"Schilddrüsenhormonprobleme" nach Tschernobyl Fallout

Begonnen von Radiohörer, 05. Oktober 2025, 04:51

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Radiohörer

...gestern auf einer Feier erfahren, dass nicht wenige Leute, die in den Regen beim Überzug der Tschernobylwolke kamen, seit dem mit einer Minderproduktion der Schilddrüsenhormone zu kämpfen haben. Quelle war damals im Labor einer Klinik in Regensburg und der Partner ist seit dem betroffen.
Kennt jemand genauere Werte des u.U. aufgenommenen Radiojods?
Angeblich sei das damals alles unter den Tisch gekehrt worden!?
Naja kein Wunder: FJS lebte ja noch :o

Irgendwo hab ich letztens gelesen oder gehört, dass das heute noch bei Überproduktion? als Radiotherapie verordnet wird...

Kermit

Das Thema ist sehr komplex, so daß eine kurze knappe Antwort sehr schwierig ist... Zumal der Passus viel zu viel Raum für Spekulationen lässt.
Zitat von: Radiohörer am 05. Oktober 2025, 04:51dass nicht wenige Leute, die in den Regen beim Überzug der Tschernobylwolke kamen, seit dem mit einer Minderproduktion der Schilddrüsenhormone zu kämpfen haben. Quelle war damals im Labor einer Klinik in Regensburg und der Partner ist seit dem betroffen.
Kennt jemand genauere Werte des u.U. aufgenommenen Radiojods?

Eine Schilddrüsenunterfunktion wird häufig durch eine chronische Entzündung ausgelöst, kann aber auch sehr viele individuelle Gründe haben. Eine Pauschalisierung ist hier nicht angeraten ("sehr viele Leute").
Das zum einen.
Zum anderen würde die Aufnahme von Zuviel Iod eher zu einer Überfunktion oder im schlimmsten Fall zu einen Schilddrüsentumor führen. Das ist übrigens auch ein Risiko bei der unkontrollierten Einnahme der "Schilddrüsentabletten für den Notfall", weswegen diese nur nach Aufforderung eingenommen werden sollen.
Es spielt hier auch keine Rolle ob das Iod radioaktiv ist oder nicht, der Körper kann das nämlich nicht unterscheiden.

Zitat von: Radiohörer am 05. Oktober 2025, 04:51Kennt jemand genauere Werte des u.U. aufgenommenen Radiojods?

Die Frage lässt sich nicht sinnvoll beantworten, weil das individuelle Parameter für jeden Einzelnen sind. Falls das damals bei der Person gemessen wurde dann ja, falls dazu eine pauschalisierte Aussage angegeben wird ("war damals so und soviel in der Gegend") ist die Aussage wertlos, da die Parameter für jeden Menschen individuell schwanken.

Zitat von: Radiohörer am 05. Oktober 2025, 04:51Irgendwo hab ich letztens gelesen oder gehört, dass das heute noch bei Überproduktion? als Radiotherapie verordnet wird...

Ja, die Radiojodtherapie der Schilddrüse ist ein weltweit eingesetztes und erfolgreiches Verfahren zur Behandlung der Schilddrüse (als Beispiel Überfunktion, Schilddrüsenkarzinom). Die Radiojodtherapie gibt es seit über 60 Jahren. ;)
Es lässt sich aus heutiger Sicht auch kein sinnvoller medizinischer Grund erkennen, warum das Nebenwirkunsarme Verfahren nicht mehr verwendet werden sollte. Vorausgesetzt natürlich, das eine Indikation von einem Facharzt gestellt wird.



miles_teg

Ich denke, hier gibt es mehrere Blickwinkel, die nicht zwingend miteinander zu tun haben müssen.
Die erste Frage hier wäre ja, wieviel radioaktives Iod aus Chernobyl in DE deponiert wurde. Anzunehmend ist, das dies mit den Cäsiumkontaminationen korreliert. Diese Publikation impliziert das im stärker betroffenen Süden der alten Bundesländer zumindest die anfängliche Dosisleistungserhöhung durch Iod und entsprechende Töchter verursacht wurde (siehe screenshot, Publikation ist über mich erhältlich). Allerdings ist, bedingt durch die Halbwertszeit, die Exposition relativ kurz (8 Tage). Die geschätzten Organdosen in der Schilddrüse durch Aufnahme sind bei Erwachsenen etwas höher als im Knochenmark und Gonaden, auch im Vergleich durch externe Strahlung. Bei Kindern ist der Effekt deutlich ausgeprägter.
Bayern war auch 1990 das Bundesland mit der zweitgrößten Zahl an Einwohnern (nach NRW).
Insofern ist es nicht auszuschließen, dass epidemiologisch eine höhere Zahl an Schilddrüsenerkrankungen in Bayern durch Chernobyl erklärbar sein könnten. Ich habe auf die schnelle diesbezüglich aber keine Daten zur Hand und selbst ChatGPT hilft nicht. :-D Es müsste sich, speziell im Vergleich mit NRW, also in signifikant höheren Zahlen niederschlagen. Ohne es zu wissen, tendiere ich persönlich aber eher nicht dazu, das dies der Fall sein wird. Damit sind wir bei der zweiten Frage: wie Menschen denken und kommunizieren. Ohne das lang ausführen zu wollen: Gerüchte entstehen schnell, oft noch schneller in Anwesenheit von XX-Personen. Ich erinnere mich an entsprechende Gerüchte als an der Institution, wo ich vor 20 Jahren meine Diplomarbeit schrieb, 7T MRT Human-Forschungsscanner eingeführt wurden. Da stand plötzlich die Aussage im Raum, dass die (weiblichen) technischen Mitarbeiter, die am Scanner arbeiteten, "alle nicht schwanger werden könnten".  :unknw:
Ohne harte Evidenz, die es es bei Schilddrüsenerkrankungen geben sollte, tendiere ich dazu solche Berichte eher als anekdotische Evidenz zu betrachten.