Gefährlichkeit glühstrumpfstaub

Begonnen von Gast123, 24. Juli 2021, 16:17

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Gast123

Hallo, leider konnte mir bisher keiner eine fundierte Antwort geben. Beim Keller ausräumen ist eine alte Gaslampe hingefallen, Staub sowie Teile des Glühstrumpfs sind in den Eingangsbereich, sowie vor die Haustür aufs Pflaster gefallen.
Besteht die Gefahr diesen Staub eingeatmet zu haben bzw. wie gefährlich wäre das. Den Staub auf dem Pflaster konnte ich nicht feucht weg putzen, sondern habe ihn nur mit Wasser abgespült. Ist das so in Ordnung,oder besteht eine Gefahr für die Nachbarschaft, insbesondere Kinder die auf dem Boden spielen. Vielen Dank im Voraus

NoLi

Zitat von: Gast123 am 24. Juli 2021, 16:17
...Ist das so in Ordnung,oder besteht eine Gefahr für die Nachbarschaft, insbesondere Kinder die auf dem Boden spielen. Vielen Dank im Voraus

Hallo und willkommen!

Kommt auf das Alter und Material des Glühstrumpfes an. Es gab/gibt radioaktive (Thorium-haltig) mit Asbestgewebe wie auch (seit ca. dem Jahr 1995) nicht radioaktive (Cerium-haltig) mit Kunststoffgewebe. Nach dem Einbrennen besteht ein Glühstrumpf aus einer fragilen salzhaltigen Schicht, die beim Bruch zu mehr oder weniger großen Bruchstücken zerfällt.
In beiden Fällen sehe ich eine Gesundheitsgefährdung als äußerst gering bis garnicht an, zumal die Reste gleich nach Bruch feucht/naß weggeputzt bzw. weggespült wurden. Gegenbenenfalls könnte man den betroffenen Bereich nochmals gründlich nachspülen.

Im Gesundheitszweifel am besten den Rat eines Arztes einholen, insbesondere eines strahlenschutzermächtigten Arztes. Dies sind normale Ärzte bzw. Arbeitsmediziner mit Sonderqualifikation im Strahlenschutz (Name und Adresse kann man über die örtliche Ärztekammer erfragen).

Gruß
Norbert

Gast123

Vielen Dank für die Antwort. Die Lampe bzw der Strumpf ist aus den 80 er Jahren, also definitiv radioaktiv. Wie verhalten sich die radioaktiven Bruchstücke/Staub; wie normaler Staub oder muss man davon ausgehen, dass er sich in alle Richtungen verteilt/ strahlt und so weiträumig eingeatmet werden kann. Und im Worst Case, falls etwas eingeatmet wurde, wie schädlich wäre es? Vielen Dank im Voraus

NoLi

Hier ein Bericht aus dem Jahr 1989 über eine Untersuchung des "Schweizer Bundesamtes für Gesundheitswesen" über die Gefährdungsmöglichkeit bei unvorsichtigen Glühstrumpfwechsel:

http://www.strahlentelex.de/Stx_89_48_S01+03.pdf

Gruß
Norbert


Henri

Hallo,

in Berlin wurde die Gasbeleuchtung noch lange mit radioaktiven Glühstrümpfen betrieben. Bei der Deutschen Bahn ebenfalls.

Es gab da mal eine Studie, dass das Strahlenrisiko für das Wartungspersonal gering ist. Die standen ja jeden Tag mit der Leiter an den Lampen und haben die alten Strümpfe gewechselt, mit dem Kopf unter der Glashaube. Die alten Strümpfe wurden auf den Boden gebröselt oder bei der Bahn auf die Gleise oder ins Gebüsch. Hände waschen konnte man da auch nicht gleich.

Quelle habe ich leider nicht mehr, aber ich glaube, es gab hier schon mal einen Thread zu.

Ich würde mir da wirklich keine großen Sorgen machen. Wenn Du ein Messgerät hast, könntest Du mal nachmessen, ob du wirklich alles weggespült hast. Aber Rauchen, Feinstaub von KFZ oder Wohnen in Gegenden mit höheren Radonkonzentrationen belasten die Lungen sicher deutlich mehr.

