Oranienburg

Begonnen von wrdmstr inc., 22. September 2019, 21:01

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wrdmstr inc.

Oranienburg ist bundesweit der radioaktiv am meisten belastete Ort, die Auerwerke produzierten hier aus Uranoxid und Monazitsand u.a für das Uranprojekt so das 1945 durch die alliierten Bomben alles verteilt wurde.

https://de.wikipedia.org/wiki/Auergesellschaft#In_der_Zeit_des_Nationalsozialismus

2016 war ich am Stromkasten auf der Kreutzung Lehnitzstr. Ecke Saarlandstr. wo das deutlich messbar ist.

DG0MG


Hierzu passt dieses Dokument des BfS (ich hab schon einen "Oranienburg"-Ordner, aber noch ohne eigene Fotos ;) ):

https://repository.publisso.de/resource/frl:6047243-1/data

Interessant hierbei die Übersichtskarte mit Verdachtsflächen auf Seite 20.
Bei 52.743001° 13.222016° stand früher die Gasglühstrumpffabrik "Goetschke", auf deren Fläche wurden 1995 ebenfalls Erkundungen durchgeführt tlw. 70µSv/h(!) (Karte S. 30).
Ich denke nicht, dass das noch so ist, in GE sieht es wie Erdarbeiten aus, vielleicht hat man wenigstens eine obere Schicht abgetragen.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

Henri

Ich habe gerade eine schöne Doku entdeckt. Sie zeigt die Zusammenhänge, die zur radioaktiven Kontamination der Stadt geführt haben: die Bombardierung der sich ehemals rechts und links vom Bahnhof befindlichen Auerwerke, die ursprünglich Thorium für Glühstrümpfe und Zahnpasta aus Monazitsand herstellten und schließlich auch ins deutsche Atomprojekt eingebunden wurden (Kummersdorf und Gottow), was den Alliierten zur Kenntnis gelangte.

Die extreme Bombardierung verteilte Monazitsand und daraus hergestellte Produkte über große Areale. Öfters wurden auch Bombenkrater mit Monazitsand aus Lagerbeständen verfüllt. Laut Wikipedia kann Monazit bis zu 20% Thoriumdioxid enthalten und hat dann eine Aktivität von bis zu 450 Bq/g.

Die nach dem Krieg erbauten alten Garagen am Lindenring, über die man in diesem Zusammenhang öfters liest, stehen auf einem weitgehend unsaniert gebliebenen Teil der ehemaligen Auerwerke. Man misst hier Dosisleistungen von teilweise mehreren µSv/h.
Bernd hat ein schönes Paper darüber verfasst: http://www.opengeiger.de/GeigerCaching/DokuOranien.pdf

Von einigen wenigen "Hot Spots" abgesehen wurde mittlerweile aber das meiste saniert (abgetragen, abgedeckt) oder zumindest eingezäunt und dann der Natur überlassen.

Ein weitaus größeres Problem, das die Stadt neben den Kontaminationen nachwievor hat, ist die hohe Zahl an Blindgängern mit Langzeitzündern, die noch im Erdreich schlummern. Dies wird vor allem im zweiten Teil der Doku beschrieben. Diese liegen in bis zu 8 m Tiefe und sind deshalb nicht einfach ausfindig zu machen. Es gab wohl schon mehrere Spontan-Detonationen.



DG0MG

In Oranienburg war schonmal ein RAYSID-Benutzer und hat die Fläche an der Garagenanlage kartiert: https://raysid.com/map/#15-13.24336-52.74952-hybrid-raysid_doserate-1-sv-cps-global

Die RadiaVerse-Karte ist erstaunlicherweise an dieser Stelle noch völlig jungfräulich: https://map.radiaverse.com/#12.27/52.75313/13.25352

In dieser Doku gehts ab 3:00 min um Oranienburg, zuerst mal um die Bombenaltlasten:


Bei 7:05 min ist von einer ehemaligen Kita die Rede, auf deren Fläche erhöhte Radioaktivität vorhanden ist. Wahrscheinlich ist das das Gebäude westlich der Garagen am Wasser.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

opengeiger.de

Auf Anfrage einer betroffenen Person war ich im Frühjahr nochmal dort. Bei der Gelegenheit habe ich dann auch versucht mir ein Bild zu machen, ob es stimmt, dass es in der Stadt wirklich an jeder Ecke tickt und habe dafür mit dem Radiacode ein umfangreicheres Mapping gemacht. Das Ergebnis findet sich hier:
http://www.opengeiger.de/OranienburgMapping.pdf

DL8BCN

Gibt es keine ODL-Sonden vom BfS dort?

