung einer Ionisationskammer. Diese Spannung ist mittels zweier Stabilisatorröhren stabilisiert. Ich habe heute meine selbstgebaute Ionisationskammer angeschlossen und einen alten Sicherungsautomaten mit Radiumleuchtfarbe vor die Kammer gelegt. Es ergab sich ein Kammerstrom von > 4 pA. Der Strom rührt vor allem von der Alphastrahlung her. Wenn ich eine Kunststoffkappe auf das Eintrittsfenster der Ionisationskammer aufstecke, so erhöht sich der Strom um lediglich 0,04 pA = 40 fA. Das ist dann der Einfluss von Beta- und Gammastrahlung.

Ich frage mich, was ein modernes Messgerät in 55 Jahren macht? Vermutlich gar nichst mehr, da der Controller sein Programm vergessen hat  8) .



Radiohörer

...kennt jemand noch ne Quelle für die verglasten Höchst-Ohm-Widerstände?

Radium

Die scheinen ab und zu mal auf Ebay aufzutauchen.
Geigerzähler: DP-66, FH 40 TV, IT-65, Szintillationszähler: RAM-63

DL3HRT

Genau, einfach auf ebay.com schauen und nach "victoreen glass resistor" suchen. Ich habe mir letztens einen 10 GOhm 2% für meinen Kalibrator gekauft. Die Widerstände sind meist gebraucht aber in der Regel noch gut. Garantiert ist das allerdings nicht.

Kermit

Das Gerät sieht aus, als ob es frisch aus dem Werk kommt :). Zumindest im Inneren, die leicht angerosteten Schrauben machen da auch eher den Charme des Gerätes aus. Gratulation, ein schönes Gerät  :)

Zitat von: DL3HRT am 07. Februar 2024, 13:55Ich frage mich, was ein modernes Messgerät in 55 Jahren macht? Vermutlich gar nichst mehr, da der Controller sein Programm vergessen hat 

Hier würde ich mal postulieren, das in 55 Jahren keiner mehr sagen kann, was der Knopf und das Messwerk bedeuten, von einer Bedienung ganz abgesehen.  ;)



Radiohörer

Zitat von: DL3HRT am 07. Februar 2024, 19:08Genau, einfach auf ebay.com schauen und nach "victoreen glass resistor" suchen. Ich habe mir letztens einen 10 GOhm 2% für meinen Kalibrator gekauft. Die Widerstände sind meist gebraucht aber in der Regel noch gut. Garantiert ist das allerdings nicht.
Da liegt der Hase im Pfeffer: wenn man sie nicht mit Pinzette oder Handschuhen auslötet ohne sie anzugriffeln, gibts später Probleme >:(
So weit ich mich an meine "Jugendzeit"  ;D zurück erinnere, war es DAS Problem, wenn ich oder einer der Kollegen unabsichtlich das Glasröhrchen angefingert hat. Das hatte zur Folge, dass die Verstärkung je nach Luftfeuchtigkeit driftete. Ich bin dann ein paar mal raus, Vorverstärker tauschen. In der Firma haben wir den Elektrometer-OP raus und mit der Lupe und UV nach Fingerabdrücken gesucht. Anfangs auch mal mit Freon gewaschen. Ich glaube mich zu erinnern, dass das aber nix geholfen hat. Mit täglich frischen Baumwollhandschuhen und sofort Gehäuse zu, haben wir das Problem in den Griff bekommen.
Ein ähnlichen Problem gabs bei den Reedkontakten, die für uns im Winter? oder bei sehr niedriger Luftfeuchtigkeit hergestellt und speziell Ausgemessen wurden und den keramischen Lötstützpunkten...

Radioquant98

nun ja, nach so vielen Jahren sind die wohl Alle mehr odere weniger hochohmiger geworden. Dem wirkt die Hydrophobierung, die wohl nicht mehr da ist oder zumindest schlechter geworden ist entgegen.
Ich habe auch noch paar davon, allerdings DDR-Ware, die ich schon seit zwei Jahren suche und nicht mehr finde.

Es wäre interessant womit man hydrophoobiert. Waschen ist ja einfach, das hilft solange die Luftfeuchtigkeit gering ist.

Hochohmiges ist Teufelszeug, schlimmer als Feuer und Wasser. Diese Hochohmigkeit ist zudem auch noch spannungsabhängig, weshalb Höchstohmwiderstände immer mit der Spannung gemessen werden, bei der sie eingesetzt werden.