Man kann trockenen Staub übrigens auch sehr gut mit Paketklebeband oder Bucheinschlagfolie binden, was zum Beispiel besser ist, wenn der Staub nicht wasserlöslich ist.

Viele Grüße!

Henri

Henri

Zweites Beispiel: denk mal dran, was die Uranerz-Hauer bei der Wismut alles eingeatmet haben, welche extremen Mengen Uranstaub und Radon das waren. Gut, davon sind auch viele an Krebs gestorben, aber bei weitem nicht alle, und die standen als junge Männer jahrelang jeden Tag für viele Stunden im dichten Staub bei massiven Radon-Konzentrationen. Dagegen ist Dein Glühstrumpf - nichts.

Gast123

Vielen Dank für die Antworten! Als Laie bekommt man natürlich einen Schock wenn man hört radioaktiv. Da viele Kinder in der Einfahrt rund ums Haus spielen, werde ich mir wohl tatsächlich ein Messgerät besorgen und das Pflaster, sowie den angrenzenden Rasen und die Hecke mal messen.

Gast123

Kurze Frage noch; der Staub löst sich ja leider nicht von selber auf, ich denke das ein Teil im Rasen versickert ist. Stellt das ein Problem dar, kann der Staub von dort aus ,,weiterstrahlen" bzw. beim Rasenmähen wieder aufgewirbelt werden ?
Habe mich jetzt leider durch Zuviel lesen in das Thema reingesteigert

DG0MG

Das Salz, mit dem die (alten) Glühstrümpfe getränkt sind, ist Thoriumnitrat. Dieses ist leicht in Wasser löslich, so dass alleine durch Regen und Niederschlag eine Auswaschung aus dem mglw. verbliebenen Aschestaubresten erfolgt.

Zitat von: Gast123 am 24. Juli 2021, 22:25
werde ich mir wohl tatsächlich ein Messgerät besorgen und das Pflaster, sowie den angrenzenden Rasen und die Hecke mal messen.

Das Vorhaben ist zwar grundsätzlich sehr löblich, aber von vornherein zum Scheitern verurteilt: Du wirst nichts messen. Jedenfalls nicht die Glühstrumpfreste, eher vielleicht den Granit der Pflastersteine.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

Gast123

Das wäre natürlich umso besser :) Nur zum Verständnis, wo sind die Partikel hin, wenn der Staub ewig strahlt ? Sorry für die vielen Fragen aber die evtl Gefährdung anderer macht mir zu schaffen.

Henri

Zitat von: Gast123 am 25. Juli 2021, 12:38
Kurze Frage noch; der Staub löst sich ja leider nicht von selber auf, ich denke das ein Teil im Rasen versickert ist. Stellt das ein Problem dar, kann der Staub von dort aus ,,weiterstrahlen" bzw. beim Rasenmähen wieder aufgewirbelt werden ?
Habe mich jetzt leider durch Zuviel lesen in das Thema reingesteigert


Bleib mal ganz entspannt.

Ja, der Staub wird noch Millionen Jahre weiterstrahlen. Bis er halt zerfallen ist. Ob es dann das Universum noch gibt? Aber Du hast ihn mehr als ausreichend verdünnt. Wußtest Du, dass im Schnitt in normalem Erdboden in der obersten 33cm starken Schicht pro km² Fläche 1500 kg Uran enthalten sind? Und Thorium sogar etwa 2-3 Mal so viel? (Quelle: Wikipedia)  Beides sind beileibe keine seltenen Elemente. Seit es den Menschen gibt, musste sich sein Körper damit auseinandersetzen und hat wirkungsvolle Zell-Reparaturmechanismen geschaffen, auf die man vertrauen kann.

Ich find's gut, dass Du Dir ein Messgerät kaufen möchtest. Allerdings nicht speziell für diesen konkreten Fall (Du wirst nichts mehr messen, bei einem normalen ganzen Glühstrumpf misst man schon in 30 cm Abstand nichts mehr), sondern weil es gut ist, sich mit der Materie mal auseinanderzusetzen. Du wirst dann sehr schnell merken, wie sich Dinge im Kopf relativieren und man lernt, vermeintliche von echten Gefahren abzugrenzen und ein Gefühl dafür zu bekommen, was schädlich sein kann und was eher nicht. Bei etwas, was man nicht sehen, riechen, schmecken oder fühlen kann, ist das ja sonst ein wenig schwierig.