NoLi

Zitat von: DL8BCN am 05. Dezember 2025, 11:02Gibt es keine ODL-Sonden vom BfS dort?
Na ja, wenn die Sonde nicht "am rechten Fleck" steht...

Norbert

DG0JN

Zitat von: DL8BCN am 05. Dezember 2025, 11:02Gibt es keine ODL-Sonden vom BfS dort?

1. Es gibt dort eine Sonde: http://odlinfo.bfs.de/DE/aktuelles/messstelle/120652562.html

Leider hat sich noch immer keiner gefunden, der den genauen Standort kartiert hat  :(  :(  :(

Ich tippe mal auf die Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg als Standort. Evtl. gibt es ja mal einen Tag der offenen Tür zur Besichtigung.

2. Der Zweck der ODL-Sonden vom BfS ist doch m.M. nach nicht das Detektieren der Altlasten, sondern aktuelle Veränderungen einer Strahlenbelastung.

opengeiger.de

Also ich habe entlang der 55km, die ich abgelaufen bin keine ODL-Sonde gesehen. Aber ehrlich gesagt, ich würde keinen Sinn darin sehen, eine solche Sonde dort aufzustellen, wo sich im Boden Kontaminationen mit Thorium und Uran befinden. Da ja die Halbwertszeiten der primordialen Nuklide im Milliarden Jahre Bereich liegen, macht es keinen Sinn, die diesbezüglich auftretende ODL minütlich oder stündlich nachzumessen. Das wäre höchstens sinnvoll, wenn mit  einer Erosion des Bodens und dem Transport von solchen Partikeln mit dem Wind zu rechnen wäre. Das kann man dort aber so gut wie ausschließen. Die BfS-Sonden sind ja im wesentlichen dazu gedacht einen radioaktiven Fallout zu messen, der mit dem Niederschlag aus den Wolken kommen könnte. Da würde so ein permanent erhöhter Strahlungsbeitrag aus dem Boden ziemlich stören. Ich denke, wenn dort wo eine BfS-ODL-Sonde steht, dann in einer Ecke, wo der Boden möglichst wenig kontaminiert ist.

Ich glaube, die Stadt hat mit dem was da noch im Erdreich schlummert auch viel mehr Kummer, als was mit dem Regen runter kommen könnte. Die Behörden dort messen typischerweise mit mobilen ODL-Soden sobald irgendwo der Boden aufgebuddelt wird. Die Kampfmittelbeseitigungsleute rücken auch immer zusammen mit den Strahlenschutzleuten aus. Ich habe das Gefühl, diese Zusammenarbeit funktioniert ganz gut. Kritisch sind dagegen die Kontaminationen, wo man keine Blindgänger vermutet. Wenn zum Beispiel eine Bombe bereits 1945 explodiert war und einen Riesen-Trichter hinterlassen hat. Dann hat man z.B. den Schutt und Sand der Auer-Werke zum Auffüllen benutzt. Damit war wieder etwas Schutt weg und der Trichter verfüllt. Dass das Zeug ticken könnte, darüber hat man sich damals direkt am Kriegsende keinen Kopf gemacht. Aber heute behindert dieses Thema die Stadtentwicklung ziemlich, denn Orianienburg bekommt ja keinen extra Kriegsopfer-Discount bei den Grenzwerten  :( . Und wenn man in Oranienburg ein chices "Bauplätzle" ergattert hat und das Eigenheim im Schweiße des Angesichts endlich erbaut ist, und dann bemerkt einer die Kontamination im Boden, dann kann die Frau nicht mehr Schlafen und der Mann sieht sein Immobilienvermögen im freien Fall schwinden. Ich glaube die Sanierungskosten zahlt dann auch keine Elementarversicherung mehr. Es wird dort auch sicherlich einen gewissen Clinch zwischen den Strahlenschützern und dem Stadtplanungsamt bzw. den Baubehörden geben. Denn das bremst ja auch die Investoren ziemlich. :punish: Ein Geigerzählerfreund aber könnte dort möglicherweise schönen und günstigen Baugrund finden und hätte dann richtig Freude an seinen Instrumenten  :D !