Die Glaswiderstände werden wohl nicht mehr hergestellt. Die snd für meist 1kV. Da heute keine Röhren mehr eingesetzt werden, wird auch die Isolation einfacher und Kunststoffe ersetzen das Glas.

Viele Grüße
Bernd

Radiohörer

Zitat von: Radioquant98 am 07. Februar 2024, 23:59nun ja, nach so vielen Jahren sind die wohl Alle mehr odere weniger hochohmiger geworden. Dem wirkt die Hydrophobierung, die wohl nicht mehr da ist oder zumindest schlechter geworden ist entgegen.
tja, was soll bei einem oder 100 GOhm noch viel hochohmiger werden?
Ich glaube nicht, dass das Glas mit irgend etwas "verbessert" wurde!
Verschlechtert durch Alterung der Beschichtung aber bestimmt...

DL3HRT

Ich habe kürzlich vier Victoreen Glaswiderstände gekauft, die mit 100 GOhm 2% beschriftet sind. Ich hatte noch keine Zeit sie genau auszumessen aber der aktuelle Widerstandswert liegt eher zu niedrig im 90er GOhm-Bereich. Wenn ich sie genau ausgemessen habe, werde ich berichten.

Die in den Keithley-Geräten eingesetzten Glaswiderstände von Victoreen sind speziell für den Einsatz in Messgeräten ausgelegt. Daher dürfte ihre Bemessungsspannung etwas niedriger als 1 kV liegen. Sie sind auch speziell auf einen möglichst geringen Spannungskoeffizienten ausgelegt.

Dass sie auch nach langer Zeit noch gut funktionieren können, zeigen die Messwerte. Die passen nämlich noch sehr gut. Aber klar ist, das Anfassen der Glaskörper ist verboten!  ;)

Ich hatte einmal die ab und zu bei Ebay angebotenen russische Glaswiderstände getestet. Die waren eine Katastrophe. Ein 10 GOhm-Widerstand hatte nur noch 7 GOhm.


DL3HRT

Die Spannungsversorgung des Keithley 410 war übrigens eine kleine Herausforderung. Es kann nur mit 115 V / 60 Hz betrieben werden. Nun könnte man auf die Idee kommen, das Gerät einfach an einem Regeltrafo mit 115 V / 50 Hz zu betreiben. Bei den meisten Geräten funktioniert das auch. Beim Keithley 410 kommt allerdings ein ferroresonanter Transformator von Sola zum Einsatz.

Ferroresonante Transformatoren zeichen sich dadurch aus, dass es eine zusätzliche Wicklung gibt, an welche ein Kondensator angeschlossen ist. Dessen Größe ist so gewählt, dass er zusammen mit der Induktivität der Wicklung einen Resonanzkreis für die Netzfrequenz bildet, in diesem Fall also 60 Hz. Durch diesen Resonanzkreis wird der Kern in die Sättigung getrieben und die Ausgangsspannung ist nicht mehr so stark abhängig von der Eingangsspannung. Außerdem werden Oberwellen der Netzfrequenz effektiv gefiltert, was bei empfindlichen Messgeräten sehr wichtig ist. Das Problem ist, dass ein ferroresonanter Transformator nur in einem engen Frequenzbereich funktioniert. Bei 50 Hz kommt nicht mehr genug Spannung aus dem Transformator.

In den Fotos vom Gerät sieht man den Kondensator (großes Alugehäuse) direkt hinter dem Messinstrument. Er ist mit 1 µF / 850 VAC spezifiziert. Ich habe versuchsweise 440 nF parallel zu diesem Kondensator geschaltet. Damit war der Trafo bei 50 Hz in Resonanz. Dennoch lagen die Ausgangsspannungen des Transformators immer noch zu niedrig. Eigentlich logisch, denn ein für 60 Hz berechneter Transformator benötigt weniger Eisen im Kern als bei 50 Hz. Daher funktioniert er bei 50 Hz nicht richtig. Andersherum wäre es kein Problem.

Die Lösung war letztendlich ein 12 V auf 115 V Spannungswandler mit echtem Sinusausgang. Damit funktioniert es jetzt einwandfrei. Das Gerät hat eine Leistungsaufnahme von ca. 40 W. Der Transformator wird ordentlich warm (60°C), aber das ist eine Eigenart der ferroresonanten Transformatoren.



