Das Wetterprojekt in Schneeberg/Erzgebirge

Begonnen von DG0MG, 12. Mai 2025, 20:59

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DG0MG

Wetterprojekt?
Wollen die Sachsen das Wetter verändern? Chemtrails?

Nein. Ganz anders.

Fangen wir mal mit dieser Lithografie an:

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Damit illustrierte bereits 1745 Johann Friedrich Henckel das Siechtum vieler sächsischer Bergleute in Form der "Schneeberger Krankheit". Diese wurden im Allgemeinen nicht sehr alt und starben häufig an Lungenkrebs. Dass das am Staub und "schlechter Luft" an ihrem Arbeitsort lag, wusste man auch damals schon. Dass der wirkliche Grund das Radon ist, fand man später heraus.

Schneeberg im Erzgebirge:

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Der Boden unter Schneeberg ist durch jahrhundertelangen Bergbau durchlöchert wie ein Schweizer Käse.
Aus den unzähligen Stollen, die teils sehr tagesnah liegen, dringt Radon in die Häuser ein. Ohne die Stollen wäre das Radon-Problem zwar auch da, sie begünstigen aber seine Verbreitung zusätzlich. Die Menge an betroffenen Häusern und die gemessenen Radonkonzentrationen sind exorbitant hoch. Mehr oder weniger ist das ein Einzelfall, den es anderswo in Deutschland so nicht nocheinmal gibt.

Ich hatte das Video schon an anderer Stelle verlinkt, aber hier passt es natürlich extrem gut zur Illustration des Problems. Ab 18:50 min Radonmessungen unmittelbar nach der Wende in Schneeberg, tlw. mehrere 10.000 Bq/m3:


Es gab nun über die Jahre verschiedene Wege, mit den ausgeerzten oder abgeworfenen Stollen umzugehen:

  • Im Mittelalter hat man sie einfach aufgelassen, Schächte vielleicht zugeschüttet
  • Zu DDR-Zeiten war die Theorie, Stollensysteme luftdicht abzumauern. Das sollte den Nutzen haben, das natürliche "Atmen" des Berges, also das Entstehen von Luftströmen durch Schwankungen des Luftdrucks und der Temperatur zu verhindern.
  • Nach der Wende wurde das Zumauern aufgegeben und stattdessen darauf gesetzt, die natürliche Bewetterung der Grubenbaue zu forcieren, um das Radon aus den Stollen zu bekommen und damit die Radonkonzentration in den Wohnhäusern ebenfalls zu senken. Das war nicht von Erfolg gekrönt, die Erkenntnis war, dass eine natürliche Bewetterung nicht ausreicht.
  • Der nächste Ansatz (ca. in den letzten ~15 Jahren) war, mehrere Öffnungen in das Grubengebäude zu schaffen, an denen aktive Lüfter installiert sind, die im Untergrund einen leichten Unterdruck schaffen, indem sie Luft aus den Stollen und Schächten ansaugen und über eine Art Schornsteine in die Luft abgeben, wo sich das Radon schnell verdünnt. Diese Strategie hat Erfolge gezeigt - die Radonkonzentration in Wohngebäuden ist an vielen Stellen gesunken.
  • Der nächste Schritt ist eben das "Wetterprojekt" (Wetter nennt der Bergmann Luftströmungen im Bergwerk). Dazu muss natürlich unterirdisch ein weitverzweigtes Netz von offenen Stollen vorhanden sein, damit die Luft von überall her strömen kann. Ein weiteres Abluftbauwerk wird an einem früheren Wismut-Schacht neu erichtet. Einige weitere Zuluftöffnungen kommen noch dazu. In Bad Schlema wird schon länger auf diese Weise der Untergrund entlüftet, auf die dabei gewonnenen Erfahrungen will man aufbauen.

Zum näheren Verständnis bitte dieses Video anschauen, in dem Vertreter des sächsischen Oberbergamtes, der Bergsicherung, der WISMUT GmbH und der Stadt Schneeberg vor etwa 2 Jahren über das Vorhaben informierten. Ein Teil dessen, was erzählt wird, ist inzwischen schon umgesetzt:



Dieser Vortrag imRahmen des sächsischen Radontages gibt ebenfalls einen guten Überblick: https://www.strahlenschutz.sachsen.de/download/tg8_praes_10-30_leissring__Vortrag2_Saechs_Radontag_Sep12.pdf


Um das "durchlöchert wie ein Schweizer Käse" mal noch zu illustrieren: So sieht es unter einem kleinen Teil von Schneeberg (Innenstadt) aus, das Grubenfeld ist noch VIEL größer:

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"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

Wie sehen nun die jetzigen Abluftöffnungen nach Punkt 4 in natura aus?
Ich hab sie mal alle besucht. Ich hoffe, ich habe keine vergessen, falls jemand was zu ergänzen hat, bitte gerne. Ich habe 5 Stück gezählt:

1. "Hinter dem Magazin"

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2. "Querschlag 06" (Am Lidl, Tankstelle)

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3. "Weißer Hirsch" (Schacht 3, Bergsicherung Schneeberg)

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4. "Adam-Heber-Schacht" (Schacht 43, Am Filzteich)

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5. "Lutte St. Wolfgang" (Wolfgangskirche)

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Als Zuluftöffnungen sind schon oder kommen später noch dazu:

Der "Türkschacht" bei Zschorlau (Schacht 83)

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Der "Ritterschacht II" (Schacht 25)
Hier wird gearbeitet, deswegen ziehen hier die Wetter ein.