miles_teg

Zitat von: DG0MG am 04. Dezember 2025, 19:45In Oranienburg war schonmal ein RAYSID-Benutzer und hat die Fläche an der Garagenanlage kartiert: https://raysid.com/map/#15-13.24336-52.74952-hybrid-raysid_doserate-1-sv-cps-global
Das war initial Filip, welcher auch den Channel "allRadioactive" auf YouTube betreibt. Ich habe ihn letztes Jahr, als er noch in Berlin wohnte, mal besucht und wir haben die Gegend noch ein wenig mehr erkundet. Der Garagenhof jedenfalls ist schon außerordentlich. Aber beim Ablaufen der Umgebung findet man punktuell überall leicht erhöhte Werte. Interessant war der hotspot bei 52.743915,13.227058. Der war lokal recht begrenzt, im Rasenstück zwischen Fahrbahn und Fußweg. Da ich es gewagt hatte, mit öffentlichen Verkehrsmitteln in unsere dysfunktionale Hauptstadt zu fahren, bliebt leider keine Zeit dort ein wenig zu graben. Filip hat das dann aber einige Wochen später nachgeholt  ;D und in 30-40 cm Tiefe merkwürdiges Material gefunden, an Sackleinen erinnernd. :unknw:



opengeiger.de

Zitat von: miles_teg am Gestern um 11:36Aber beim Ablaufen der Umgebung findet man punktuell überall leicht erhöhte Werte. Interessant war der hotspot bei 52.743915,13.227058.

Also dem "überall" würde ich jetzt widersprechen, ich würde eher sagen "an etlichen Stellen". Das "punktuell" trifft die Sache aber sehr genau. Ich habe mir auf den Hinweis von @miles_teg  die angegebenen Koordinaten in meiner Datenbank angeschaut. Mir war bekannt, dass im Flächennutzungsplan die Böschung links und rechts der Walther-Bothe-Strasse auch als mit  einer "durch Überdeckung gesicherten" Altlast markiert ist und deswegen bin ich diese Straße auch gezielt abgelaufen. Man kann aber meinem Radiacode-Track keine Erhöhung der ODL entnehmen. Mir war auch die Baustelle nördlich der Straße aufgefallen, wo Erde aufgehäuft war. Das habe ich mir sehr genau angeschaut, konnte dort aber auch nichts erkennen. Bei der Nachbearbeitung der Daten zu Hause sind mir allerdings an einigen anderen Stellen in der Stadt leichte kurzzeitige Erhöhungen der ODL aufgefallen. Aber nur in einem Fall (in der Melniker Strasse) ist mir das schon rechtzeitig vor Ort  aufgefallen. Deswegen bin ich da am nächsten Tag nochmal hin und habe das genauer untersucht. Erst dabei hat sich dann ein schöner Hotspot manifestiert, der aber eine Ausdehnung von höchstens 1x2m hat, wenn man das in 1m Höhe über dem Boden ganz langsam abläuft. Bei normaler  Gehgeschwindigkeit (ca. 4km/h) merkt man die Erhöhung kaum und man muss wirklich sehr genau drüber laufen. Ich denke das ist typisch für solche Verfüllungen von Löchern mit Bombenschutt und Sand aus den Auer- oder Goettschke-Firmengeländen. Ich vermute jetzt mal, dass mein Radiacode-Messweg und der in der Raysid-Karte gezeigte Messweg sich möglicherweise um einige Meter unterscheiden und es sich um eine ähnliche Verfüllung wie in der Melniker Strasse handeln könnte. Man muss dabei die Ortsunschärfe des GPS von nicht besser als 4m zusätzlich noch berücksichtigen. Dann wäre das eine Erklärung, warum ich nichts gesehen habe (siehe die Kartenausschnitte).

Das Hauptproblem ist also die Kleinräumigkeit dieser Kontaminationen in der Stadt außerhalb der Auer- und Goettschke-Gelände. In dem Garagen-Areal ist es das ganz anders. Das liegt meinem Verständnis nach auf dem ehemaligen Gelände der Auerwerke westlich der Lehnitzstasse, wo die Thorium-Sande deponiert waren. Deswegen haben wir dort und vor allem auch in dem Pappelwäldchen (abgesperrt) besonders starke und ausgedehnte Kontaminationen im Boden und dazu ist die Überdeckung nicht besonders gut abschirmend. Daher sieht man dohrt auch in einem großräumigeren Gebiet deutlich erhöhte ODL-Werte.   