Radioquant98

Hallo DL3HRT,

Netzresonanztrafos, kenne ich eigentlich nur von Kleinschweißtrafos. In Meßgeräten ist mir das neu. Man lernt halt nie aus und früher hatte man viele solche Schaltungs"tricks" drauf. Heutzutage ist davon schon Vieles verlorenes Wissen. Jeder Scheiß wird heute mit Prozessoren gemacht, und wenn es auch nur die Einschaltkontrolle ist :))

Es Wäre übrigens sehr schön wenn Du mal Schaltpläne von deinen Sachen zeigen würdest. Sowas interessiert mich ungemein.

Viele Grüße
Bernd

DL3HRT

Zitat von: Radioquant98 am 08. Februar 2024, 22:14Es Wäre übrigens sehr schön wenn Du mal Schaltpläne von deinen Sachen zeigen würdest. Sowas interessiert mich ungemein.

Das mache ich doch gerne. Auf den Tektronix-Seiten findet man tatsächlich viele der alten Keithley-Handbücher.
Hier das Handbuch zum Keithley 410: https://download.tek.com/manual/410C(Model410_410C).pdf

DL3HRT

Zitat von: DL3HRT am 08. Februar 2024, 07:42Ich habe kürzlich vier Victoreen Glaswiderstände gekauft, die mit 100 GOhm 2% beschriftet sind. Ich hatte noch keine Zeit sie genau auszumessen aber der aktuelle Widerstandswert liegt eher zu niedrig im 90er GOhm-Bereich. Wenn ich sie genau ausgemessen habe, werde ich berichten.

Ich habe die vier Widerstände mit meinem Keithley 616 gemessen. Die gemessenen Werte für alle vier Widerstände liegen im Bereich von 93 GOhm bis 95 GOhm. Das spricht schon einmal dafür, dass sie ihre 2% Toleranz einhalten  :). Jetzt ist natürlich die Frage, wie groß der Messfehler des Keithley 616 ist? Dennoch sind alle vier Widerstände noch brauchbar.

Ich werde die Widersände auch noch mit dem AAtiS AS608 Messverstärker durchmessen, indem ich eine Spannung von 1 V anlege und den Strom messe. Bei 1 V müssten es 10 pA sein, also ein bequem zu messender Strom. Im AS608 habe ich einen 1 GOhm 1% Feedback-Widerstand verbaut. Er misst also recht genau.

Radioquant98

Danke, aber ich meinte eigentlich die Schaltung vo deinem Wandler.

Höchstohmwiderstände mißt man eigentlich mit der Betriebsspannung.
Wenn Du aber mit kleinere Spannung mißt, siehst Du dessen Spannungabhängigkeit und das dann die Krichströme auch kleiner werden.

Viele Grüße
Bernd

DL3HRT

Zitat von: Radioquant98 am 11. Februar 2024, 01:00Danke, aber ich meinte eigentlich die Schaltung von deinem Wandler.

Das war dann ein Missverständnis meinerseits. Mit dem Schaltplan des Sinuswandlers von 12 VDC auf 115 VAC 60 Hz kann ich nicht dienen. Ich habe den Wandler bei aliexpress gekauft. Er ist mit einer Spitzenleistung von 1000 W und einer Dauerleistung von 500 W angegeben. Das halte ich, wie so oft bei den Chinesen, für stark übertrieben. Ich gehe eher von 200 W - 300 W Dauerleistung aus. In meinem Fall stört mich das nicht, da ich nur ca. 40 W benötige und der Wandler preiswert ist. Und vor allem: Es kommt tatsächlich Sinus und kein Trapez raus :)

Hier ein Beispiel: https://de.aliexpress.com/item/1005006420621855.html

Die Wandler gibt es mit verschiedenen Ein- und Ausgangsspannungen.

ZitatHöchstohmwiderstände mißt man eigentlich mit der Betriebsspannung.
Wenn Du aber mit kleinere Spannung mißt, siehst Du dessen Spannungabhängigkeit und das dann die Kriechströme auch kleiner werden.
Deshalb habe ich auch bei drei verschiedenen Spannungen gemessen: 1 V, 10 V und 100 V. Bei 100 V ist der gemesseene Widerstandswert ca. 2 GOhm niedriger, was immer noch OK ist. Ich möchte die Widerstände im AS608 Messverstärker testen und da ist die höchste Spannung 4,5 V.