Ein guter Einstieg ins Thema ist übrigens, sich mal mit Kalium-40 zu beschäftigen. Und in diesem Zusammenhang dann auch, welche Funktion Kalium im menschlichen Körper erfüllt.

Viele Grüße!

Henri

Gast123

Richtig, das ist das Problem, als Laie kann man schwer einschätzen, ob eine reale Gefahr besteht.
Wenn man dann liest, ein Staubkorn von dem Strumpf strahlt ein Leben lang in der Lunge, bekommt man schon mit der Angst zu tun.
Klar, Radon ist auch allgegenwärtig, aber bleibt ja auch nicht so lange im Körper so wie ich das verstanden habe mit der Halbwertzeit

NoLi

#12
Zitat von: Gast123 am 25. Juli 2021, 16:43
Richtig, das ist das Problem, als Laie kann man schwer einschätzen, ob eine reale Gefahr besteht.
Wenn man dann liest, ein Staubkorn von dem Strumpf strahlt ein Leben lang in der Lunge, bekommt man schon mit der Angst zu tun.
Klar, Radon ist auch allgegenwärtig, aber bleibt ja auch nicht so lange im Körper so wie ich das verstanden habe mit der Halbwertzeit
Leider wird bei diesem Thema von selbsternannten "Atomexperten" und "unabhängigen Experten" sehr sehr viel Mist publiziert, welcher dementsprechend (gewollt?) zur Verunsicherung beiträgt. Daher möglichst jede Informationsquelle auf Vertrauenswürdigkeit prüfen.

Gruß
Norbert

Gast123

Hallo zusammen, habe mal mit einem geliehenen Geigerzähler den Eingang/ das Pflaster überprüft, scheint in Ordnung zu sein. Es werden Werte zwischen 00.10-00.20 angezeigt. Zum Test habe ich auch mal andere Stellen überprüft, da ist es ähnlich.
Leider mache ich mir im Nachgang doch mehr sorgen als gedacht. Als die Lampe im Hausflur hingefallen ist hingen einige Kleidungsstücke auf dem Ständer. Könnte da eine Kontamination erfolgt sein? Die andere Sache ist das ich kurz nach dem nass machen des Plasters (wo auch Teile des Strumpfes gelandet sind) mit dem Laubbläser hantiert habe. Vielleicht Dumme fragen für die meisten aber wäre um eine Antwort dankbar. 

NoLi

#14
Dumme Fragen gibt es nicht, allenfalls dumme Antworten!

Wenn die Messungen mit dem Geigerzähler an den besagten Stellen keine erhöhten Messwerte als die Umgebung geliefert haben, ist auch von keinem Gefährdungspotential auszugehen!
Und auch bei Tätigkeiten mit dem Laubbläser ist nicht mit einer Inkorporation, also Aufnahme radioaktiver Stoffe, in den Körper zu rechnen, weil der Luftstrom vom Körper weg gerichtet, der Verdünnungsfaktor mit der Umgebung sehr hoch und im Vergleich dazu das Atemvolumen pro Atemzug sehr gering ist.
Die Kleidung kannst Du, wenn es dich beruhigt, auch mit dem Geigerzähler ausmessen und ggf. waschen/reinigen lassen. Aber auch hier ist/war m.M. kein Kontaminationsrisiko gegeben.

Generationen von Campern haben in den vergangenen Jahrzehnten zig-Millionen thoriumhaltige Glühstrümpfe verbraucht. Die schweizerischen Untersuchungen wiesen "lediglich" auf ein, gemäß dem Dosis-Minimierungsgebot, bei unverhältnismäßig unvorsichtigem Umgang ("Worst Case") mit Glühstrümpfen vermeidbares Risiko hin. Das bedeutet auch nicht, dass bei den benannten zwei unvorsichtig durchgeführten Glühstrumpfwechseln Sichtum und Tod drohen; dazu wären gaaanz andere (Dosis)Kaliber notwendig!

Also in deinem Fall keine Sorge! :)

Gruß
Norbert