Die Herausforderung für die Strahlenschützer ist also eher, diese kleinräumigen Kontaminationen zu finden. Das hat aber keine so hohe Priorität wie die Blindgänger-Suche. Das leuchtet auch ein, wenn man auf die Risiken schaut. Für eine Behörde ist eine gezielte Suche der kleinräumigen Kontaminationen einfach zu personal- und zeitaufwändig, und man unterstellt dort vermutlich kein allzu hohes Risiko, wenn man nicht gerade im Boden rumbuddelt. Deswegen rücken die Strahlenschützer höchsten aus, wenn irgendwo aus anderen Gründen größers gebuddelt wird oder wenn bei einer Kampfmittebeseitigungsaktion eh gebuddelt werden muss.

Ich sehe daher Oranienburg durchaus längerfristig als interessante Spielwiese für Radiacode- und Raysid- Fans. Die Behörden könnten daher auf dies Leute zu gehen und Unterstützung mit einer Citizen Science Aktion bieten. Eine "Gamification" wäre da durchaus auch ein Anreiz. Also eine Art "Schatzsuche", wo es eine kleine Belohnung der Stadt gibt, wenn man einen Hotspot findet. Aber es könnte eben auch Leute geben, denen so was gar nicht gefallen würde, nämlich Grundstücksbesitzern und Investoren. Die Stadt bleibt also ein gewisses "Spannungsgebiet" zwischen diesen beiden Gruppierungen.  ;)     

Flipflop

Auf der Savecast Map findet man nicht viel, nur 1 Stelle fällt mit 0.38 uSv/h auf:

https://map.safecast.org/?y=52.74462&x=13.25607&z=16&l=0&m=2

NoLi

Zitat von: opengeiger.de am Heute um 10:50...
Ich sehe daher Oranienburg durchaus längerfristig als interessante Spielwiese für Radiacode- und Raysid- Fans. Die Behörden könnten daher auf dies Leute zu gehen und Unterstützung mit einer Citizen Science Aktion bieten.     
Das passt wie die Faust auf`s Auge zum Thema des nächsten Radiometrischen Seminars im März in Gießen und könnte dort, mit einem kleinen Vortrag und/oder Demo-Stand angeboten, dem breiten Fachpublikum schmackhaft gemacht werden.

Norbert

megapull

Unsere tschechischen Kollegen haben eine Strahlungskarte erstellt, auf der man Raysid, Safecast und ihre eigene Datenbank überlagern kann, und dort findet man einige Hotspots.

(Alles in der oberen rechten Ecke aktivieren, Raysid-Benutzer haben ziemlich viele Hotspots)

https://www.zhavamista.cz/mapa#lat=52.74925611065856&lng=13.245336201984331&zoom=16
https://www.youtube.com/@radminerals_hu  |  Graetz X5C Plus  |  Ludlum 3 + 44-2 scint & 44-7 AB/G  |  Radiacode 103  |  DP-75

miles_teg

Zitat von: opengeiger.de am Heute um 10:50Also dem "überall" würde ich jetzt widersprechen, ich würde eher sagen "an etlichen Stellen". Das "punktuell" trifft die Sache aber sehr genau. Ich habe mir auf den Hinweis von @miles_teg  die angegebenen Koordinaten in meiner Datenbank angeschaut. Mir war bekannt, dass im Flächennutzungsplan die Böschung links und rechts der Walther-Bothe-Strasse auch als mit  einer "durch Überdeckung gesicherten" Altlast markiert ist und deswegen bin ich diese Straße auch gezielt abgelaufen. Man kann aber meinem Radiacode-Track keine Erhöhung der ODL entnehmen. Mir war auch die Baustelle nördlich der Straße aufgefallen, wo Erde aufgehäuft war.
Ich war damals nicht dabei, als Filip am Hotspot gegraben hat. Ich kann also nur vermuten, dass er das verursachende Material zum größten Teil ausgegraben hat. Damit hat er quasi unentgeltlich die "Entsorgungsarbeit" übernommen  ;D