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Wenn das Projekt fertig ist, wird diese jetzige Baustelle am Schacht 76 vor der Stadt eine Abluft-Wetteröffnung sein, im Moment zieht dort die Luft ebenfalls ein:

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DL3HRT

Um noch einmal herauszustellen, warum man diesen, doch gewaltigen, Aufwand betreibt: Es gibt eine Reihe von Häusern in Schneeberg in denen im Erdgeschoss Radonkonzentrationen von mehreren 10.000 Bq/m3 bis hinzu zu 100.000 Bq/m3 gemessen wurden, wenn keine Bewetterungs- oder Lüftungsmaßnahmen ergriffen wurden.

Vor diesem Hintergrund muten die >1000 Bq/m3 in unserem Lehmkeller fast wie ein Luxusproblem an ;).

NoLi

Mal andersrum betrachtet:
Das Positive daran zeigt: es muß noch jede Menge Uran im Untergrund vorhanden sein.

Norbert

DL3HRT

Zitat von: NoLi am 13. Mai 2025, 09:26Mal andersrum betrachtet:
Das Positive daran zeigt: es muß noch jede Menge Uran im Untergrund vorhanden sein.
Prinzipiell ist da etwas Wahres dran. Allerdings ist das Uran fein verteilt und nicht (mehr) abbauwürdig. Du solltest dieses Statement aber nicht Einheimischen gegenüber bringen. Die verstehen da wenig Spaß. Versuch mal ein Haus mit einer solch heftigen Radonbelastung zu verkaufen...

DL3HRT

Das Wetterprojekt ist eigentlich eine "Ewigkeitsaufgabe", dennn das Radon ist nicht irgendwann einfach alle. Nichts kann für die Ewigkeit gebaut werden aber man bemüht sich beim Wetterprojekt zumindest, ein funktionierendes Bewetterungssystem für die nächsten Jahrzehnte zu schaffen. Damit das Wetterprojekt ein Erfolg wird, müssen alle wetterführenden Strecken auf Jahrzehnte hin eine freie Zirkulation gewährleisten. Sie müssen dazu beräumt und, wenn nötig, stabilisiert werden.

Ein Zugang für das Wetterprojekt ist der Schacht 76. Beim Öffnen der Schachtplombe stellte sich glücklicherweise heraus, dass der Schacht nicht verfüllt worden war. Man musste ihn also nicht auf 100 Meter Tiefe freiräumen. Vom Schacht 76 gehen Strecken der ehemaligen Wismut ab, die auf die Mitte der 1950er Jahre datieren. Sie haben einen Querschnitt von 3-4 m2, so dass sie mit der gängigen Grubenbahn befahren werden können.

Zuerst wurde die Hauptstrecke beräumt, stabilisert und es wurden neue Gleise verlegt. Mithilfe der Grubenbahn kann anfallendes Material aus den freizuräumenden Strecken effizient zum Schacht befördert werden.
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Da das Projekt auf viele Jahrzehnte ausgelegt ist wird nicht mehr mit Holz, sondern mit Stahl gearbeitet.
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Es ergeben sich dann teils sehr kreative Konstruktionen  :).
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Immer wieder kreuzt Jahrhunderte alter Altbergbau. Dann muss situativ entschieden werden, wie weiter verfahren wird. Manche alten Strecken werden in das Belüftungssystem eingebunden.
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Man belässt es aber nicht nur beim Beräumen der alten Strecken, teilweise müssen auch kurze Strecken neu aufgefahren werden. Sprengungen sind dann das Mittel der Wahl.
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DG0MG

Zitat von: DL3HRT am 13. Mai 2025, 19:46Die verstehen da wenig Spaß. Versuch mal ein Haus mit einer solch heftigen Radonbelastung zu verkaufen...

Offenbar gibts da - wie immer - unterschiedliche Meinungen.
Wie im oben verlinkten PDF zu sehen, misst das sächsische Oberbergamt seit mehr als 15 Jahren an mehr als 100 Messtellen die Radonbelastung im Monatsrhythmus. Es gäbe wohl viele Leute, die das Projekt unterstützen, aber auch welche mit der Meinung, dass wenn bei ihnen nicht gemessen wird, das Problem auch nicht existiert.
Das Oberbergamt bittet die Bevölkerung ausdrücklich um Unterstützung in der Form, Messungen zuzulassen, wenn die Behörde auf einen Hauseigentümer zukommen sollte.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Detaillierte Informationen zu den Aktivitäten der Wismut in Schneeberg findet man in der "Chronik der Wismut" unter dem Punkt "2.2.2.3 CHRONIK DES URANBERGBAUS IM REVIER SCHNEEBERG-NEUSTÄDTEL - OBJEKT 03".

Die Uranförderung wurde 1947 begonnen und bereits 1956 wieder eingestellt.

DL8BCN

Was auch wichtig ist:
Die Wasserbehandelung der Sickerwässer aus den Halden etc.
Das ist ebenfalls eine Ewigkeitsaufgabe.
Hatte wir uns ja letztes Mal bei der "Wismut- Wassertour" mit der Bus Rundreise angesehen und erklären lassen.
Alleine der Stromverbrauch der Pumpen ist immens!